Jetzt hat es doch noch mit einem Formel-1-Cockpit geklappt. Wie groß ist die Freude bei dir?
Jules Bianchi: Ich bin sehr froh, dass ich 2013 in der Formel 1 fahren kann. Das war das Ziel, dass ich mir im Winter gesteckt habe. Wie Sie wissen, habe ich mit einigen Teams verhandelt, aber ich bin zufrieden, dass es jetzt mit Marussia geklappt hat. Ich glaube, es wird gut funktionieren.

Die letzten Wochen müssen eine emotionale Achterbahnfahrt gewesen sein...
Jules Bianchi: Manchmal war es schwierig, weiter daran zu glauben, dass alles gut ausgeht. Aber es ist dann doch so gekommen, wie ich es mir erhofft habe. Am Ende ist die Befriedigung größer als alles andere, was in der letzten Woche passiert ist. Ich freue mich auf die kommenden Aufgaben. Meine ganze Konzentration gilt jetzt Melbourne.

Warum war es so wichtig für dich, noch für diese Saison ein Cockpit zu finden? Ist damit nicht ein großes Risiko verbunden, insbesondere, wenn die Resultate ausbleiben?
Jules Bianchi: Ich bin bereit für die Herausforderung Formel 1 - und ich bin bereit, das zu zeigen. Alles was ich gesehen und gehört habe, deutet darauf hin, dass sich Marussia in diesem Jahr verbessert. Im Moment hat es den Anschein, dass das Team die Saison vor Caterham abschließen kann, das wäre ein klarer Schritt nach vorne. Dessen ungeachtet bin ich davon überzeugt, dass fahrerisches Talent immer durchscheint. Die Leute, auf die es ankommt, wissen die Leistung eines Fahrers einzuschätzen - egal, ob er vorne oder hinten landet. Es gibt viele Piloten, die ihre Karriere bei einem kleinen Team begonnen haben und später bei einem Top-Team gelandet sind. Fernando Alonso, der seine Karriere bei Minardi begonnen hat, ist das beste Beispiel.

Jules Bianchi: In letzter Sekunde in die Formel 1, Foto: Marussia
Jules Bianchi: In letzter Sekunde in die Formel 1, Foto: Marussia

Hast du eigentlich Mitleid mit Luiz Razia?
Jules Bianchi: Ich hatte nichts damit zu tun, was zwischen Luiz und dem Team passiert ist. Das hat stattgefunden, bevor sie mit mir geredet haben. Es ist nicht meine Aufgabe, das zu kommentieren. Aber als Fahrerkollege respektiere ich Luiz und wünsche ihm alles Gute.

Wie sind die ersten Eindrücke von deinem neuen Team?
Jules Bianchi: Sehr gut, wenn man berücksichtigt, mit welcher Geschwindigkeit sich alles entwickelt habt. Wir wurden sehr spät in der Vorbereitung zusammengeworfen und tun nun unser Bestes, um die Dinge schnell zum Laufen zu bringen. Das ganze Team hat mich sehr gut empfangen und bis spät in die Nacht gearbeitet, um Auto und Sitz an mich anzupassen. Am Samstag habe ich das Auto erstmals auf der Strecke getestet, das hat gut geklappt. Und danach habe ich mich mit den Ingenieuren zusammen gesetzt, um sie besser kennen zu lernen und ihnen detailliertes Feedback zu geben. In der nächsten Woche werde ich den Rest des Teams in England treffen.

Was weißt du von deinem neuen Teamkollegen Max Chilton?
Jules Bianchi: In Barcelona haben wir uns gut verstanden. Außerhalb der Strecke kenne ich ihn allerdings kaum, aber ich bin bereits in der GP2 gegen ihn gefahren - ich kenne also seine Performance besser als ihn selbst. Das wird sich jetzt natürlich sehr schnell ändern. Das Ziel ist, das Team gemeinsam nach vorne zu bringen.

In Barcelona hattest du eineinhalb Tage Zeit dein neues Auto zu testen. Wie ist dein erster Eindruck?
In Barcelona testete Jules Bianchi das neue Auto zum ersten Mal, Foto: Sutton

In Barcelona testete Jules Bianchi das neue Auto zum ersten Mal, Foto: Sutton
Jules Bianchi: Obwohl ich nur wenig Zeit zum Testen hatte, gefällt mir das Auto. Ich glaube, es hat viel Entwicklungspotenzial. Ich habe zwar keine Vergleichsmöglichkeit vom letzten Jahr, aber die Stimmung im Team ist sehr gut. Die Leute sind zufrieden mit dem Auto und glauben, dass sie es verbessert haben. Das ist ein gutes Gefühl für einen Fahrer.

In Jerez und Barcelona bist du noch im Force India gefahren. Wie groß war die Umstellung?
Jules Bianchi: Das war kein Problem. Die Autos bestehen aus den gleichen Zutaten. Nur das Gesamtpaket variiert, weil die Autos von verschiedenen Leuten konstruiert und gebaut werden.

Du hattest viel weniger Vorbereitungszeit als deine Konkurrenten. Ist das ein großer Nachteil? Wie willst du dieses Handicap ausgleichen?
Jules Bianchi: Es bringt nichts, über eventuelle Nachteile nachzudenken. Ich habe für 2013 einen Sitz in der Formel 1, genau das war mein Ziel. Deshalb denke ich im Moment nur an die Vorzüge - und es gibt viel mehr Vor- als Nachteile. Mein Fokus liegt jetzt darauf, bis zum Rennen in Melbourne so viel wie möglich zu lernen. Ich bin überzeugt, dass wir aus der Situation das Beste machen werden.

Worin besteht für dich die große Herausforderung in der kommenden Saison?
Jules Bianchi: Die ersten beiden Rennen werden sicherlich sehr interessant, vor allem, weil Streckenbedingungen stark kontrastieren könnten und ich bei den Verhältnissen mit diesem Auto keine Erfahrung habe. Wenn wir diese Rennen hinter uns haben, dürfte alles ein bisschen glatter laufen.

Wie kommst du mit den Pirelli-Pneus zurecht?
Jules Bianchi: Natürlich habe ich nicht so viel Erfahrung mit den Reifen wie die anderen Piloten im Fahrerfeld, aber ich kenne sie durch meine Freitagseinsätze in der letzten Saison und durch die Young Driver Tests schon ganz gut. Jetzt gilt es, so viel Wissen wie möglich über die Reifen anzureichern, insbesondere unter Rennbedingungen.

Punkte sind das Ziel

Welche Ziele hast du dir für dein Rookie-Jahr gesetzt? Sind Punkte möglich?
Jules Bianchi: Ja, dem Team würden ein oder zwei Punkte in diesem Jahr sehr gut gefallen. Deshalb geht es darum, jede Chance, die sich uns bietet, zu nutzen. Im vergangenen Jahr war Marussia ein paar Mal ganz nahe dran, wenn die Umstände günstig waren. Es wäre toll, den ersten Punkt für Marussia zu machen. Aber wie immer ist mein Teamkollege mein erster Maßstab. Ich bin überzeugt, dass Max und ich gut zusammen arbeiten werden, doch gleichzeitig werden wir auch alles dafür tun, um den anderen zu schlagen. Was wir als Teamkollegen allerdings beide wollen, ist, die Saison vor Caterham zu beenden - das gesamte Team hat diesen Anspruch.