1. - Warum konnte Red Bull nicht die gewünschten Runden fahren?

Bereits beim ersten Barcelona-Test konnte das Weltmeisterteam nicht gerade durch die Laufleistung bestechen, kam mit 322 abgespulten Runden im Kilometervergleich nur auf den sechsten Platz und blieb dabei beispielsweise noch hinter Tochterteam Toro Rosso. Dass die abschließende Testwoche dann abermals von Wetterkapriolen heimgesucht wurde, spielte Red Bull dementsprechend noch weniger in die Karten. "Wir konnten nicht so viel testen wie geplant", gab auch Sebastian Vettel zu. Ein weiteres Problem neben dem Regen und den wenig konstanten Verhältnissen seien auch die Reifen gewesen. "Gerade wenn es so kalt ist, tun sich alle schwer, die Pneus über eine Runde auf Temperatur zu bringen." Ein teamübergreifender Vergleich sei somit fast unmöglich.

Sebastian Vettel hätte gerne mehr getestet, Foto: Sutton
Sebastian Vettel hätte gerne mehr getestet, Foto: Sutton

Auch Stallkollege Mark Webber zeigte sich mit der Anzahl der zurückgelegten Kilometer nicht zufrieden. Zu oft habe er wartend in der Box stehen müssen. Zwar hätten ihn zumeist nur kleine Dinge vom Fahren abgehalten, es sei aber gerade in der finalen Phase der Saisonvorbereitung immens wichtig, dass alles zusammenpasse, wenn man auf die Strecke geht. "Wenn die Dinge nicht innerhalb des Fensters sind, in dem man sie haben will, macht es keinen Sinn - deshalb mussten wir oft ein bisschen länger warten als uns lieb war." Problematisch sei auch, dass der Nutzen der gesammelten Erfahrungswerte oft zweifelhaft sei. "Wir haben nun sehr viele Daten unter denselben Bedingungen gesammelt - diese sind aber weit von jenen entfernt, die wir bei den meisten Rennen vorfinden werden", lamentierte Webber über den Sinn der Wintertests im kalten Europa.

2. - Ferrari zwischen Hoch- und Tiefstapelei. Wie stark ist die Scuderia wirklich?

200 Mal besser als zum Testauftakt im letzten Jahr, aber immer noch ein bisschen hinter der Spitze. Das ist die Analyse von Vizeweltmeister Fernando Alonso zu seinem F138. Der ein oder andere Fan wird sicher ein großes Fragezeichen vor sich haben, wie ein Auto so viel besser und dennoch langsamer als die Spitze sein kann. Bedenkt man aber, dass Ferrari - nicht unberechtigt - am Anfang von 2012 große Sorgen hatte, überhaupt Q3 zu erreichen, ist der neue Bolide - mit ein bisschen Rückstand - sicher ein Fortschritt.

Fernando Alonso glaubt an ein starkes Jahr, Foto: Sutton
Fernando Alonso glaubt an ein starkes Jahr, Foto: Sutton

"In Brasilien waren wir sieben oder acht Zehntel hinter Red Bull und McLaren und niemand kann diesen Rückstand in ein paar Monaten gutmachen", begründete Alonso seine Zuversicht. Darf man aber den Aussagen des Spaniers Glauben schenken, ist die Scuderia auf lange Sicht ohne Zweifel ein WM-Kandidat. "Im letzten Jahr hatten wir einen schwierigen Winter. Wir waren komplett verloren und wussten nicht, was das Auto tat. Und mit genau diesem Auto kämpften wir bis zum letzten Rennen in Brasilien um den Titel." Ist Ferrari - wie der Spanier meint - wirklich nur ein bisschen hinter der Spitze und kann den gleichen Entwicklungsprozess wie 2012 hinlegen, dann muss Sebastian Vettel vielleicht öfter in den Rückspiegel schauen - oder vielleicht sogar nach vorne?

3. - Wieso beschwerten sich die Piloten auch in Barcelona über die Reifen?

Meckern, Meckern und nichts als Meckern. Der Asphalt ist zu rau, die Temperaturen zu kalt, Jerez ist einfach nicht die richtige Teststrecke. Umso größer war die Freude der Piloten, als es ins frühlingshafte Barcelona gehen sollte, wo zumindest der Asphalt "normale Bedingungen" aufweist. Aber letztlich weit gefehlt, denn Wettergott Petrus ließ die Temperaturen in Barcelona einfach nicht klettern. "Bei den kalten Temperaturen geht es schon nach einer Runde bergab - oder sogar schon im letzten Sektor", beklagte sich Sauber-Mann Nico Hülkenberg.

Die Reifen sind nicht für die kühlen Temperaturen gemacht, Foto: Sutton
Die Reifen sind nicht für die kühlen Temperaturen gemacht, Foto: Sutton

Damit waren konstante Rundenzeiten kaum möglich und wirkliche Reifenevaluierung für die Saison auch nicht drin. Nico Rosberg erklärte das auftretende Problem, war aber nicht überrascht von den Schwierigkeiten. "Bei den Tests hatten alle Teams mit Graining zu kämpfen, was bedeutet, dass die Oberfläche des Reifens auseinanderfällt. Das passiert im Winter dauernd, im Sommer weniger", verriet der Mercedes-Pilot.

Grund hierfür ist das Arbeitsfenster der Pirellis. Liegt der Reifen darin, funktioniert er perfekt. Liegt er oberhalb des Fensters, wird er zu heiß und bietet nicht mehr den nötigen Grip. Liegt er allerdings unterhalb des Operations-Fensters, wie das bei den kühlen Temperaturen der Fall ist, lösen sich Teile der Reifenoberfläche ab - die sogenannten Marbles. Diese Beschädigung der Reifen hat allerdings nichts mit normalem Verschleiß zu tun, sondern liegt darin begründet, dass der Reifen in diesem Bereich nicht richtig arbeiten kann.

4. - Wer sind die Favoriten nach den Wintertests? Was ist die Mercedes-Zeit wert?

Nach dem Horror-Start in Jerez warteten die Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg bei beiden Barcelona-Tests jeweils mit einer Bestzeit auf. Bei seinem letzten Einsatz auf dem Circuit de Catalunya schraubte Rosberg den Testfahrten-Rundenrekord auf 1:20.130 Minuten herunter. Doch auch wenn sich die Konkurrenz von der Leistung des Silberpfeils beeindruckt zeigte, in der Favoritenstellung für den Saisonauftakt in Melbourne ist Mercedes damit nicht.

Hamilton selbst wies darauf hin, dass der F1 W04 deutlich weniger Abtrieb generiert als sein letztjähriger Dienstwagen. Und Rosberg wollte trotz der guten Auftritte von einer Favoritenrolle für Mercedes nichts wissen. "Auf gar keinen Fall dürfen wir jetzt von einem Fabelauto sprechen, da müssen wir echt aufpassen", stellte er klar. Der Zweckpessimismus der Mercedes-Fahrer ist durchaus angebracht: Gut möglich, dass sich der hohe Reifenverschleiß der Silberpfeile noch nicht in Luft aufgelöst hat und das Team bei den kalten Temperaturen am besten in das Arbeitsfenster des Reifens kam.

Aber wie genau stellt sich die Hackordnung nach den Wintertests dar? Lotus-Boss Eric Boullier sieht nach wie vor das Weltmeisterteam in Front. "Auf dem Papier haben sich die Regeln zu 2012 nicht groß verändert, daher ist Red Bull das Team, das es zu schlagen gilt", meinte er. Die Einschätzung macht Sinn: Der RB9 machte einen äußerst soliden Eindruck, auch wenn die Piloten in den Zeitenlisten nur selten ganz oben standen. Ferrari, Lotus, McLaren und Mercedes dagegen hatten trotz einiger schneller Runden noch Probleme mit der Zuverlässigkeit.

5. - Was hatte es mit dem Renault-Motormapping auf sich?

Für den größten Aufreger der Testfahrten sorgte ein Motormapping von Renault, das von Lotus und Red Bull bereits beim ersten Barcelona-Test ausprobiert wurde. Zwischen den Testfahrten verbot die FIA das Programm, die Diskussionen flauten aber beim zweiten Barcelona-Test nicht ab, was insbesondere James Allison von Lotus missfiel. "Es liegt an den Teams, sich innerhalb der Regeln zu bewegen, aber gleichzeitig auch die Regeln bis ans Limit auszudehnen, denn sonst würden wir Performance einfach wegwerfen", sagte er in Barcelona.

Konkret geht es um ein Mapping, das bei Vollgas Drehmoment wegregelt und im Schleppbetrieb den Diffusor anbläst. 2011 war der angeblasene Diffusor der Joker, der Red Bull zum Weltmeister machte. Das Blowing war nun zwar nicht so ausgeprägt, aber genug, um verboten zu werden. Nach einer Klarstellung der Mapping-Regeln im Sommer 2012 war Renault davon ausgegangen, dass die Referenzwerte für die Motorkennfelder für die Saison 2013 neu bestimmt werden. Die FIA stellte jedoch schnell klar, dass die 2012er-Werte auch für die neue Saison gelten. Viel gebracht hat es laut James Allison aber ohnehin nicht.

6. - Was ist das passive DRS?

Wer dachte, die Schlupflöcher im Reglement wären 2013 endlich alle gestopft, wurde bei den Wintertests eines besseren belehrt. Nach dem Verbot des Doppel-DRS ist nun das passive DRS in aller Munde. Sauber, Red Bull, Lotus und Mercedes testeten die Vorrichtung am Heckflügel, die anhand des auffälligen senkrechten Stegs am Heckflügel einfach zu erkennen ist. Konkret geht es darum, durch Anblasen des Heckflügelblatts einen Strömungsabriss herbeizuführen, der zu höherem Topspeed führt, wie es 2010 bereits das F-Schacht-System tat.

Das passive DRS funktioniert über einen Kanal, der an der Airbox beginnt und unter dem Heckflügel endet. Die Öffnungen neben oder hinter dem Hauptansaugtrakt sind ebenfalls kaum zu übersehen. Die Herausforderung besteht darin, das System zum richtigen Zeitpunkt zum Arbeiten zu bringen: Da ein aktives Einschalten verboten ist, muss es, wie der Name schon sagt, passiv geregelt werden. Und keiner will einen Strömungsabriss mitten in einer schnellen Kurve. Motorsport-Magazin.com hat das System einer ausführlichen Analyse unterzogen.

7. Wirft das abgespeckte Testprogramm Kimi Räikkönen zurück?

Kimi Räikkönen muss sich keine großen Sorgen machen, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen muss sich keine großen Sorgen machen, Foto: Sutton

Ein Kilometerfresser war Kimi Räikkönen in der Vorbereitung nicht unbedingt. Insgesamt brachte es der Finne bei den drei Probeläufen nur auf etwas mehr als 200 Runden. 123 Umläufe in Jerez, 137 Runden in Barcelona. Vor allem in der katalonischen Hauptstadt kam der Icemann nicht ins Rollen. Dreimal wurde er von technischen Problemen ausgebremst, einmal musste er wegen einer Magenverstimmung absagen. Droht dem früheren Weltmeister nun sogar ein Fehlstart in die Saison?

Eher nicht! Der inzwischen 33-Jährige verfügt einfach über zu viel Erfahrung und fahrerisches Talent, als dass ihn der Kilometerrückstand großartig aus dem Tritt bringen könnte. Räikönnen hat bereits nach der Rückkehr von seinem zweijährigen Rallye-Intermezzo bewiesen, dass er aus dem Stand Top-Leistungen in einem Formel-1-Auto erbringen kann. Die Umstellung auf die neuen Pirelli-Reifen und technische Neuheiten wie DRS bewältigte der Finne problemlos und schloss das Jahr 2012 als WM-Dritter ab.

8. Warum fühlte sich Valsecchi als zweiter Räikkönen?

Unverhofft kommt oft: Davide Valsecchi kam in Barcelona überraschend zu einem Testeinsatz für Lotus. Da Kimi Räikkönen am Samstag von einer schweren Magenverstimmung heimgesucht wurde und dementsprechend das Hotel nicht verlassen konnte, sich Romain Grosjean aber bereits am Freitagabend auf den Heimweg begeben hatte, durfte Valsecchi einen halben Testtag lang ins Cockpit des E21 klettern. Von seinem Glück erfuhr der GP2-Champion allerdings erst eine Viertelstunde vor Sessionbeginn. Zwar war der Italiener sportlich bestens vorbereitet, weilte die gesamte Zeit beim Test und hatte auch an allen Briefings teilgenommen - mit seiner Ausrüstung sah es da jedoch schon ganz anders aus.

Valsecchis Equipment befand sich nämlich schon auf dem Weg gen Australien. "Ich musste mir alles von Kimi leihen. Angefangen beim Sitz, über die Schuhe, bis hin zur feuerfesten Unterwäsche und dem Rennoverall", so der Ersatzpilot. Lediglich die normale Unterwäsche sei seine eigene gewesen, verriet der grinsende Räikkönen 2.0 und fügte scherzend hinzu: "Immerhin ist es der Sitz eines ehemaligen Weltmeisters, schnell genug sollte er also sein." Dass die Sitzschale vorne und hinten nicht passte, sei nicht so schlimm gewesen. "Für ein oder zwei Tage kann man auch mal ein bisschen leiden", fand Valsecchi - soweit kam es allerdings gar nicht: Nach nur 16 Runden beendete ein technisches Problem das Stand-In des Italieners, ehe am Nachmittag wieder der extra zurückbeorderte Grosjean den Boliden übernahm.