Die Runde hat gesessen: 1:20.558 Minuten. Nach zwei verregneten Testtagen in Barcelona machte Lewis Hamilton am Samstag keine Gefangenen. Mit wenig Benzin im Tank und den weichen Reifen auf seinem Silberpfeil fuhr er mit Abstand die schnellste Zeit der beiden Barcelona-Tests in diesem Winter. Bislang hielt die Gesamtbestzeit Sergio Perez in 1:21.848 Minuten. Im vergangenen Jahr war Kimi Räikkönen in 1:22.030 Minuten der Schnellste zu diesem Zeitpunkt.

"Eine sehr beeindruckende Rundenzeit", lobte Ex-Technikchef Gary Anderson. "Sie beweist, dass Mercedes alles hat, um in diesem Jahr Rennen und die WM zu gewinnen." Die Konkurrenz zeigte sich von Hamiltons Zeit erst einmal wenig beeindruckt. "Lotus und Ferrari deuteten an, dass sie diese Zeiten auch fahren könnten", so Anderson. Bewiesen haben es diese Teams auf der Strecke allerdings noch nicht. Red Bull-Pilot Mark Webber meinte: "Es ist eine gute Zeit, klar. Aber Mercedes hat das schon einige Male im Winter gezeigt."

Hamilton: Siege werden kommen

Auch Hamilton stapelte zunächst tief und meinte, es gebe keinen Grund, von seiner Zeit beeindruckt zu sein. "Es ist wichtig, auf dem Boden zu bleiben und zu wissen, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben", betonte er. So habe es am Samstag keine Vergleichszeiten der Topfahrer wie Jenson Button, Sebastian Vettel und Fernando Alonso gegeben. "Wir haben uns auf unser eigenes Programm konzentriert und ganz sicher noch nicht das volle Potential unserer Konkurrenten gesehen."

Demnach sei es schwierig vorherzusagen, wo Mercedes tatsächlich stehe. "Das erfahren wir erst beim ersten Rennen in Melbourne, aber ihr solltet nicht überrascht sein, wenn wir dann nicht an der Spitze sein sollten", so Hamilton. Ob er mit dem F1 W04 den Titel gewinnen kann, wollte er nicht beantworten. "Wir werden irgendwann in dieser Saison sicher Rennen gewinnen können - jedenfalls hoffe ich das. Aber wer weiß schon, wann es soweit sein wird?"

Anderson: Silberpfeil konstant gut

Hamiltons erster Testtag war ein Reinfall, sein letzter ein voller Erfolg, Foto: Sutton
Hamiltons erster Testtag war ein Reinfall, sein letzter ein voller Erfolg, Foto: Sutton

Wenn es nach den Beobachtungen von Gary Anderson geht, könnte es schon sehr bald der Fall sein. Der frühere Technikdirektor und heutige F1-Experte ist der Meinung, dass der Silberpfeil in Händen beider Fahrer sehr gut auf der Strecke liegt. "Beide Fahrer geben alles, das sieht man, wenn sie mitten in der Kurve am Lenkrad drehen und das Auto ans Limit treiben", so der BBC-Experte.

Das Gute am Mercedes sei, dass das Auto gut reagiere und der Fahrer es auch wieder auf die Rennlinie zurückbringen könne, sollte er etwas davon abweichen. "Einige Autos wie der McLaren haben ein ständiges Untersteuern oder es fehlt ihnen Grip an der Vorderachse, dann reagiert das Auto nicht auf Lenkbewegungen", erklärt Anderson. Das Heck des Ferrari breche hingegen beim Beschleunigen am Kurvenausgang gerne aus. "All das ist auch beim Mercedes der Fall, allerdings viel weniger ausgeprägt - der Fahrer kann das Auto wie gewünscht steuern."

Das Besondere dabei: Der F1 W04 sieht in Andersons Augen bei allen Bedingungen gleich gut aus - egal ob neue oder gebrauchte Reifen, wenig oder viel Sprit. "Im letzten Jahr war das Auto in Monaco schnell", erinnert Hamilton an Michael Schumachers Beinahe-Pole. "Also sollte es auf Straßenkursen konkurrenzfähig sein. Auf Strecken, die Abtrieb verlangen, könnte es für uns härter werden."

Letzte Vorbereitung für Melbourne

Hamiltons Tageswerk bestand am Samstagvormittag aus einer Reihe von kürzeren Runs mit der weichen Pirelli-Reifenmischung - dabei testete er auch einige Aerodynamikteile und verschiedene Setups. Nach der Mittagspause konzentrierte er sich auf längere Runs, auf denen er erneut die Aerodynamik im Auge hatte und den Reifenabbau beobachtete.

Insgesamt fuhr Hamilton 117 Runden auf dem GP-Kurs vor den Toren Barcelonas, was 545 km entspricht. In den drei Testwochen sammelte er 2.585 km im neuen Silberpfeil. "Es war toll, an meinem letzten Testtag trockene Bedingungen zu haben", sagte Lewis. "Wir konnten unser geplantes Testprogramm absolvieren. Es liegt noch immer viel Arbeit vor uns, um dorthin zu gelangen, wo wir sein möchten, aber das Team hat großartige Arbeit geleistet."

Vor allem die Zuverlässigkeit, die Anzahl der absolvierten Kilometer sowie die Fortschritte während der drei Tests waren für den Briten ermutigende Vorzeichen für die anstehende Saison. "Wir haben unser Programm absolviert und stecken nicht in großen Schwierigkeiten. Wir sind auf dem richtigen Weg." In der kommenden Woche macht Hamilton noch einmal Station im Simulator, um sich mit seinen Ingenieuren auf den Saisonstart vorzubereiten. Dann geht es auf nach Melbourne - zur Stunde der Wahrheit.