Ist es wie Krieg, in der Formel 1 zu arbeiten?
Adam Parr: Nein, es wäre unsensibel und unangemessen, das zu sagen. Aber ich habe zu Beginn meines Buches ein Zitat des preußischen Generals Carl von Clausewitz benutzt, das die Tatsache illustriert, dass Wettbewerb und Konflikt im Zusammenhang stehen.

Was können die Leser von deinem Buch erwarten?
Adam Parr: Ich wollte interessierten Leuten einen Blick hinter die Kulissen gewähren. Über das, was gut gelaufen ist und was nicht. Die Formel 1 ist nicht nur ein Sport, sondern vor allem ein Geschäft. Ich wollte aber auch etwas Neues machen, deshalb habe ich das in Form eines Comics gemacht. Verschiedene Leser werden verschiedene Dinge mitnehmen. Ich hoffe, dass es für viele von ihnen unterhaltend und interessant sein wird, das Buch zu lesen.

In deinem Buch bezeichnest du einige Abschnitte des Concorde-Abkommens als inakzeptabel beziehungsweise nicht mit EU-Recht vereinbar. Kannst du das erklären?
Adam Parr arbeitete von 2005 bis 2012 bei Williams, Foto: Sutton

Adam Parr arbeitete von 2005 bis 2012 bei Williams, Foto: Sutton
Adam Parr: Meine Verständnis von EU-Recht ist, dass es weder erlaubt ist, eine dominante Position in einem Markt zu missbrauchen noch Verträge abzuschließen, die den Wettbewerb innerhalb eines Marktes zum Erliegen bringen. Wenn das Concorde-Agreement beinhaltet, dass bestimmte Teams bei der finanziellen Entlohnung und bei der Einbindung in die Regularien des Sports bevorzugt werden und weitere materielle Vorteile erhalten, indem sie beispielsweise in den Vorstand des Inhabers der kommerziellen Rechte berufen werden, besteht die Möglichkeit, dass sich das nicht mit EU-Recht vereinbaren lässt. Und es gibt noch einen weiteren wichtigen Grundsatz innerhalb der Europäischen Union, mit dem es schwer zu vereinbaren ist. Innerhalb des Sportbetriebs nennt man dieses Prinzip Solidarität. Um im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Fairness und soziale Bedeutung effektiv zu sein, muss im Sport Fairness vorherrschen. Es ist nicht im Interesse der Öffentlichkeit, dass zwei Teams den Sport beherrschen, unabhängig davon, ob es finanziell oder auf andere Art und Weise geschieht - das ist gegen die Natur des Sports. In England hat das Parlament gerade einen Bericht über den englischen Fußball veröffentlicht, der die finanzielle Instabilität und die Art und Weise, in der der Sport geleitet wird, kritisiert. Genauso wie die Versuche einiger Teams, ihn zu dominieren. Dem Fußball-Verband wurde mitgeteilt, dass er 12 Monate Zeit hat, um die Missstände zu beheben.

Hatten die Teams überhaupt die Chance, das Abkommen nicht zu unterschreiben?
Adam Parr: Nein, es gehört zur Charakteristik dieses Sports, dieser Industrie und dieses Marktes, dass den Leuten keine Wahlmöglichkeit bleibt. Das ist der Grund, warum wir innerhalb der Europäischen Union Behörden haben, die die Rechtmäßigkeit solcher Vereinbarungen falls notwendig überprüfen müssen.

Aber nicht nur das Concorde-Agreement sorgte für Wirbel. Mit KERS, DRS und den Pirelli-Reifen gab es in den vergangenen Jahren einige Veränderungen innerhalb der Formel 1. Wie beurteilst du die Neuerungen?
Adam Parr: Im Kollektiv waren sie ein enormer Erfolg, der Sport ist viel variabler geworden, es gibt mehr Überholmöglichkeiten. Die Teams, die FIA und die FOM haben wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Man sollte noch hinzufügen, dass es sich ebenfalls bezahlt gemacht hat, dass es kein Nachtanken mehr gibt. Das gibt den Teams mehr strategische Optionen.

In letzter Zeit gab es die Entwicklung, dass die kleineren Teams Paydriver engagieren müssen, um die Kosten zu decken. Wie siehst du diese Entwicklung?
Adam Parr: Ich würde argumentieren, dass Ferrari und McLaren ebenfalls Fahrer haben, die ihnen bedeutsame Sponsoren eingebracht haben. Für mich stellt sich eigentlich nur eine Frage: Kann ein Fahrer den Job erledigen oder nicht? Wenn er dann noch einen Geldgeber mitbringt - fantastisch.

Zu Williams: 2012 zeigte dein früheres Team eine überraschend starke Saison. Welchen Anteil hattest du am Erfolg?
Adam Parr: Meine größte Errungenschaft war es, dass ich die technische Umstrukturierung bei Williams eingeleitet habe.

Williams: setzt sich der Aufwärtstrend 2013 fort?, Foto: Sutton
Williams: setzt sich der Aufwärtstrend 2013 fort?, Foto: Sutton

Mit Sam Michael, Patrick Head, Mark Gillan, Toto Wolff und dir haben das Team in letzter Zeit einige Schlüsselfiguren verlassen. Gibt es einen Grund für die hohe Fluktuation?
Adam Parr: Sam und Patrick haben das Team 2011 verlassen, hatten aber unterschiedliche Gründe. Ausschlaggebend für ihren Abschied war letzten Endes, dass wir dem Team eine neue technische Struktur verpasst haben - aber es war ihre Entscheidung. Am Ende des vergangenen Jahres ist dann auch Mark Gillan gegangen. Das ist wirklich schade. Er ist ein beeindruckender Mann. Ich war damals sehr froh, dass ich ihn zu Williams holen konnte. Umso trauriger bin ich, dass er nun geht. Mit Toto verhält es sich anders. Er verlässt das Team, weil er zu Mercedes Motorsport wechselt. Allerdings hatte er nur für wenige Monate eine leitende Funktion. Sein Abgang sollte also keinen großen Unterschied machen.

Ende der vergangenen Saison war vom Team Toto die Rede. Ist der Name gerechtfertigt?
Adam Parr: Jetzt auf jeden Fall nicht mehr - und er was es meiner Meinung nach auch nie. Das Team heißt Williams. Toto ist ein super Typ. Ich habe von 2009 bis 2012 mit ihm zusammengearbeitet und es sehr genossen. Aber er hatte wie gesagt nur für wenige Monate eine Führungsposition inne.

Wie beurteilst du seinen Wechsel zu Mercedes?
Adam Parr: Ich freue mich für ihn und wünsche ihm viel Erfolg. Es war ein tolles Angebot, vor allem die Art und Weise, wie er bei Mercedes mit einbezogen wird. Da kann man nicht nicht nein sagen - niemand könnte das.

War es die richtige Entscheidung, Bruno Senna durch Valtteri Bottas zu ersetzen?
Adam Parr: Die schwierigste Entscheidung, die man als Verantwortlicher eines Formel-1-Teams treffen muss, ist die Auswahl der Fahrer. Es gibt immer sehr viel mehr Fahrer als verfügbare Sitze. Es sind nur zwei erlaubt - es ist nicht wie bei einer Fußballmannschaft, wo man 22 Spieler im Kader hat. Da fällt es wirklich schwer, den richtigen auszuwählen. Bruno ist ein sehr talentierter und sehr intelligenter Mann. Er hat viel weniger Erfahrung als andere Piloten, aber er ist so clever und anpassungsfähig, dass er immer besser geworden ist. Aber Bottas hat ebenfalls viel Talent - er ist einer der talentiertesten Fahrer, die ich je gesehen habe. Darüber hinaus hat er in den letzten rund 15 Jahren eine sehr solide fahrerische Ausbildung genossen. Hätte Williams ihn nicht in ein Auto gesetzt, hätten sie ihn wahrscheinlich verloren. Das wäre eine Katastrophe gewesen. Meiner Meinung nach hat er das Potenzial, ein ganz großer Fahrer zu werden.

Fünf Jahre ein Team: Patrick Head und Adam Parr, Foto: Sutton
Fünf Jahre ein Team: Patrick Head und Adam Parr, Foto: Sutton

Während deiner Zeit in der Formel 1 hattest du eine steile Karriere. Könntest du dir in absehbarer Zeit ein Comeback vorstellen?
Adam Parr: Nein, das kann ich nicht.

Also, was wirst du machen?
Adam Parr: Darüber denke ich gerade nach. Nachdem ich Williams verlassen habe, habe ich erst einmal ein Sabbatical eingelegt. Das ist jetzt fast vorbei. Meine Kinder sind in Frankreich zur Schule gegangenen - sie sind zur Hälfte französisch, deshalb wollten wir diese Möglichkeit nutzen. Aber langsam wird es Zeit, mit etwas Neuem zu beginnen...

Da du offensichtlich nicht mehr in Frage kommst. Siehst du einen Nachfolger für Sir Frank Williams?
Adam Parr: Frank ist für mich wie Bernie [Ecclestone]. Ich mache mir keine Gedanken darüber, was nach ihnen passiert. Sie sind zu groß, um über sie nachzudenken.

Wie ist die Zukunftsperspektive von Williams? Ist es gut, dass das Team mit Williams Hybrid Power und Williams Advanced Engineering nicht nur noch von der Formel 1 abhängig ist?
Adam Parr: Das ist essenziell. Auf diese Art und Weise lässt sich das Risiko reduzieren. Mit dem Sponsoring ist es immer ein Auf und Ab. Es handelt sich um eine Einnahmequelle, bei der es manchmal sehr schwierig sein kann, den Geldfluss vorauszusagen. Und je breiter die Einnahmen gefächert sind, umso besser ist es für das Geschäft. Andere Teams wie McLaren machen es genauso.

Limitierte Auflage

Falls jemand nun Lust bekommen hat, dein Buch zu lesen. Wo kann er es bestellen?
Adam Parr: Im Moment gibt es nur eine gedruckte Auflage in englisch, die auf 2.500 Exemplare limitiert ist, bei amazon.co.uk. Dort gibt es aber auch E-Books in englisch, deutsch, spanisch, italienisch, portugiesisch... Am Besten nach 'Adam Paar - The Art of War' oder der Entsprechung in der jeweiligen Sprache gucken - oder auf meiner Website: adamparr.net.