Der ehemalige Williams-Geschäftsführer gewährt tiefe Einblicke in sein ehemaliges Team, in dem er eine klare Hierarchie vermisste. "Frank [Williams] war für das Geld und die Politik verantwortlich, Patrick [Head] war für technische Belange zuständig. Aber dann hatten wir noch Sam Michael als Technischen Direktor und Alex Burns als operativen Geschäftsführer. Mein Gefühl war, dass niemand wusste, wer wem Bericht erstatten musste."

Missstände gab es aber nicht nur innerhalb der Führungsriege, auch seine eigene Person sei zum Problemfall geworden. "Während meiner ersten vier oder fünf Jahre bei Williams war es eine große Herausforderung für mich, dass jeder im Team Frank [Williams] bewundert hat." Einige hätten ihm sogar unterstellt, er wolle Williams aus dem Team drängen. "Das macht dich nicht gerade beliebt", resümierte Parr. "Aber wir haben auch als Team versagt, weil wir auf der Strecke nichts zustande gebracht haben." In diesen Zeiten sei es nicht einfach gewesen, ein Teil der Geschäftsführung zu sein.

Williams lag am Boden

Parr erklärte, dass sich Williams nach der schwierigen Saison 2006 in einer katastrophalen Verfassung befand. "Wir hätten uns sicher nicht noch ein Jahr wie dieses erlauben können." Aus finanzieller Sicht musste das Traditionsteam nach 2005 gleich zwei schwere Rückschläge hinnehmen: "Wir bekamen keine kostenlosen Motoren mehr von BMW und mussten uns nun welche kaufen. Und das Hewlett-Packard-Sponsoring haben wir auch verloren." Durch den enormen Umschwung hätte man nicht wie bisher weiter machen können, so Parr gegenüber F1 Racing.

Doch der Absturz des ehemaligen Weltmeisterteams habe schon wesentlich früher, nämlich 1997 begonnen. "Dieses Jahr war von massiven strategischen Fehlern gekennzeichnet und leitete eine 15 Jahre lange Spirale von Misserfolg ein, mit Ausnahme von ein paar Erfolgen Anfang des Jahrtausends." Konkret nannte er wieder zwei Faktoren, die er als Hauptgründe für den Niedergang ausmacht: "Adrien Newey hat das Team 1996 verlassen und 1997 auch noch Renault."

Auch das Concorde Agreement, das Parr unlängst zum Grund seines Ausscheidens bei Williams im März des vergangenen Jahres erklärte, habe ein Stück zur negativen Entwicklung beigetragen. "Das Concorde Agreement von 1998 hat Ferrari extrem bevorzugt. Ich glaube, weil Frank [Williams] und Patrick [Head] Anfang der 90er Jahre so erfolgreich waren, haben sie einfach nicht wahrgenommen, was gegen Ende der Dekade passiert ist."

Alles dreht sich ums Geld

Weshalb die Person Adam Parr von der Öffentlichkeit nicht besonders geschätzt wurde, ist sich der Brite sicher. "In mir haben die Leute immer nur jemanden gesehen, der für die finanzielle Stabilität sorgen will." Obwohl Frank Williams immer das gleiche Ziel mit ähnlichen Methoden verfolgt hätte, nahm ihn die Öffentlichkeit anders wahr. "Weil er den Sport so leidenschaftlich betreibt, sehen das die Fans nicht."

Der Abgang von Sam Michael zu McLaren zur Saison 2012 traf Parr hart. "Ich ging lange Zeit davon aus, dass er und ich die Zukunft des Teams sein würden." Doch beide hätten die Dimension der Herausforderung unterschätzt, wie er heute weiß. "Es wäre gut gewesen, wenn wir von Sam [Michael] mehr Unterstützung erhalten hätten... Aber das ist nicht passiert."

Als einer seiner größten Leistungen beim Rennstall aus Grove sieht Parr die Verpflichtung von Pastor Maldonado, bei dem er sich von Beginn an weigerte, von einem Pay-Driver zu sprechen. "Es gibt Fahrer, die du in ein Formel-1-Auto stecken würdest, egal ob sie Geld mitbringen oder nicht. Aber es gibt Fahrer, die in ihrer ganzen Karriere schon Sponsoren angelockt haben und das ist fantastisch." Außerdem sei Maldonado schon immer schnell gewesen und habe schließlich sein Talent bewiesen, indem er die GP2-Serie gewann.

Umso emotionaler erlebte der 47-Jährige den ersten und bislang einzigen Sieg des Venezolaners. "Pastor lag in Führung und ich konnte einfach nicht dabei zusehen." Also begab sich Parr zur Ablenkung ins Fitnessstudio trainierte an der Rudermaschine. "Ich dachte mir, wenn ich nicht scheitern würde, würde Pastor [Maldonado] auch nicht scheitern." Als er dann wieder zuhause ankam, hätte ihm seine zu Tränen gerührte Frau die freudige Nachricht des Sieges überbracht. "Ich habe mich so für das Team gefreut", erinnerte er sich.

Eine Verpflichtung von Kimi Räikkönen bei Williams stand im Raum, Foto: Sutton
Eine Verpflichtung von Kimi Räikkönen bei Williams stand im Raum, Foto: Sutton

Doch der Sieg in Barcelona machte ihn nicht nur wegen seines Gespürs bei Maldonado stolz. 2011 gelang Parr die spektakuläre Verpflichtung von Mike Coughlan, der im Zuge der Spionageaffäre von 2007 rund um McLaren und Ferrari damit bestraft wurde, fünf Jahre keine Arbeitstelle in der Königsklasse antreten zu dürfen. Parr und Coughlan hätten sich von Beginn an gut verstanden und der Weg für ein erfolgreiches technisches Triumvirat mit Aerodynamik-Chef Jason Sommerville und Chefingenieur Mark Gillan war geebnet.

Beinahe wäre es unter Parr noch zu einer weiteren, nicht minder spektakulären Verpflichtung gekommen. Als sich Kimi Räikkönen dazu entschied, das Rallye-Auto wieder gegen einen Formel-1-Wagen zu tauschen, besuchte der Finne die Williams-Fabrik in Grove. Doch intern gingen die Meinungen über eine Verpflichtung des Ex-Weltmeisters auseinander. "Der eine sagte: 'Wir müssen es tun', der andere hielt es für den größten Fehler, den Williams begehen konnte." Er selbst sei zunächst für eine Verpflichtung gewesen, empfand das Risiko schlussendlich doch als zu hoch. "Seine Leidenschaft und seine Entschlossenheit haben mich beeindruckt, aber er war immer noch eine unbekannte Größe und wir wussten nicht, wie gut das Material sein würde, das wir ihm bieten können."