Als väterlicher Freund von Sebastian Vettel wird Dr. Helmut Marko immer wieder bezeichnet. Wie eng die Beziehung zwischen den Beiden wirklich ist, wissen wohl nur sie selbst, aber sie dürfte nicht die schlechteste sein. Marko ist jedenfalls immer einer der Ersten, wenn es darum geht, Vettel zu loben und ihn in Schutz zu nehmen. Dies hat der Grazer nun in großem Umfang getan, nachdem Vettel seinen dritten Weltmeister-Titel einfahren konnte und er bei einigen Wahlen zum besten Fahrer der Saison trotzdem nicht Platz eins belegen konnte.

Ein Vorwurf, den der Deutsche immer wieder hören muss, ist jener, dass er in einem Auto von Adrian Newey sitzt und damit der Erfolg quasi von selbst kommt. Ein Punkt, den Marko schon mehrfach kritisieren musste und nun im Red Bulletin noch einmal auf die Hörner nahm. "Es wird viel Unsinn erzählt", meinte er. "Etwa 'Vettel kann nicht überholen.' Lächerlich; man muss sich nur Abu Dhabi und Brasilien ansehen. 'Er kann nur gewinnen, weil er in einem Newey-Auto sitzt.' Wir haben zwei Newey-Autos, also warum schaffen wir dann nicht bei jedem Rennen einen Doppelsieg?"

Nicht auf den Tyrrell-Mann hören

Auch Jackie Stewarts Aussagen, wonach Vettel zu einem anderen Team gehen müsse, um sich zu beweisen, gefielen Marko wenig. "Das sind Aussagen von jemandem, der all seine größten Erfolge in nur einem Team geholt hat, Tyrrell. Ich kann das nicht ernst nehmen. Wir bei Red Bull sind kein Haufen Beamte. Solange wir Sebastian mit einem Auto und einer Umgebung ausstatten, mit denen er Weltmeister werden kann, wird er wohl bei uns bleiben. Wenn beides nicht passt, müssen wir etwas Neues finden. Aber wir haben ein gutes Nachwuchsprogramm und vielleicht wird eines Tages jemand anderer Weltmeister in unserem Auto."

Fernando Alonsos Aktionen kann Dr. Helmut Marko nur wenig abgewinnen, Foto: Sutton
Fernando Alonsos Aktionen kann Dr. Helmut Marko nur wenig abgewinnen, Foto: Sutton

Ferrari kam bei Markos kleinem Rundumschlag ebenfalls nicht ungeschoren davon. Wie sich Enzo Ferrari wohl gefühlt hätte, wenn sein Team von einem Getränkehersteller geschlagen wird, wurde er gefragt. Das hätte ihm auf keinem Fall gefallen, war sich Marko sicher. "Aber er hätte die Leistung der Konkurrenz anerkannt - und dann hätte er seine Jungs ordentlich angetrieben, damit sie alles tun, um uns zu schlagen. Aber nicht mit solchen Aktionen, wie wir sie zuletzt erlebt haben. Alonso ist ständig mit Politik beschäftigt. Ich glaube, wir haben gegen Ende der Saison gesehen, welchen Stress er aushalten musste. Er sagte Dinge wie: 'Ich fahre gegen Hamilton, nicht Vettel', und, 'Ich kämpfe gegen Newey.' Diese psychologischen Spielchen. Wir sagten: 'Ignorier ihn einfach.'"

Die Last des Drucks

Dabei hält Marko Vettel für einen Fahrer, der unter Druck ohnehin noch stärker wird. Anders sieht das der Grazer bei Mark Webber. Beim Australier erkennt er eher Probleme, wenn sich Druck aufbaut. "Es macht für mich den Eindruck, als hätte Webber durchschnittlich zwei Rennen pro Jahr, bei denen er unschlagbar ist. Aber er kann diese Form das Jahr über nicht halten. Und sobald seine Aussichten in der Weltmeisterschaft gut sind, hat er ein paar Probleme mit dem Druck, der dadurch entsteht. Im Vergleich zu Sebs steigender Form erscheint es mir, als ob Marks Form irgendwie nachlässt. Wenn es dann ein technisches Problem gibt, wie beispielsweise mit der Lichtmaschine, fällt er relativ leicht in eine Abwärtsspirale. Kein Fahrer kann sich dem entziehen, weil die Anspannung greifbar ist", erklärte Marko.

2010 war das dem Motorsportberater besonders ausgefallen. Damals hatte Webber vor dem letzten Saisonrennen mehr Chancen auf den Titel als Vettel, am Ende jubelte aber der Deutsche. Diese Enttäuschung nahm Webber mit in die Saison 2011, wofür Marko aber Verständnis hatte. "Sehr wichtig ist hierbei, dass Mark in seiner Karriere lange Zeit nicht in einem Top-Team war, aber immer als Überflieger galt, sollte er ins richtige Team kommen. Dann setzt ihn Red Bull in ein Auto - ein mögliches Siegerauto - und plötzlich kommt da dieser Junge und schnappt Mark die Beute unter der Nase weg. Psychologisch ist das nicht einfach, natürlich; das würde bei jedem das Selbstvertrauen anknabbern. Das ist mehr als verständlich."

Nur auf sich konzentrieren

Hinzu kam, dass Vettel nur wenige Fehler machte, was Marko als Phänomen bezeichnete. Der Deutsche sei beinahe fehlerlos. Besonders nach der Sommerpause könne er immer noch zulegen. "Das ist auch in vergangenen Jahren passiert. Ich weiß nicht, wie er das macht, aber es kann kein Zufall sein, dass er es immer wieder zeigt. Das bringt uns zu seiner Vorbereitungsmethode, wie er sich vom Rest der Welt abschottet, damit er Reserven anzapfen kann, die andere vielleicht nicht haben: Fernando Alonso ist beispielsweise zu sehr mit Politik und lustigen Kommentaren beschäftigt. Vettel ignoriert das alles, er liest keine Zeitungen oder im Internet. Und das ist der Punkt, wir konzentrieren uns auf unseren Job: das schnellste Auto bauen und das bestmögliche Team sein."

Adrian Newey hatte viel zu meistern, Foto: Red Bull
Adrian Newey hatte viel zu meistern, Foto: Red Bull

Dazu gehört aber eben auch Newey, den Marko ebenfalls besonders hervorheben musste. Denn zu Jahresbeginn war der Red Bull noch kein Überauto, weswegen viel zu tun war. So musste der Designer das Wechselspiel zwischen Reifen und Auto verstehen, dann gab es wieder die Frage nach der Legalität des Frontflügels und als größte Sache hatte er mit dem Verbot des angeblasenen Diffusors zu kämpfen. "Das war wohl der größte Rückschlag für uns, weil wir absolut brillant waren, wenn es darum ging, den Auspuff zu nutzen. Unsere alte Methode ist eigentlich sogar wieder zugelassen, wenn auch in modifizierter Form."

Schlaflose Nächte

Als Newey an diesen Sachen arbeitete, war das Team gleichzeitig noch auf der Suche nach dem richtigen Setup bei Vettel. Das unterscheidet sich laut Marko ziemlich stark von Webbers und nur mit dem passenden Setup kann Vettel seine starken Qualifyings fahren. In dieser Phase der Saison hatte der Motorsportberater durchaus schlaflose Nächte. "Die Anspannung war da, aber Probleme lassen mich besser fokussieren als normal. Je schwieriger es wird, desto ruhiger sehe ich die Dinge, doch mein Schlaf leidet darunter. Ich habe meinen Leuten gesagt: 'Jungs, wir brauchen Vettel nicht, wenn wir ihm nicht das Auto geben, um seine Fähigkeiten zu zeigen.' Jeder hat sich so viel Mühe gegeben, aber eine Zeitlang verstanden wir nicht ganz, was los war."