Lewis Hamilton und Michael Schumacher scheinen wie Feuer und Wasser. Das Motorsport-Magazin wagt einen genaueren Blick und stellt fest, dass die beiden weit mehr gemein haben, als der erste Blick vermuten lässt.

'In der silbernen Ecke, der Herausforderer: Geboren am 7. Januar 1985 in Stevenage, Großbritannien. Mit einer Körpergröße von 1,74 m bei einem Gewicht von 68 kg. Der Weltmeister von 2008: LEWIS HAMILTON! In der nicht mehr lange silbernen Ecke, der Altmeister: Geboren am 3. Januar 1969 in Hürth-Hermülheim, Deutschland. Er wiegt 74 kg bei einer Größe von 1,78 m, der siebenfache Weltmeister nach den Regeln der FIA: Michael Schu-ma-cher!' Auf den ersten Blick könnten die Charaktere der beiden Champions nicht unterschiedlicher sein. Hamilton und Freundin Nicole Scherzinger scheinen auf den Hollywood-Spuren der Beckhams zu wandeln, während Schumacher sein Familienleben mit Corinna und den Kindern heilig ist. Doch wer einen zweiten Blick wagt, erkennt zwischen Schumacher und Hamilton auch jede Menge Gemeinsamkeiten. 'Let's get ready to rumble!'

Sieben Weltmeistertitel sprechen für sich., Foto: Sutton
Sieben Weltmeistertitel sprechen für sich., Foto: Sutton

Runde 1: Ausnahmekönnen

Sieben WM-Titel, 91 GP-Siege, 68 Pole Positions, 77 schnellste Rennrunden, die meisten Weltmeisterschaftspunkte und Führungskilometer in der Geschichte der Formel 1 - all das ist Beweis genug, dass Michael Schumacher ein Ausnahmefahrer ist. Schon in seinem ersten Formel-1-Rennen in Spa-Francorchamps beeindruckte der damals 22-Jährige die Ingenieure von Jordan sowie die Fachwelt mit seiner Fahrzeugbeherrschung und Courage. Die gefürchtete Eau Rouge, in der selbst erfahrene Piloten das Gaspedal lupfen, durchfuhr Schumacher mit voller Geschwindigkeit. 16 Jahre später, Schumacher war gerade zurückgetreten, mischte erneut ein Rookie die Formel 1 auf: Lewis Hamilton schlug wie ein Komet in der Formel-1-Welt ein. Der Brite stand bei jedem seiner ersten neun Grands Prix auf dem Podium, zwei Rennen davon gewann er. Am Saisonende trennte Hamilton lediglich ein Zähler vom WM-Gewinn im ersten Jahr. In seiner zweiten Saison krönte er sich zum bis dahin jüngsten Formel-1-Weltmeister.

Schumacher vs. Hamilton: Deutlicher geht es nicht: Schumacher und Hamilton gehören beide zu den besten Rennfahrern ihrer Zeit.

Runde 2: Attitude

Große Namen jagen Lewis Hamilton weder Ehrfurcht noch Angst ein. Eine Haltung, die auch Michael Schumacher in seinen Anfängen kennzeichnete. In seinem ersten Freien Training zog der Deutsche den Zorn von Alain Prost auf sich, weil er es nicht für nötig hielt, den 'Professor' auf der Strecke vorbeizulassen. Hamilton brachte seinerseits das spanische Blut seines Teamkollegen und zweifachen Champions Fernando Alonso ein ums andere Mal zum Kochen, unter anderem als er ihn in Indianapolis einfach nicht passieren ließ. Die erhobene Faust des Spaniers im Rückspiegel ließ Hamilton kalt. Als Rookie einem Weltmeister Platz machen? Das kam weder für Schumacher noch für Hamilton je in Frage. Vom ersten Rennen an legten beide eine Abgebrühtheit an den Tag, die ihres gleichen suchte. Mit Schumachers Comeback ging für Hamilton ein Traum in Erfüllung, endlich durfte er sich selbst mit der lebenden F1-Legende messen - und gegen sie gewinnen! Auch heute zeigt er keine Scheu vor dem Rekordchampion: "Es ist für ihn schwierig, uns Youngster zu schlagen, denn wir spüren jetzt den Erfolgshunger, den er zu Beginn seiner Karriere verspürte."

Schumacher vs. Hamilton: Keine Angst vor großen Namen. Die einen nennen es Arroganz, die anderen Selbstbewusstsein eines Superstars. Meisterlich darin sind beide.

Hamilton und Schumacher machen keine Gefangenen., Foto: Sutton
Hamilton und Schumacher machen keine Gefangenen., Foto: Sutton

Runde 3: Aggressivität

"Die Formel 1 ist keine Kaffeefahrt", verteidigte sich Schumacher nach einem harten Manöver gegen Rubens Barrichello, den er in Ungarn 2010 beinahe in die Boxenmauer drückte. Ein Verhalten, vor dem einst selbst sein Bruder Ralf nicht sicher war. "So ist eben der Rennsport", betont auch Hamilton gern nach einem missglückten Manöver, von denen im letzten Jahr vor allem Felipe Massa einige zu beklagen hatte. Beide Weltmeister verfügen unbestritten über riesiges Talent, doch ihr Mut, der sie gern auch mal über das Ziel hinausschießen lässt, ist oftmals deplatziert und rücksichtslos. Im Vorjahr war kein Fahrer in mehr Kollisionen verwickelt als Hamilton, von Rennen zu Rennen schien er noch eines draufsetzen zu wollen. Statt Reue zu zeigen, sah er sich viel mehr in der Rolle des Opfers, begründete sein häufiges Antanzen bei den Stewards mit seiner Hautfarbe - ein missglückter Scherz. Schützenhilfe erhielt er von Schumacher, der selbst nie ein Kind von Traurigkeit war und keineswegs zimperlich mit seinen Gegnern umging: Seinen ersten Titel holte er, indem er WM-Gegner Damon Hill von der Strecke kickte; drei Jahre später misslang ihm der Rammstoß im Finale von Jerez gegen Jacques Villeneuve - Schumacher wurde der Vize-Titel aberkannt.

Schumacher vs. Hamilton: Kollisionen pflastern ihren Weg; echte Bad Boys eben. Es stimmt also wohl doch: 'Nice Guys always finish last.'

Runde 4: Arglist

Verbotene Traktionskontrolle, Tankfilter-Manipulation, abgeschürfte Bodenplatte oder ein mitten auf der Strecke in Rascasse geparktes Auto: Schumacher war oft jedes Mittel Recht, um zu gewinnen. "Michael bedient sich schmutziger Tricks, weil er als Mensch keine Größe hat", urteilte Villeneuve über seinen früheren Konkurrenten. Menschliche Größe ließ auch Hamilton 2010 in der Lügenaffäre vermissen. In Australien ließ er während einer Safety-Car-Phase Jarno Trulli absichtlich überholen, erzählte den Rennstewards nach dem Rennen allerdings, dass der Italiener regelwidrig an ihm vorbeigezogen war. Die Telemetriedaten deckten die Lüge auf, Teammanager Dave Ryan musste als Sündenbock gehen. Im Laufe der Jahre ließen sich beide Fahrer einiges zu Schulden kommen, ihr Strafen-Register reicht von Verwarnungen über Strafversetzungen bis hin zur Disqualifikation. Hamilton festigte sein Rüpel-Image mit Skandalen. Kollegen verspotteten ihn als Möchtegern-Superman, die Medien kritisierten ihn als Rambo-Diva. Spitznamen, die Schumacher nicht neu sind. Bis heute wurde er den ungeliebten Beinamen Schummel-Schumi nicht los. Was die einen kritisieren, bezeichnen Hamilton und Schumacher als leidenschaftlichen Siegeswillen.

Schumacher vs. Hamilton: Verlieren? Existiert im Wortschatz beider Champions nicht. Im Namen des Erfolgs ist ihnen jedes Mittel Recht.

Lewis Hamilton twittert für sein Leben gerne., Foto: Sutton
Lewis Hamilton twittert für sein Leben gerne., Foto: Sutton

Runde 5: Anti-Heldenstatus

Nach dem Applaus folgt schnell die Ohrfeige. Ein italienisches Magazin bezeichnete Schumacher einst als "Weltmeister der Arroganz" und die Daily Mail schrieb in Anlehnung an einen Elton-John-Klassiker: "Sorry scheint immer noch das schwierigste Wort für Schumacher zu sein." Fakt ist, dass Schumacher und Hamilton das Milliarden-Geschäft Formel 1 in den letzten zwei Jahrzehnten am Laufen hielten. Eben weil sie niemals aufgaben, immer weiter machten und dabei auch einmal die gute Kinderstube außer Acht ließen. Egal, ob positive oder negative Schlagzeilen, die beiden sorgen für einen Aufschrei in der Presse, wie es früher nur Fahrerkalibern à la James Hunt, Ayrton Senna und Niki Lauda gelang. Hamilton sorgt sogar dafür, dass die bösen Jungs im Zeitalter des Internets eine Wiederauferstehung feiern. Der Brite kurvt ungebremst durch die Twitter-Welt, zwitscherte rund einer Million Followern die Telemetriedaten nach dem Qualifying in Belgien. Der Grund: Hamilton verkraftete die Niederlage nicht, wollte den Abstand zu seinem Teamkollegen Jenson Button so begründen. Hätte es das in Schumachers Generation bereits gegeben, auch ihm wäre das zuzutrauen gewesen. Die Konkurrenz lachte sich ins Fäustchen, die Medien hatten wieder eine Schlagzeile. Und es wird nicht die letzte gewesen sein - weder von Hamilton, noch von Schumacher.

Schumacher vs. Hamilton: Die Welt liebt sie, die Welt hasst sie. Die Anti-Helden der Formel-1-Welt sind Brüder im Geiste.

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