In der vergangenen Woche platzte die Bombe: Mercedes und Norbert Haug gehen nach 22 Jahren der gemeinsamen Arbeit getrennte Wege. Die Trennung war in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt, doch Haug möchte sich keineswegs als Bauernopfer sehen. "Wenn ich mit unseren Niederlagen in den letzten drei Jahren nichts zu tun hätte, dann hätte ich auch mit unserem Sieg in China dieses Jahr nichts zu tun gehabt", betonte er und dachte an die Sternstunde von Shanghai zurück, wo Nico Rosberg den bisher einzigen Sieg für die Stuttgarter seit ihrem Formel-1-Comeback als Werksteam errang.

Nico Rosberg gewann in China, Foto: Sutton
Nico Rosberg gewann in China, Foto: Sutton

Es war eines der wenigen Highlights, die Mercedes in den vergangenen drei Jahren zu bejubeln hatte, denn in der Regel dominierte die Tristesse und man wurde den eigenen Ansprüchen nicht gerecht. "So wie wir dieses Jahr bei den letzten sieben bis zehn Rennen unterwegs waren, war das nicht mehr akzeptabel", gab Haug unverblümt zu. Deswegen habe auch er als Gesamtverantwortlicher für den Motorsport bei Mercedes den Hut nehmen müssen und nicht Teamchef Ross Brawn.

Haug monierte, dass die Basis des F1 W03 zwar in Ordnung gewesen sei, doch die Weiterentwicklung schlecht bis sehr schlecht war. "Dann muss man als Chef ein Zeichen setzen - in das Unternehmen hinein und nach draußen", erklärte er die Entscheidung. "Jemand, der es über diese Zeitspanne nicht zum Erfolg bringt, muss die Konsequenz ziehen. Und dazu stehe ich." Haug verlässt Mercedes mit einem lachenden und weinenden Auge, denn die Stuttgarter feierten unter seiner Führung zahlreiche Erfolge, doch die letzte Krönung fehlte.

Härtere Arbeit ist notwendig

"Ein Mercedes hat gefälligst zu gewinnen, und vorher wird keiner im Team Ruhe geben", legte Haug die Ambitionen des Autobauers mit dem Stern dar, war jedoch optimistisch, dass seine Nachfolger den erfolgreichen Abschluss nachholen werden. "Renn-Niederlagen bereiten mir körperliche Schmerzen", gab er zu. "Dann tut mir alles weh und es ist besser, ich sperre mich selber eine Weile weg und bin nur für mich." Sollte es im nächsten Jahr, wenn Lewis Hamilton hinter dem Steuer sitzt, aufwärts gehen, hätte auch er noch einen gewissen Anteil daran, merkte Haug an. "Sobald wir auf der technischen Ebene die Qualität unserer Fahrer erreichen, liegen wir richtig."

Mercedes hatte Brawn GP nach dem Weltmeistertitel durch Jenson Button im Jahr 2009 übernommen, doch der gewünschte Erfolg stellte sich nie ein. Haug betonte, dass in England, wo sich der Sitz des Teams befindet, sehr hart gearbeitet werde, aber noch mehr Anstrengungen nötig seien, um die Spitze der Formel 1 zu erklimmen. Als einen Grund für die ausbleibenden Triumphe führt der scheidende Mercedes-Motorsportchef an, dass seine Mannschaft lange Zeit versucht habe, mit weniger Personal als die Konkurrenz auszukommen.

Für den 60-Jährigen steht nun erst einmal Erholung im Vordergrund. "Ich will mir viel Zeit für mich nehmen, mein Sportprogramm absolvieren, viel Ski fahren. Ich tippe eher auf Unruhestand", blickte er im Gespräch mit der Bild-Zeitung in die Zukunft und dementierte sogleich, dass sein Rückzug gesundheitliche Gründe gehabt hätte. "Ich hatte fast auf den Tag genau vor drei Jahren eine Schilddrüsen-OP. Mir geht's aber seither sehr gut, ich bin total gesund mit besten Werten beim Check."