Das Rennen in Brasilien war schon vor dem Start als unvorhersehbar eingestuft worden, mit einem derartigen Rennen hatten aber wohl die wenigsten gerechnet. Der Brasilien GP war ein Achterbahn-Rennen mit Positionsänderungen und Verschiebung des Glücks von Runde zu Runde, da der zeitweilige Regen Chaos verursachte. Sebastian Vettel überstand eine Kollision in der ersten Runde, einen defekten Funk und vier Boxenstopps und kämpfte sich von der 17. Position in der ersten Runde auf den sechsten Platz. Damit holte er die nötigen Punkte, um den Weltmeistertitel zum dritten Mal zu gewinnen.

Fernando Alonso konnte sich über Platz zwei nur wenig freuen, Foto: Sutton
Fernando Alonso konnte sich über Platz zwei nur wenig freuen, Foto: Sutton

Währenddessen fuhr Fernando Alonso von der siebten Position in der Startaufstellung zum zweiten Platz im Ziel. Dabei hatte er in seinem Ferrari aber nicht die Pace, um Jenson Button anzugreifen, was ihn die Punkte gebracht hätte, um sich den Weltmeistertitel zu schnappen.

An einem Tag, an dem die Bedingungen so schwierig vorherzusagen und wechselhaft waren, reagierten die Strategen auf die Ereignisse und arbeiteten mit Instinkt. Für einige, die nichts zu verlieren hatten, war es wert, in Sachen Reifen ein Glücksspiel zu wagen. Für die Titelkontrahenten ging es nur darum, sicherzugehen, dass sie die Zielflagge mit so vielen Punkten wie möglich sehen.

Das Rennen kann in drei voneinander getrennte Phasen eingeteilt werden. Die ersten Runden des Rennens, als es zu regnen begann und die Entscheidung getroffen werden musste, ob die Box angesteuert und auf Intermediates gewechselt wird, oder ob man auf Slicks draußen bleibt. Ein Mittelteil, als alle auf Slicks unterwegs waren, und dann die letzten 20 Runden im Regen, als alle auf Intermediates wechselten.

Erwartungen vor dem Rennen

Für das Rennen wurde die gesamte Woche Regen vorhergesagt. Dennoch ging in den Stunden vor dem Rennen die Wahrscheinlichkeit auf Regen von 80 Prozent auf 40 Prozent zurück. Nun mussten sich die Teams der Möglichkeit eines Trockenrennens mit sehr unterschiedlichen Bedingungen zu Training und Qualifying stellen.

Am Freitag brannte die Sonne auf den brasilianischen Asphalt, Foto: Sutton
Am Freitag brannte die Sonne auf den brasilianischen Asphalt, Foto: Sutton

Der Schlüsselfaktor würden immer die Temperaturen werden, es war am Renntag kühl, aber wenn die Temperaturen stiegen, würde das mehr wärmebedingten Reifenabbau und daher mehr Boxenstopps bedeuten.

Dabei gab es drei Fahrer außerhalb ihrer normalen Position: Maldonado auf 16, nachdem er eine Strafe für das Verpassen des Wiegens erhielt, Grosjean auf 18, nachdem er de la Rosa im Qualifying berührte und wohl auch Rosberg, der seinen Mercedes weiter vorne als der Leistung entsprechend qualifizierte und im Rennen damit gerechnet wurde, dass er zurückfällt.

Die Vermutung war, dass die Teams auf eine Zweistoppstrategie mit dem ersten Stopp um die Runden 20 bis 25 setzen würden. Danach sah es nach einem Mittelstint auf neuen harten Reifen aus, und je nach Performance auf dieser Mischung, nach einem weiteren Stint auf neuen harten Pneus oder einem Wechsel auf gebrauchte Medium-Reifen.

Selbst ohne den einsetzenden Regen hätten die Teams aber auf eine reaktive Strategie setzen müssen, da die Streckenbedingungen zwischen dem Freien Training und dem Rennen nicht mehr zu vergleichen waren. So herrschte am Freitag noch eine Streckentemperatur von beinahe 50 Grad, während diese am Sonntag nicht einmal mehr die Hälfte erreichte.

Pirelli traf eine konstervative Reifenwahl, Foto: Sutton
Pirelli traf eine konstervative Reifenwahl, Foto: Sutton

Wieder einmal war die Reifenwahl von Pirelli konservativ ausgefallen, denn die italienische Firma setzte aufgrund einiger beanspruchender Kurven auf die harten und die Medium-Reifen. Der harte Reifen war während des Trainings bei 50 Grad Streckentemperatur weit außerhalb seines Arbeitsfensters und es gab Anzeichen von Blistering. Mit den niedrigeren Temperaturen am Renntag, passte der harte Reifen aber besser.

Als es ins Rennen ging, hatte von den besseren Autos lediglich Di Resta noch einen Satz Medium-Reifen übrig. Ferrari hatte zudem nur noch einen Satz frische harte Reifen, im Vergleich zu Red Bull und McLaren, die noch jeweils über zwei verfügten. Zudem hatte der Ferrari noch mit einem Rückstand von 0,3 bis 0,4 Sekunden reiner Autoleistung umzugehen. Das Team teilte daher am Freitag die Longruns: Während Massa mit den Medium-Reifen fuhr, war Alonso mit den harten unterwegs. Das brachte ihnen eine Menge Daten, auf denen sie ihre Strategie basieren konnten. Es war klar, dass sie den weicheren Reifen im Rennen bevorzugen würden, da sie und Lotus die Einzigen waren, die im Trockenen auf ihn wechselten.

Button und Hülkenberg ergriffen die Chance

Die Bedingungen zu Beginn des Rennens waren schwierig, aber die Teams waren in der Lage zu reagieren, sobald eine Strategieentscheidung notwendig war. Die Schlüsselentscheidung war mit Slicks draußen zu bleiben, als der Regen in der Anfangsphase begann. Aber nur wenige Teams waren dazu in der Lage, da die anderen nicht genug Temperatur in ihren Reifen generieren konnten.

Lewis Hamilton wurde auf Intermediates gesetzt, Foto: Sutton
Lewis Hamilton wurde auf Intermediates gesetzt, Foto: Sutton

Verschiedene Teams teilten an diesem Punkt um Runde zehn ihre Strategien; ein Fahrer wurde auf Intermediates gesetzt und der andere blieb auf Slicks. Red Bull setzte beispielsweise Webber auf Intermediates und wechselte dann bei Vettel eine Runde später. McLaren ging mit Hamilton auf Intermediates und Button trotzte dem Wetter.

Es gab einen kurzen Moment in dieser Phase, als es aussah, als wären Button und Hülkenberg auf den falschen Reifen. Die Fahrer auf den Intermediates litten dann allerdings zu schnell unter Graining. Daher ging es wieder in Richtung der Strategie von Button und Hülkenberg. Als die Piloten auf Intermediates rund um Runde 18 bis 20 gezwungen waren, erneut zu stoppen, lagen die beiden mehr als 40 Sekunden vor dem Rest des Feldes, da sie im Vergleich zu den anderen, die zwei Mal gestoppt hatten, noch nicht an der Box waren.

Dabei scheint Force India einen Rekord im Kopieren von Buttons Vorgehen in kniffligen Bedingungen wie diesen aufstellen zu wollen. Er hat ein verblüffendes Geschick, zum richtigen Zeitpunkt auf den richtigen Reifen zu sein, und es gab verschiedene Austragungsorte, an denen Force India seine Abläufe kopierte und ein starkes Resultat erzielte.

Bei dieser Gelegenheit bekamen sowohl Button als auch Hülkenberg ausreichend Temperatur in ihre Reifen, um mit dem Wasser auf der Strecke umgehen zu können; obwohl es über weite Teile der Anfangsphase eine dünne trockene Linie gab. Das machte Überholen schwierig, denn neben der Ideallinie gab es keinen Grip und verschiedene Autos fuhren geradeaus, anstatt ihre Konkurrenten auszubremsen.

Erst später, rund um die 50. Runde, wurde die Strecke vollkommen nass und das gesamte Feld wechselte auf Intermediates.

Nico Rosberg erlitt einen Reifenschaden, Foto: Sutton
Nico Rosberg erlitt einen Reifenschaden, Foto: Sutton

Der ausschlaggebende Moment des Rennens war, als das Safetycar aufgrund von Unfallteilen, die bei Nico Rosberg zu einem Reifenplatten geführt hatten, in Runde 23 auf die Strecke kam. Das half vor allem Hamilton, Alonso, Vettel, Webber und anderen, die zuvor durch Boxenstopps und Dreher an Boden verloren hatten. Es löschte den Vorsprung von Button und Hülkenberg aus und brachte Hamilton in deren Kampf. Das führte letzten Endes zur Kollision zwischen Hamilton und Hülkenberg.

Das Duo aus Button und Hülkenberg hatte keine andere Chance, als ihren Boxenstopp während der Safetycar-Phase zu absolvieren. Damit behielten sie zwar ihre Führung, aber mit einem zusammengestauchten Feld dahinter.

In der mittleren Phase des Rennens, rund um die Runden 18 bis 20, als jeder wieder auf Slicks wechselte, wählten Ferrari und Lotus die Medium-Mischung, während die meisten auf die harte gingen. Für viele war das eine Absicherung für den Fall, dass sie mit diesen Reifen bis ins Ziel fahren müssen - bei noch mehr als 40 zu absolvierenden Runden.

Lotus war darauf vorbereitet, mit den Medium-Reifen bis zum Ende zu fahren, was an ihrem geringeren Reifenverschleiß liegt, aber Ferrari hätte zu kämpfen gehabt, da sie unter Graining auf der Oberfläche der Vorderreifen litten.

Die meisten F1-Strategen sagten nach dem Rennen, dass es relativ klar war, welcher Schritt in jeder Phase zu unternehmen war. Was die meisten aber davon abhielt, Button und Hülkenberg zu kopieren, war die Sicherheit, dass sie Temperatur im Reifen generieren können.

Button ist ein Experte in diesen Situationen, aber es war interessant zu sehen, dass, wie bereits im Brasilien-Qualifying 2010, Hülkenberg erneut die Fertigkeit hatte. Es war bedauerlich, dass er die Kontrolle über sein Auto beim Überholversuch an Hamilton später im Rennen verlor und dafür eine Durchfahrtsstrafe erhielt, da das eine sonst bemerkenswerte Leistung und Strategiereaktion überschattete.