Red Bull oder Ferrari? In Austin dreht sich alles um die beiden Top-Teams der Königsklasse. Nicht, dass die Roten (340 Punkte) große Chancen hätten, dem Weltmeister-Rennstall (422) den Titel in der Konstrukteurswertung noch streitig zu machen. Selbst wenn die Ferrari-Fahrer in den verbleibenden Rennen jeweils die Plätze eins und zwei belegen, was gemessen an den letzten Ergebnissen äußerst unwahrscheinlich wäre, bräuchte Red Bull nur noch vier Punkte. Aufgrund der größeren Anzahl an Einzelsiegen - derzeit sieben zu drei - wäre die Truppe aus Milton Keynes bei Punktgleichstand ebenfalls Weltmeister.

Aber zumindest in der Fahrerwertung besitzt die Scuderia, sprich Fernando Alonso, noch beste Chancen, sich zum dritten Mal in seiner Karriere die Krone aufzusetzen. Mit 245 Zählern liegt er gerade einmal zehn Punkte hinter dem WM-Führenden Sebastian Vettel. Bei 50 zu vergebenden Punkten eine durchaus machbare Aufgabe für den anerkanntermaßen besten Fahrer der Saison 2012. Grund zur Sorge bereitet allerdings das Dienstfahrzeug des famosen Spaniers. Lassen sich die ehrgeizigen Ziele des Traditionsteams aus Maranello im F2012 überhaupt verwirklichen? Vor allem im Qualifying fahren die roten Renner der Konkurrenz von Red Bull regelmäßig hinterher.

Um seine Chancen im Titelkampf zu wahren, muss Alonso den Abstand im Zeitfahren in Grenzen halten, im Rennen ist Ferrari deutlich konkurrenzfähiger. Aus diesem Grund werden derzeit in Maranello Nachtschichten eingelegt, um die angekündigten Updates zum Laufen zu bringen. Luca di Montezemolo stellte aber bereits klar, dass für ihn nicht gut gemeinte Willenserklärungen, sondern Ergebnisse zählen. "Wir haben zehn entscheidende Tage vor uns. Worte zählen nicht", sagte der Ferrari-Präsident nach dem Rennen in Abu Dhabi. "Es liegt an uns, jeden einzelnen Stein umzudrehen."

Lässt Vettel auch in Austin die Korken knallen?, Foto: Red Bull
Lässt Vettel auch in Austin die Korken knallen?, Foto: Red Bull

Die Frage ist allerdings, ob es mit bedingungslosem Einsatz getan ist. Wer Red Bull kennt, weiß, dass sich die Technik-Truppe um Design-Chef Adrian Newey keinesfalls auf ihren Lorbeeren ausruht. Das Team von Dietrich Mateschitz hat ebenfalls einige Updates in der Pipeline, mit denen der Vorsprung auf den Konkurrent in rot verteidigt werden soll. Die Vorzeichen sind jedenfalls günstig: Nicht nur der Technik-Vorteil, auch das Profil der Strecke in Austin spielt Red Bull in die Karten. Mit seinen schnellen Kurven ist der Circuit of The Americas wie gemacht für den RB8.

Dämpfer in Abu Dhabi

Es wäre aber sicherlich ein Fehler, den US Grand Prix vollkommen sorglos anzugehen. Dass Vettels Mission Hattrick weiterhin an einem seidenen Faden hängt, bewies das Rennen in Abu Dhabi. Die Rückversetzung auf den letzten Startplatz wegen unzureichender Spritmenge nach dem Qualifying muss sich Red Bull ankreiden. Eines Weltmeisters würdig war allerdings die Reaktion, die das Team nach dem Quali-Debakel zeigte. Anstatt in Panik zu verfallen, wurde die Situation kühl und vor allem richtig analysiert. Die Strategie, aus der Boxengasse zu starten, um Veränderungen am Fahrzeug vorzunehmen, entpuppte sich als Volltreffer. Dank seiner furiosen Aufholjagd büßte Vettel gerade einmal drei Punkte auf Alonso ein.

Und so hat der Red-Bull-Star bereits in Austin die Chance, seinen dritten WM-Sieg unter Dach und Fach zu bringen - in seinem 100. Formel-1-Rennen. Soweit will der Titelverteidiger allerdings noch nicht denken. Die Formel 1 sei dermaßen unberechenbar, dass die WM erst entschieden sei, wenn die letzte Runde gefahren ist. "War man vor ein paar Jahren zehn Runden vor Schluss in Führung, dann konnte man sich des Sieges ziemlich sicher sein. Heute kann bis zur Zielflagge alles passieren. Die Reifen halten das Ergebnis bis zu den letzten Metern offen. Wenn man auf der Jagd ist, kann man noch etwas ausrichten - und wenn man in Führung liegt, kann man noch verlieren", erklärte er.

McLaren hat seinerseits bereits alle Chancen verloren, die Saison mit einem Titel abzuschließen. Dafür könnte das Team aus Woking bei einem der nächsten beiden Rennen das Zünglein an der Waage sein, wenn es um die Vergabe des Fahrertitels geht. Über die gesamte Saison gesehen, waren die Chrompfeile im Qualifying ähnlich stark einzuschätzen wie Red Bull - und deutlich schneller als Ferrari. Katapultieren sich Lewis Hamilton und Jenson Button in Austin in die erste Startreihe und verhindern so einen Start-Ziel-Sieg des Red-Bull-Duos? Oder platzieren sich die McLaren-Fahrer zwischen den beiden Titelkonkurrenten und halten Alonso im Rennen auf?

Die Worte von Teamchef Martin Whitmarsh lassen Ersteres vermuten, zumindest sei das die Zielsetzung, kündigte der McLaren-Boss an. "Nach einer starken, aber am Ende enttäuschenden Leistung in Abu Dhabi weiß ich, dass Lewis und Jenson wieder hochmotiviert sind und uns zurück auf die oberste Stufe des Podiums bringen wollen", sagte der Brite. Und vielleicht ist es ja ein gutes Omen, dass McLaren das letzte Rennen in den USA gewonnen hat. 2007 in Indianapolis triumphierte der damalige Super-Rookie Lewis Hamilton.

Fünf Rennen ohne Punkte: Das gab es in der Karriere von Michael Schumachers noch nie, Foto: Sutton
Fünf Rennen ohne Punkte: Das gab es in der Karriere von Michael Schumachers noch nie, Foto: Sutton

Auch Michael Schumacher trug sich bei den Übersee-Rennen bereits in die Siegerlisten ein. Mit fünf Erfolgen hat der scheidende Mercedes-Star die meisten Siege beim US Grand Prix eingefahren. Dass er in seinem vorletzten Formel-1-Rennen erneut auf dem Podest steht, ist allerdings nicht anzunehmen. Nachdem er in den letzten fünf Rennen jenseits der Punkte gelandet ist, wäre es für den 43-Jährigen schon ein Erfolg, überhaupt in die Punkte zu fahren.

Für Nico Rosberg lief es in den letzten Wochen nicht viel besser als für seinen berühmten Mitstreiter. In den letzten vier Rennen wurde er dreimal abgeschossen, bei seiner Zielankunft in Indien verpasste er die Top-10. Dass der Mercedes-Bolide in Texas konkurrenzfähiger ist als zuletzt, ist ohnehin nicht anzunehmen. Schnelle Kurven gelten nicht unbedingt als die Stärke des F1 W03.

Schwarz-goldene Gefahr

Deutlich stärker als das Team aus Brackley ist hingegen Lotus einzuschätzen. Nach Kimi Räikkönens erstem Saisonsieg in Abu Dhabi ist dem Team in schwarz-gold auch auf dem nagelneuen Kurs in Austin einiges zuzutrauen - zumal der E20 weiter aufgerüstet werden soll. "Wir experimentieren noch immer mit der letzten Entwicklung des Coanda-Systems", erklärte Technikchef James Allison. "Wir haben einen Young Driver Test hinter uns und sind zuversichtlich, dass die Entwicklung in den letzten beiden Saisonrennen weitere sechs PS liefern wird. Zudem haben wir ein kleines Aero-Update für den Frontflügel."