Es zeichnet sich immer mehr ab: Beim Großen Preis von Indien bleibt es in der Boxengasse eher ruhig. Die meisten Fahrer gehen von einer Ein-Stopp-Strategie am Sonntag aus, Paul Hembery bestätigte die Vermutung. "Wir glauben, dass sich die meisten Teams für eine Ein-Stopp-Strategie entscheiden werden", sagte Pirellis Motorsportchef. Je nach Auto könne der weiche Reifen auf einer Runde bis zu eine Sekunde schneller sein als sein hartes Pendant. Der Buddh International Circuit gehört wegen seines Layouts und des neuen Asphalts eher zu den gutmütigen Kursen, was die Reifenbeanspruchung angeht.

Nach den Trainings und dem Qualifying ist der Asphalt ausreichend eingummiert, Grip sollte also eigentlich kein Problem darstellen. Eigentlich, denn ein paar Faktoren lassen die Strategie und das Reifen-Management wieder einmal zu einer kniffligen Angelegenheit werden. Da wäre zum einen der erste Sektor der 5,125 km langen Strecke mit seiner schier endlosen Geraden. Diese Passage birgt einige Tücken in sich für den weiteren Verlauf.

Vettel verbremste sich im Q3 in Kurve 4, Foto: Red Bull
Vettel verbremste sich im Q3 in Kurve 4, Foto: Red Bull

Trotz Temperaturen um die 30 Grad kühlt bei einigen Autos der Reifen auf der Geraden zu sehr aus. Die Folge: In den Kurven vier und fünf haben die Fahrer Schwierigkeiten mit der Traktion. Während der Trainings und auch im Qualifying sahen die Zuschauer in genau diesem Abschnitt nicht wenige Dreher, nachdem die Reifen blockierten. Ein weiterer Aspekt des ersten Sektors mit seinen langsamen bis mittelschnellen Kurven: Kurve 1 und 3 sind Rechtskurven und beanspruchen somit den rechten Vorderreifen um einiges stärker als das linke Vorderrad.

Die Folge: Die Reifen wärmen sich unterschiedlich auf und es kann passieren, dass einer der Reifen in einer Kurve stehen bleibt. Michael Schumacher etwa wurde an diesem Wochenende nicht müde zu betonen, dass es extrem wichtig ist, das Arbeitsfenster der Pirelli-Mischungen genau zu treffen, um die optimale Performance sicherzustellen. Einige Fahrer klagten bereits am Freitag darüber, dass es schwierig sei, die weichere Mischung auf Temperatur zu bekommen. "Die Reifen sind deutlich schwieriger zum Arbeiten zu bringen. Das ist komisch, weil man eigentlich denkt, dass das bei den weichen Reifen viel schneller funktioniert", sagte Timo Glock am Samstag.

Er benötigte im Qualifying gleich zwei Runden, um die Reifen ins optimale Arbeitsfenster zu bringen. Auf den meisten anderen Kursen reicht die Outlap dafür aus. Bei McLaren gab es ähnliche Vorkommnisse. "Ich habe erst auf der dritten Runde Temperatur in den Reifen bekommen", berichtete Jenson Button. "Somit musste ich heute im Qualifying Drei-Runden-Runs absolvieren und starte morgen mit Reifen, die zwei Runden älter sind als die der Konkurrenz." Somit könnte es im Rennen in den ersten Runden spannend werden, wenn gleich mehrere Fahrer Probleme mit den kalten Reifen bekommen.

Felipe Massa gehörte an diesem Wochenende zu den Kandidaten, die mehr als einmal ungewollt die Strecke verließen. "Man benötigt etwas Zeit, um die Reifen aufzuwärmen", erklärte er seine Rutschpartien. "Es ist nicht einfach, den richtigen Grip für die erste Runde zu finden." Nico Rosberg, der als einziger im Q3 auf eine gezeitete Runde verzichtete, fuhr die drittschnellste Runde im Q2 auf gebrauchten Reifen - ein Indiz, dass ein frischer Reifen bei der Zeitenjagd nicht unbedingt von Vorteil ist.

Rosberg könnte zwar auf frischen Reifen ins Rennen starten, doch das muss in Indien nicht unbedingt die beste Entscheidung sein. "Der Start auf frischen Reifen ist nicht wirklich ein Vorteil", meinte Landsmann Nico Hülkenberg. "Die Reifen haften nicht und man hat nicht den Grip, den man sich erwartet." Dass der weiche Reifen eine gewisse Zeit benötigt, um den - wie es im Englischen gern heißt - "sweet spot" zu treffen, zeigt auch ein Blick auf die Rundentabelle. Die Fahrer spulten im Qualifying so viele Runden wie selten zuvor ab.

Vettel hielt es mit 13 Umläufen noch moderat, während Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen mit 23 respektive 25 Runden äußerst aktiv waren. Wenn die Teams also auf eine Ein-Stopp-Taktik setzen, müssen sie in den ersten Runden extrem vorsichtig sein, den weichen Reifen schnell ans Arbeiten zu bekommen und sich dann auf einen sehr langen Stint mit der harten Mischung einrichten.