"Im Herbst sind wir meistens am besten", hatte Red Bull-Teamchef Christian Horner schon vor ein paar Wochen gesagt, als viele noch bezweifelten, dass Sebastian Vettel und Red Bull es noch schaffen könnten, den WM-Titel zu verteidigen. Jetzt bestätigt sich dieser Trend, den es ja schon 2009 und 2010 gab: 2009 kam Vettel im Endspurt dem in der ersten Saisonhälfte überlegen dominierenden späteren Weltmeister Jenson Button noch bedrohlich nahe. Und 2010 beherrschte er ab September die WM klar, holte dann nach einem technisch bedingten Ausfall in Korea in den letzten zwei Rennen einen Rückstand von 25 Punkten auf und gewann am Ende in Abu Dhabi den Titel.

Details optimiert

Lediglich im Traumjahr 2011, als Red Bull sowieso von Anfang an alles dominierte, war ein solcher Trend nicht eindeutig, jetzt, 2012, ist er wieder deutlich zu sehen. "Wir verstehen das Auto inzwischen einfach immer besser, können die verschiedensten Details optimal zusammen bringen", sagt Red-Bull-Sportdirektor Dr. Helmut Marko, "und außerdem trägt unsere konsequente Weiterentwicklungsarbeit jetzt Früchte." Zu jedem Rennen bringt Red Bull neue Teile - bei der Konkurrenz, auch der an der Spitze, nicht immer der Fall.

Was dazu kommt: Nach den großen Regeländerungen über den Winter, die Red Bull viele Vorteile kosteten, brauchte auch Design-Genie Adrian Newey ein bisschen Zeit, um sich im Rahmen des neuen Regelwerks Details einfallen zu lassen, die wieder den Unterschied ausmachen können. Eines davon ist sicher auch das Doppel-DRS in Red Bull-Version - aber bestimmt nicht das Entscheidende, denn es verbessert ja nur die Qualifying-Performance. Für den Zuwachs auch an Rennspeed kann es nicht verantwortlich sein - wie auch Sebastian Vettel jetzt schon ein paarmal lächelnd kommentierte: "Ihr vergesst immer, dass wir es da ja gar nicht groß einsetzen dürfen." Schon gar nicht, wenn man von der Spitze fährt und nicht überholen muss.

Immer mit der Ruhe

Der menschliche Faktor, der Vettel-Faktor, spielt aber genauso eine Rolle wie der technische: Immer dann, wenn es im WM-Titelkampf in die entscheidende Phase geht, dann findet Vettel mehr als alle anderen seiner Rivalen genau die richtige Balance zwischen Selbstbewusstsein und Realitätssinn - gepaart mit einer gewaltigen Portion Nervenstärke. Kleine "Pannen" auf dem Weg an die Spitze bringen ihn überhaupt nicht mehr aus der Ruhe: Die am Samstag gegen seinen Teamkollegen Webber etwas überraschend verpasste Pole-Position brachte ihn überhaupt nicht aus dem Konzept, kein Frust, kein Ärger. So, als hätte er da schon gewusst, dass er dieses kleine Missgeschick im entscheidenden Moment am Sonntag schon wieder richtigstellen würde...

Sebastian Vettel wusste in Korea, wie er das Qualifying korrigieren kann, Foto: Sutton
Sebastian Vettel wusste in Korea, wie er das Qualifying korrigieren kann, Foto: Sutton

Irgendwelche Psychospielchen, wie sie vor allem Fernando Alonso ja gern zu spielen pflegt, interessieren Vettel überhaupt nicht. Als der Spanier über Wochen verkündete, sein Haupttitelrivale sei Hamilton und nicht Vettel, nahm der Heppenheimer das mit einem leichten Grinsen hin und fühlte sich überhaupt nicht bemüßigt, in das Spiel einzusteigen und eine Antwort zu geben.

Verbal-Optimismus

Die gibt er lieber auf der Strecke: Drei Siege in den letzten drei Rennen sprechen eine deutliche Sprache. Hamilton hat seit Monza nicht mehr gewonnen, Alonso gar schon seit Juli in Hockenheim nicht mehr. Und auch wenn der Spanier sagt, sechs Punkte Rückstand seien gar nichts, er habe im Titelkampf noch alle Chancen - seinem Gesicht und seiner Körpersprache war am Sonntag in Korea anzumerken, dass er diese optimistischen Töne selbst nicht ganz glaubt.

Denn eines kommt beim "Vettel-Express", der immer mehr Fahrt aufnimmt, ja noch dazu: Wenn der amtierende Weltmeister jetzt wieder das schnellste Auto hat und dadurch seine Rennen auch wieder fast immer von der Spitze weg fahren kann, sinkt auch das Risiko von Ausfällen für ihn. Denn erstens einmal ist ganz vorne die Kollisionsgefahr am Start schon einmal deutlich geringer, und zweitens sah es zuletzt zumindest in Japan und Korea so aus, als müsse Vettel im Rennen auch gar nicht mehr ans absolute Limit des Autos gehen. Das wiederum verringert die Gefahr eines technischen Defekts - und darauf müsste Alonso ja verstärkt hoffen, wollte er noch eine Chance haben...