"Ich persönlich glaube nicht an Glück oder Pech... wenn man aber bedenkt, was in den letzten Tagen so passiert ist, sollte ich es vielleicht in Erwägung ziehen, meine Einstellung diesbezüglich noch einmal zu überdenken", stellte ein konsternierter Stefano Domenicali im Anschluss an den Großen Preis von Japan fest. Schwer fiel es ihm, die guten Aspekte des Auftritts in Suzuka herauszufiltern - etwa, dass Ferrari erstmals seit vielen Rennen wieder vor McLaren ins Ziel kam. Das Problem an diesem Umstand: In Sachen WM schaffte es der falsche Ferrari aufs Podest.

Dass Rennsieger Sebastian Vettel gleichsam den Punktevorsprung des Gesamtführenden Fernando Alonso auf vier mickrige Zähler schrumpfte, rief bei den Roten aus Maranello ebenso einen Schockzustand hervor, wie die Tatsache, mit welcher Pace Red Bull am Sonntag tatsächlich unterwegs war. "Was am Start mit Fernando passiert ist, macht deutlich, dass es in diesem Sport unendlich viele Variablen gibt, die man einfach nicht beeinflussen kann. Wir müssen das jetzt akzeptieren, aber natürlich sind wir im Moment alle zutiefst enttäuscht", stellte der Teamchef voller Ernüchterung fest.

Massas Freude geht unter

Drama in Suzuka: Alonso dreht sich schon auf den ersten Metern ab, Foto: Sutton
Drama in Suzuka: Alonso dreht sich schon auf den ersten Metern ab, Foto: Sutton

Da Schwarzmalen ohnehin gerade hoch im Kurs stand, schaffte es Domenicali, sogar dem eigentlich einzig verbliebenen, positiven Hoffnungsschimmer auch noch etwas grundlegend Schlechtes abzugewinnen. "Wie sehr wir diesen Vorfall noch bereuen werden, dürfte daran zu bemessen sein, welch gute Rennpace Felipe heute hatte", machte der Italiener deutlich, dass man Alonso - bei reibungslosem Rennverlauf - mindestens auf P2 gesehen hätte. Schmälern wollte er Massas Leistung mit dem Vergleich aber keineswegs. "Von ihm war es eine makellose Performance."

"Es war schön, Felipe nach langer, langer Zeit wieder einmal auf dem Podium zu sehen." Nach 714 Tagen, um genau zu sein... fast zwei Jahre musste der Brasilianer auf einen Podestplatz warten, zuletzt war es 2010 in Südkorea soweit. "Für ihn und das Team ist das ein sehr wichtiges Ergebnis und es kommt ausgerechnet zu einem der wohl heikelsten Momente der Saison", stufte Domenicali die gefühlte Erstrunden-Katastrophe entsprechend ein. Den Blick noch einmal auf Massa gerichtet, fügte er an: "Ob das etwas zu einer Entscheidung über seine Zukunft beigetragen hat? Jeder Schritt zur rechten Zeit. Jetzt genießen wir zusammen einfach einmal sein Podium."

Die Realität akzeptieren

Der bittere Weg zurück an die Box führte Alonso durchs Kiesbett, Foto: Sutton
Der bittere Weg zurück an die Box führte Alonso durchs Kiesbett, Foto: Sutton

Fakt ist jedoch: Im Fahrerlager pfeifen es die Spatzen von den Dächern - Massas Vertragsverlängerung ist so gut wie unter Dach und Fach. Sergio Perez geht zu McLaren, Lewis Hamilton zu Mercedes, Michael Schumacher hört auf. Die verbleibenden Kandidaten scheinen derweil wenig attraktiver als Massa. Adrian Sutil? Ein verletzter Robert Kubica? Immerhin lose Kontakte zu Heikki Kovalainen wurden unlängst bestätigt, doch dieser scheint unterm Strich genauso wenig geeignet wie die noch jungen Force-India-Fahrer Paul di Resta und Nico Hülkenberg. Domenicali interessierte all das am Sonntag wenig - zu sehr weinte er den verlorenen WM-Zählern nach.

"Wir hätten heute mit einem ganz anderen Punktestand abreisen können, aber wir müssen jetzt die Realität akzeptieren." Immerhin ein gutes altes Sprichwort kam dem Ferrari-Teamchef dann doch noch in den Sinn, mit dem er versuchte, Mut zu machen und den Schmerz seiner Truppe zu lindern: "Wer zuletzt lacht, lacht am besten." Fünf Rennen seien noch ein weiter Weg, fand Domenicali. "Noch kann viel passieren. Wir müssen jetzt Ruhe bewahren und dementsprechend auf diesen wirklich fürchterlichen Rückschlag reagieren." Die ganze Konzentration aller gelte nun der Entwicklung des Autos. "Wir haben das auch schon in den vergangenen Monaten gemacht und wenn wir in den letzten Rennen tatsächlich um den Titel kämpfen können, dann weil unsere Arbeit von hoher Qualität war - sonst wären wir ja schon viel weiter zurück."

Frust ist verständlich

Dass Alonso sich wenig begeistert über die jüngsten, schlichtweg zu langsamen Entwicklungen am F2012 gezeigt habe, müsse man verstehen. "Ich kann seinen Frust im Moment gut nachvollziehen, aber genauso kann ich versichern, dass wir unser Bestes geben, um ihm ein Auto hinzustellen, dass seinem Talent gerecht wird." Diese Einschätzung Domenicalis teilte auch Technikdirektor Pat Fry: "Das war ein bittersüßer Sonntag hier in Suzuka", stellte er fest. Zwar sei Massa ein fantastisches Rennen gefahren.

"Doch in Bezug auf Fernando haben wir natürlich ganz andere Gefühle und anders könnte es auch gar nicht sein, wenn ein Rennen bereits nach einer Kurve zerstört ist." Nun stehe man mit einem getrübten Gesamtbild da. "Denn unser Auto ist im Renntrimm normalerweise immer stärker als im Qualifying", so Fry. "Wir waren sicher nicht so stark wie Red Bull, aber McLaren konnten wir definitiv schlagen und sie schienen in Singapur zuletzt immerhin noch außer Reichweite", klammerte sich der Brite an einen vermeintlichen Aufwärtstrend und fügte hinzu: "Wir dürfen nun unter keinen Umständen emotional auf dieses Wochenende reagieren, sondern müssen zwingend konzentriert bleiben."