In Singapur musste Sebastian Vettel drei Stunden um seinen Sieg zittern, jetzt in Suzuka über drei Stunden um seine Pole Position. Fernando Alonso hatte sich beschwert - wieder einmal: Vettel habe ihn in der letzten Schikane aufgehalten... Am Ende sprachen die Sportkommissare eine Verwarnung aus, Vettel durfte seinen ersten Startplatz behalten, muss allerdings in Zukunft noch ein bisschen mehr aufpassen, denn eine bestehende Verwarnung kann bei einem weiteren Zwischenfall ähnlicher Art schneller zu einer Strafe führen. Italienische Medienkollegen, denen Ferrari Videos der Situation im Detail gezeigt hatten, wunderten sich zum Teil sogar über die Verwarnung: Ihnen war jedenfalls nicht klar, "was Fernando da eigentlich will."

Fernando Alonso fühlte sich im Qualifying behindert, Foto: Red Bull
Fernando Alonso fühlte sich im Qualifying behindert, Foto: Red Bull

Hinter dem Ganzen steckt natürlich Taktik: Die Tendenz bei der FIA, im Moment wirklich alles und jedes zu untersuchen, wird offenbar zumindest von einigen ausgenutzt, um sich immer wieder Vorteile zu verschaffen. Allen voran von Ferrari, wo man offenbar merkt, im WM-Finale dem Speed von Red Bull nichts mehr entgegen setzen zu können. Alonso hatte es ja mit seinem lautstarken Gemecker schon in Monza geschafft, dass Sebastian Vettel eine Durchfahrtsstrafe bekam, als der Spanier bei einem etwas gewagten Überholversuch leicht neben die Strecke geriet - angeblich von Vettel "abgedrängt". Bei der umgekehrten Situation im Vorjahr war nichts passiert - "aber ich habe ja damals auch nicht rum geschimpft", wie der Heppenheimer nachher feststellte.

In Singapur versuchte es auch Jenson Button mit einer Schimpftirade, nachdem er am Ende der Safetycar-Phase fast Vettel ins Heck gefahren war und behauptete: "Sebastian hat beim Reifenaufwärmen völlig unberechenbar und viel zu hart gebremst." Er erreichte zumindest auch eine ewig andauernde Untersuchung - auch wenn sich die Vorwürfe nachher in Luft auflösten.

Aber dort herrschte ja sowieso die große Untersuchungswut - jeder noch so kleine Vorfall kam unter die Lupe. Zeitweise liefen vier bis fünf "Investigations" gleichzeitig, auch ein Überholmanöver zwischen Felipe Massa und Bruno Senna, bei dem es zwar eng wurde und auch zu einer Berührung kam, bei dem aber beide problemlos weiterfahren konnten. Gut - auch da gab es dann keine Strafe, aber schon damals fragten sich viele Experten, was das Ganze eigentlich solle: "Schließlich fahren wir immer noch Rennen - aber so macht man allmählich den Rennsport kaputt", meinte Eddie Jordan, einst Michael Schumachers erster Teamchef in der Formel 1 und heute BBC-Experte. Er hatte ja dort beim Interview Vettel schon gefragt, "soll ich mitkommen zu den Sportkommissaren und dich verteidigen? Ich möchte nämlich wirklich mal wissen, was die von dir wollen." Und das als Brite bei einem angeblichen Zwischenfall zwischen einem deutschen und einem britischen Fahrer...

Vettel und Alonso kämpften in Monza hart, Foto: Sutton
Vettel und Alonso kämpften in Monza hart, Foto: Sutton

Neben der grundsätzlichen Problematik, das Strafensystem - das ja eigentlich geschaffen wurde, um für Sicherheit zu sorgen - zu politischen Zwecken zu missbrauchen, kommt noch ein zweiter Kritikpunkt dazu: Die Entscheidungen fallen von Rennen zu Rennen manchmal sehr unterschiedlich aus - abhängig auch davon, wer gerade in dem Gremium der Sportkommissare sitzt. "Ich sage ja schon ewig, dass wir da permanente Leute bräuchten, und nicht jedes Mal andere", meint etwa Alexander Wurz, der im letzten Jahr noch mehrmals als Fahrervertreter unter den Kommissaren agierte - sich jetzt aber zurückzog, "weil das mit meiner Beraterfunktion bei Williams nicht vereinbar ist." Die FIA selbst ist mit Blick auf "neutrale" Besetzungen nicht so pingelig: In Monza etwa, als Vettel die Strafe bekam, saßen in dem vierköpfigen Gremium zwei Italiener und ein Spanier - bestimmt kein Schaden für Ferrari und Alonso...

Erstaunlich ist auch, dass dort, wo es wirklich um Sicherheit geht, oft nicht so genau hingeschaut wird: Dass hier in Suzuka im Q3 einige Fahrer - darunter auch Alonso und Sauber-Pilot Kobayashi nach dem Räikkönen-Abflug unter Gelber Flagge, die ja eigentlich "langsam fahren" bedeutet, ihre jeweiligen Sektoren-Bestzeiten verbesserten, wurde zumindest offiziell nie untersucht... Die Red-Bull-Piloten Vettel und Webber hatten angesichts von "gelb" wirklich langsam gemacht und ihre Runden abgebrochen...