Die Teams der Formel 1 können sich darauf einrichten, dass es sie in den kommenden Monaten förmlich zerreißt. Denn statt nur in eine Richtung zu planen, müssen sie praktisch drei berücksichtigen. Da ist der Rest der Saison 2012, der für viele in punkto Weltmeisterschaft noch sehr wichtig ist, dann ist da 2013, für das es sich so gut wie möglich in Position zu bringen gilt und darauf folgen die großen Umwälzungen 2014, für die man nicht früh genug zu arbeiten beginnen kann, da keiner mit Rückstand in die neue Formel-1-Ära starten will.

Diese Zerreißprobe steht allen bevor, egal ob Spitzenteam oder Mittelfeld. So hat etwa Williams für dieses Jahr noch einiges vor, will die Zukunft aber auch nicht außer Acht lassen. "Wir haben dieses Jahr Punkte liegen gelassen, wir haben unsere Leistung nicht voll genutzt und wir müssen diese Punkte in den verbleibenden Rennen zurückholen. Wir wollen in der Konstrukteurs-Wertung Force India unbedingt noch überholen", sagte Williams Chef-Ingenieur Mark Gillan. Gleichzeitig betonte er, dass sein Team schon gespannt auf 2013 und 2014 blickt und es dabei einen heiklen Balance-Akt zu meistern gilt, um die Ressourcen richtig aufzuteilen.

Nuancen und große Schritte

"Für nächstes Jahr gelten fast die gleichen Regeln, aber 2014 folgt ein großer Entwicklungs-Schritt und das wird interessant. Momentan sind die Autos so eng beisammen und Fluktuationen auf der Strecke und bei den Reifen spielen eine Rolle. Wenn 2014 kommt, wird es interessante Konzepte geben und mit der geringeren Testzeit wird es schwieriger als in den vorherigen Jahren, jemand mit einem innovativen Design einzuholen", versuchte Gillan die bevorstehenden Herausforderungen zusammenzufassen.

Doppel-DRS ist für einige weiter eine interessante Entwicklungs-Richtung, Foto: Sutton
Doppel-DRS ist für einige weiter eine interessante Entwicklungs-Richtung, Foto: Sutton

Dabei gilt es immer abzuwägen, was Sinn macht und was nicht. Ein gutes Beispiel dafür ist das Doppel-DRS. "Wie viel Zeit will man für ein Auto aufwenden, das sich nächstes Jahr kaum verändert, während es 2014 ein Auto gibt, das völlig anders sein wird. Es ist eine ganz schmale Grenze, das ist eine echt schwierige Balance", betonte Gillan. Interessant daran ist - laut Gillan ließ sich das schon zu Beginn der Saison 2012 sagen - wo das Auto Ende 2013 in etwa stehen wird, auf der anderen Seite arbeitet für 2014 jeder für sich alleine im stillen Kämmerlein und erst bei der Präsentation oder wohl sogar erst bei den Tests werden dann die Geheimnisse enthüllt.

Verschenkte Saison oder verschenkte Saison?

Obwohl Gillan damit rechnete, dass es dank der wenigen Testtage schwierig werden könnte, ein Team mit einem großen Vorsprung einzuholen, erwartete er auch 2014, dass sich alles irgendwann wieder zusammenschiebt. "2009 meinte man etwa, dass Brawn so viel schneller war als der Rest. Doch dann holten die anderen trotzdem rasch auf. Die Geschichte zeigt also, wenn es 2014 wieder ein Über-Auto geben sollte, werden die anderen das aufholen." Die Geschichte hat aber auch gezeigt, dass die Saison schon gelaufen sein kann, bis der Rückstand aufgeholt worden ist.

Die Schwierigkeit dabei, in der Angst, die Saison 2014 nicht her zu schenken, muss eben auch 2012 und 2013 noch ordentlich durchgebracht werden - das gilt vor allem für Teams, die sich den Titelkampf auf die Fahnen geschrieben haben, wie McLaren und auch Mercedes, das sich mit der Verpflichtung von Lewis Hamilton für nächstes Jahr bereits selbst genug Druck macht. "Wir werden jetzt weiter bei der Entwicklung des aktuellen Autos pushen, es kommen noch andere Strecken und Wochenenden", sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh, dessen Team noch WM-Hoffnungen in diesem Jahr hat.

Offene Punkte klären

Da sich die Regeln für 2013 kaum ändern, geht das auch relativ gefahrlos, doch trotzdem darf vor lauter Titelkampf nicht übersehen werden, dass man sich für große Umwälzungen bereit machen muss. Bei Mercedes hat aktuell aber noch die nähere Zukunft Vorrang, immerhin gilt es Lewis Hamilton bei dessen Ankunft zufriedenzustellen. "Wir werden in den letzten sechs Rennen weiter einige Dinge entwickeln, die uns 2013 helfen werden", meinte Teamchef Ross Brawn. Worum es sich bei besagten Dingen handelt, führte er nicht weiter aus, er sagte nur, sie seien für 2012 genauso wichtig wie für 2013. "Das sind Dinge, die wir noch lernen müssen. Wir wollen einige der offenen Punkte klären, die wir in bestimmten Bereichen des Autos haben. Wir wollen das Auspuffsystem gut genug verstehen, um im Winter die Entwicklung voranzutreiben."

Die Weiter-Entwicklung des Doppel-DRS, um es in die 2013 regeltaugliche Version zu bringen, gehört da auch dazu, da Mercedes der Ansicht ist, dass es sich auszahlen könnte. "Wir werden es als Freitags-Projekt fortführen, wollen dafür aber keinen Aero-Testtag opfern. Wir sind aber noch nicht soweit, um es im Rennen einzusetzen." Womit wieder die Grundsatzfrage gestellt werden muss, zahlt sich das aus oder nicht? "Wenn man so etwas bringt, kann das viel von der Entwicklungszeit für die Basis-Leistungsentwicklung wegnehmen. Mit der wenigen Streckenzeit heutzutage ist jede Ausfahrt wichtig. Daher muss man den Vorteil des Systems mit der normalen Entwicklung abwägen. Es ist eine feine Balance, das richtig hinzubekommen. Ich kann verstehen, dass es da Frust geben kann", sagte Gillan.