Nach dem heftigen Startunfall ins Spa waren zuletzt wieder Debatten über die Sicherheit der Formel 1 und eine mögliche Einführung einer Cockpithaube aufgekommen. Einer, der sich schon seit geraumer Zeit Gedanken zu alternativen Sicherheitslösungen im Rennsport macht, ist Mark Webber. Nicht nur, dass der Australier seit vielen Jahren aktives Mitglied der Fahrergewerkschaft ist - auch weiß Webber selbst, wie schnell alles schiefgehen kann. In Erinnerung kommen einem sofort die furchteinflößenden Bilder, wie der Red-Bull-Pilot 2010 in Valencia über das Heck des Lotus von Heikki Kovalainen gen Himmel aufstieg und anschließend im hohen Bogen über die Strecke flog - wie durch ein Wunder blieb Webber damals unverletzt.

Ein Jahr später wurde ihm die Gefährlichkeit von offenen Formelautos dann aber auf tragische Weise am Beispiel seines Freundes Dan Wheldon aufgezeigt. Der Brite verunglückte beim IndyCar-Saisonfinale 2011 in Las Vegas tödlich - kopfüber war er mit seinem Auto in die Fangzäune geflogen, ein Halterungspfosten traf dabei den ungeschützten Cockpitbereich des zweifachen Indy-Gewinners, der letztlich keine Chance hatte. Dass der Motorsport nun in Belgien wieder einmal haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschrammt ist, war auch Webber bewusst - der ungeschützte Helm der Piloten sei im Monoposto-Sport eben die große Achillesverse. "Fernando hatte da wirklich Glück - Romain Grosjeans Lotus ist vorne direkt über sein Auto geflogen und hat seinen Kopf nur knapp verfehlt", so der Australier.

Unentschlossen

Für Unfälle wie den von Dan Wheldon 2011 hat der offene Formelsport bis heute kein Rezept, Foto: Sutton
Für Unfälle wie den von Dan Wheldon 2011 hat der offene Formelsport bis heute kein Rezept, Foto: Sutton

Webber verriet: "Die FIA hat danach erneut mit Forschungen in Bezug auf den Kopfschutz der Fahrer begonnen und im Moment sieht es ganz danach aus, wie wenn bald irgendeine Form eines neuartigen Schutzes im vorderen Bereich - wahrscheinlich eine Art Überrollbügel - eingeführt wird." Bereits in absehbarer Zeit solle dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt werden, gab Webber seinen Wissensstand zum Besten. "Mehr Sicherheit für den Kopfbereich ist ein kontroverses Thema und, ganz untypisch für mich, bin ich diesbezüglich sehr unentschlossen", räumte der 35-Jährige ein. Denn bei allen Bestrebungen zur Verbesserung der Sicherheit, stünde auch fest: "Der offene Formelsport ist genau das, was die meisten Piloten machen wollen - er erfordert unglaubliche Präzision und die besten Rennautos der Welt."

"Das will man nicht verlieren, also muss in diesem Fall zwingend eine Entscheidung getroffen werden, die die richtige ist", forderte der Motorsport-Liebhaber in seiner Kolumne für die BBC. Er war sich sicher: "Für unseren Sport ist das ein großer Schritt." Den Fans würde eine wie auch immer geartete Lösung allerdings wohl weniger gefallen - aus optischen Gründen. "Mit solchen Belangen darf man sich meiner Meinung nach aber nicht aufhalten - man muss auf das schauen, worum es hier geht und das ist die Sicherheit, aber auch die Frage, wogegen genau wir uns schützen wollen." Dabei erinnerte sich Webber auch wieder an einen Vorfall vor fünf Jahren. "David Coulthard und Alex Wurz hatten in Australien 2007 einen ähnlichen Unfall."

Der Startunfall in Belgien hätte auch ganz anders ausgehen können, Foto: Sutton
Der Startunfall in Belgien hätte auch ganz anders ausgehen können, Foto: Sutton

Begünstigt werde diese Art der Unfälle durch das leichte Aufsteigen der Boliden, was die ganze Angelegenheit dann sehr schnell sehr gefährlich mache. "Mir ist das damals bei meinem Überschlag in Valencia ja auch passiert. Man sollte also lieber darüber nachdenken, ob es einem nicht gelingt, diesen Gefahrenherd zu verbannen, indem man die Räder umschließt - dafür könnte man dann aber die Cockpits offen lassen? Oder doch die Räder freistehend lassen und die Cockpits besser sichern?", demonstrierte Webber seine gespaltene Meinung. Für ihn persönlich stand fest: "Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es wichtiger ist, die Autos daran zu hindern, vom Boden abzuheben. Darauf liegt meiner Meinung nach die Priorität, weil das noch viel zu häufig passiert." Dass etwas ins Cockpit eindringe sei schon seltener. "Trotzdem müssen wir aber auch diesen Bereich ernstnehmen."

Warnung an die jungen Wilden

Mit Blick auf die jüngsten Unfälle und von ihm genannten Beispiele, wollte Webber alles in allem festhalten: "Wir hatten in beiden Fällen sehr viel Glück. Wir wissen aber auch, dass dieses Glück eines Tages aufgebraucht sein wird." Damit das nicht so schnell passiere, wollte der Routinier zukünftig auch mehr an seine Fahrerkollegen appellieren und zur Vernunft aufrufen. "Das Level an Aggression hat in den letzten zehn Jahren auf der Strecke schon ziemlich zugenommen, weil diese Jungs ganz einfach wissen, dass sie nach einem Crash im Normalfall aussteigen können und ihnen nichts passiert." Man könne sich aber aggressiv und dabei sicher verhalten - oder eben auch aggressiv und unsicher. "Ich habe schon immer gesagt: Wenn es ums Rennfahren geht, endet der Lernprozess nicht, nur weil man in der F1 ist."

Die meisten jungen Aufsteiger der letzten Jahre hätten sich ganz gut geschlagen. "Dieses Jahr haben Pastor Maldonado und Grosjean beide aber schon einige Zwischenfälle gehabt. Wenn Grosjeans Unfall in Spa irgendwo auf der Strecke passierte wäre, wäre er wahrscheinlich harmlos gewesen. Aber dadurch, dass so viele andere Autos um ihn herum waren und die Stelle so eng, wurde es zu einem Horror-Unfall", fand Webber. Auch müsse man heutzutage berücksichtigen, dass sich die F1 mit dem DRS und den Pirelli-Reifen gewandelt habe. "Das Überholen ist jetzt viel einfacher - man muss also nicht am Start gleich alles riskieren", rügte er die jungen Wilden. "Wir sollten in der F1 in dem, was wir tun, überall die Besten sein - beim Rennfahren unter allen Bedingungen und auf allen Kursen - dazu muss dann aber auch das Benehmen der Fahrer passen."