Frau Kaltenborn, von 0 auf 100 in acht Tagen - wie haben Sie die Enttäuschung von Spa und die Freude in Monza erlebt?
Monisha Kaltenborn: Auf die Nullrunde von Spa mag ich gar nicht zurückschauen. Dass wir dort nach einem hervorragenden Qualifying von den Startplätzen zwei und vier keine Punkte geholt haben, lag ja überhaupt nicht in unserem Einflussbereich. So etwas vergisst man am besten ganz schnell. Aber die 20 Punkte, die wir in Monza geholt haben, waren hart erarbeitet und wohl verdient. Darauf sind wir stolz.

Haben Sie damit gerechnet, dass Sergio Pérez vom zwölften Startplatz aus auf Platz zwei fährt?
Monisha Kaltenborn: Wir wissen, dass wir im Rennen stark sein können. In Malaysia ist Sergio sogar vom 15. Startplatz aus auf Rang zwei gefahren, wenngleich unter besonderen äusseren Bedingungen. In Deutschland ist Kamui Kobayashi als Zwölfter losgefahren und Vierter geworden. Aber dass es sich in Monza so gut ausgeht - nein, das konnte niemand erwarten.

Am Ende der vergangenen Saison hatte das Team 44 WM-Punkte. Jetzt sind es 100 nach 13 Grands Prix. Worauf führen Sie diese Steigerung zurück?
Monisha Kaltenborn: Es ist unseren Technikern und Ingenieuren gelungen, in dem Sauber C31-Ferrari ein sehr gutes Auto zu bauen. Die Schwächen des letztjährigen Autos wurden fast zu hundert Prozent ausgemerzt, die Weiterentwicklung ist auf einem hohen Niveau und verläuft sehr effizient. Ausserdem ist nach einer ganz schwierigen Phase für das Unternehmen, die wir nach dem BMW Rückzug 2009 hinter uns bringen mussten, wieder Stabilität ins Team eingekehrt. Das ist sehr wichtig. Und dann darf man nicht unterschätzen, dass unsere beiden jungen Fahrer nun jeweils ein Jahr mehr Erfahrung haben.

Kann das private Sauber F1 Team das Entwicklungstempo der grossen Teams mitgehen?
Monisha Kaltenborn: Wir arbeiten sehr effizient. Die umfangreichen Entwicklungspakete, die wir zu den Rennen in Barcelona und in Silverstone am Start hatten, haben funktioniert. Der Fortschritt auf der Rennstrecke entsprach jeweils vollumfänglich den Erwartungen und Berechnungen, das spricht natürlich sehr für unsere Ingenieure. Und wir sind auch noch nicht am Ende mit dem C31. Bei den folgenden Rennen in Asien kommen weitere Entwicklungspakete, parallel läuft natürlich die Entwicklung für das nächstjährige Auto. Es ist also nicht nur eine Frage des Tempos, sondern vor allem der Effizienz. Das Thema Kosten spielt dabei selbstverständlich eine entscheidende Rolle. Je mehr Mittel man zur Verfügung hat, desto intensiver kann man entwickeln, und das schlägt sich unmittelbar in der Performance nieder.

Wie beurteilen Sie die Budgetentwicklungen in der Formel 1?
Monisha Kaltenborn: Es besteht dringender Handlungsbedarf. Die finanziellen Herausforderungen sind für die Mehrzahl der Formel-1-Teams immens. Das Sauber F1 Team setzt sich sehr für Massnahmen ein, um die Kosten weiter herunterzuschrauben. Allen voran wünschen wir uns, dass das Ressource Restriction Agreement umgesetzt und effektiv kontrolliert wird, und zwar ab 2013. Wichtig ist auch, dass die Motorenkosten ab 2014 für die Privatteams auf einem vernünftigen Niveau liegen. Insgesamt zielführend wäre eine Roadmap, welche die Richtung für die technische Entwicklung über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorgibt. Das würde die Planung vereinfachen und die Kosten signifikant senken.

Was sind Ihre Ziele für die verbleibenden sieben Rennen?
Monisha Kaltenborn: Nicht wenige Beobachter haben nach unserem starken Auftakt prophezeit, dass das Sauber F1 Team im Laufe der Saison einbrechen wird. Fakt ist aber: Wir werden immer stärker. Ich erwarte, dass wir auch im letzten Saisondrittel noch gute Leistungen abliefern. Vor der Saison haben wir gesagt, dass wir uns in der WM signifikant verbessern wollen. Ausgehend von Rang sieben im vergangenen Jahr wäre das der fünfte Rang bei den Konstrukteuren. Das ist ambitioniert, aber man muss sich hohe Ziele setzen. Ich habe volles Vertrauen in unsere Mannschaft.