Mit 40 Jahren will es Rubens Barrichello noch einmal wissen: Der brasilianische Rekordstarter der Formel 1, der Ende 2011 keinen neuen Vertrag mehr bei Williams bekam und anschließend in die US-amerikanische IndyCar-Serie wechselte, bringt sich als potenzieller Ersatzspieler für den gesperrten Lotus-Piloten Romain Grosjean ins Gespräch. Zu gerne würde Barrichello den schwarzen E20 des jungen Franzosen kommendes Wochenende übernehmen, um wenigstens noch einen gebührenden Abschied von der Königsklasse feiern zu können. 2011 in Sao Paulo fiel dieser beim Saisonfinale ins Wasser, da damals noch nicht feststand, dass Barrichello durch Bruno Senna ersetzt werden würde.

"Die Leute fragen mich, was ich machen würde, wenn Lotus mich wegen Monza anrufen würde", verkündete Barrichello nun via Twitter. Die wenig überraschende Antwort ließ er natürlich auch gleich folgen: "Selbstverständlich würde ich 'JA' sagen!" Dass er sich trotz seines fortgeschrittenen Alters eine abermalige F1-Rückkehr vorstellen könnte, um seinen Startrekord weiter auszubauen, daraus hatte Barrichello auch bis zuletzt nie einen Hehl gemacht. Einen Dämpfer dürften seine jüngsten Bemühungen aber durch die Aussagen von Lotus-Teamchef Eric Boullier erhalten. Dieser erklärte, dass mit Jerome d'Ambrosio der planmäßige Testfahrer des Teams derzeit eine 80-prozentige Einsatzchance besitze.

D'Ambrosio mit den besten Karten

Wie schon in Mugello: D'Ambrosio sitzt wohl im Auto, Foto: Sutton
Wie schon in Mugello: D'Ambrosio sitzt wohl im Auto, Foto: Sutton

"Wir wissen, dass Jerome sich hier sehr gut ins Team eingefügt und im Auto auch beim Test in Mugello einen guten Job abgeliefert hat", lobte Boullier. "Nun steht er vor der Herausforderung, auf der anspruchsvollen Strecke von Monza in einem Auto zu fahren, mit dem Podestplätze möglich sind", heizte der Franzose die Spekulationen um einen Einsatz des Belgiers weiter an. Der 26-Jährige selbst zeigte sich zunächst zwar noch zurückhaltend, ließ aber auch durchblicken: "Ich würde Romain den Platz nach dem Rennen am Sonntag natürlich wieder zurückgeben, hoffe aber, dass ich bei einem Einsatz in Italien mein volles Potenzial zeigen kann." Als weiterer Ernstzunehmender Kandidat wird auch Jaime Alguersuari gehandelt.

Der Ex-Toro-Rosso-Pilot hält sich in dieser Saison als Fernsehkommentator und Testfahrer für Pirelli fit - Erfahrung mit den aktuellen Reifen hätte er also genügend, war er doch maßgeblich an deren Entwicklung beteiligt. "Natürlich wäre auch ich bereit, Rennen zu fahren. Lotus ist ein großes Team mit großen Möglichkeiten - ich würde morgen schon ins Auto klettern, kein Problem", meinte der junge Spanier nach Bekanntwerden Grosjeans Sperre mit einem Augenzwinkern. Dass die Liste potenzieller Ersatzspieler jedoch groß ist, beweist auch die Tatsache, dass einige Experten Adrian Sutil Außenseiterchancen auf einen Monza-Einsatz einräumen.

Beste Erinnerungen an Monza: 2009 gewann Barrichello dort zum dritten und letzten Mal, Foto: Sutton
Beste Erinnerungen an Monza: 2009 gewann Barrichello dort zum dritten und letzten Mal, Foto: Sutton

Der ehemalige Force-India-Fahrer hätte mit Platz vier in Monza 2009, was zeitgleich sein bislang bestes F1-Ergebnis darstellt, keine schlechte Bewerbungsmappe für die norditalienische Hochgeschwindigkeitspiste vorzuweisen. Geht man nach diesen Kriterien, kann in Sachen Monza aber ohnehin keiner der Kandidaten Barrichello das Wasser reichen. Im Königlichen Park gewann der Brasilianer schon ganze dreimal, zuletzt 2009 im Brawn GP, als er den bis dato letzten Sieg seiner langen F1-Karriere einfuhr. Nun strebt er an Ort und Stelle seinen 324. Grand-Prix-Start an. Dass es den Routinier nicht gerade erfreuen dürfte, wenn ihm sein ehemaliger Ferrari-Teamkollege und Rivale Michael Schumacher nach den diversen sportlichen Siegen gegen ihn, auch noch seinen Rekord für die meisten Grand-Prix-Starts in der Königsklasse abtrünnig machen würde, ist zeitgleich kein Geheimnis.

Schumacher kommt immer näher

Der Ausgang dieser Angelegenheit hängt mittlerweile aber wohl mehr von der Lust und Laune des Rekordchampions ab als von den Wünschen des Rekordmannes. Verlängert Schumacher noch mindestens ein Jahr bei Mercedes, fängt er Barrichello so oder so noch ab, hält der Kerpener derzeit doch bereits bei 300 Großen Preisen und kämen zu den acht verbleibenden dieses Jahr, 2013 noch mindestens 20 weitere hinzu - daran würde auch ein einmaliger Monza-Start des 40-Jährigen nichts ändern. Parallel muss betont werden, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Einsatz des elffachen Rennsiegers nicht besonders hoch eingeschätzt werden kann, denn Fakt ist: Selbst bei allem Wohlwollen, würde es für Barrichello verdammt knapp werden.

Schon am Freitag steigt in Italien das erste Freie Training - unter Miteinbeziehung der langen Anreise aus Amerika und der gleichsam aufwendigen wie notwendigen Sitzanfertigung im Werk, ein zeitlich fast schon unmögliches Unterfangen. Fast möchte man sagen: Und wieder einmal tickt die Uhr - gegen Barrichello. Auch im Anschluss an den WM-Lauf in Italien hätte sein Ausflug weitreichende Konsequenzen, ist doch auch die Saison der IndyCars noch nicht vorüber. Schon ein Wochenende später, am 15. September, steigt auf dem kalifornischen Ovalkurs von Fontana das Saisonfinale der Serie - für Barrichello wird es wohl das letzte Rennen mit seinem Team KV Racing. Er hat bereits angekündigt, den Rennstall verlassen und zu einem stärkeren Konkurrenten wechseln zu wollen.