Nicht alle sind von der neuen, spektakulären und vor allem unvorhersehbaren Formel 1 2012 begeistert - einer von ihnen ist Mercedes-Teamchef Ross Brawn. Der Brite sorgt sich, dass der Sport eines Tages Zuschauer verlieren könnte, wenn das Überraschungsmoment zu etwas alltäglichem werde. "Wir müssen für die Formel 1 sicherstellen, dass der Zufallsfaktor nicht zu stark wird", forderte Brawn in der Sommerpause. Erstmals in der Geschichte gab es heuer in den ersten sieben Rennen sieben verschiedene Sieger, darunter auch Brawns Schützling Nico Rosberg - für den Teamchef ist das aber dennoch zu viel des Guten, er fordert weniger Glücksspielcharakter.

"Ich denke, es gab dieses Jahr ein paar Zufallselemente die wirklich spannend waren - ich denke aber auch, dass die Spannung nach einer Weile verschwindet, wenn alles zu unberechenbar wird", befürchtete er eine Reizüberflutung beim Publikum. Weniger spannend geht es auch beim Fischen zu, einer Freizeitbeschäftigung des passionierten Hobby-Anglers, der dennoch Parallelen ziehen wollte. "Beim Fischen gibt es eine lustige Analogie, an die ich gestern erst denken musste. Das Großartige beim Angeln ist, dass auch ein absoluter Anfänger einfach so einen Riesenfisch aus dem Wasser ziehen kann, denn es besteht zweifelsohne ein Zufallsfaktor. Für die Teilnehmer macht das also sehr viel Spaß - zu einem besonders guten Sport für Zuschauer macht aber genau das es nicht gerade."

Nicht die richtige Richtung

Brawn stellte daher klar: "Was wir im Motorsport nicht haben wollen, ist eine Beliebigkeit, auf Grund der man überhaupt nicht mehr weiß, wer gewinnen wird. Dann kann man wirklich hart arbeiten, um das Auto zu verbessern, aber das Auto passt dann nicht zu den Bedingungen und man ist nicht konkurrenzfähig. Das ist definitiv nicht die Richtung, in die wir gehen wollen." Bereits seit Jahresbeginn gibt es Kritik an der Unabsehbarkeit der Rennwochenenden. Die starken Performance-Schwankungen von Strecke zu Strecke durch das mangelnde Verständnis der Pirelli-Reifen, würden den Sport zu einem reinen Event für Insider und Hardcore-Fans machen.

Klare Vor- & Feindbilder: Brawn denkt auch an die Fans, Foto: Sutton
Klare Vor- & Feindbilder: Brawn denkt auch an die Fans, Foto: Sutton

Die Glaubwürdigkeit des Sports in puncto fairer Wettkampf müsse man für die breite Masse demnach wieder stärken. Brawn zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass einem das gelingen könne, wenn sich die Teams erst einmal besser auf die verschiedenen Pirelli-Mischungen des Jahres 2012 eingestellt hätten. "Bis zu einem gewissen Grad, scheinen die Dinge ja schon besser zu werden. Die Unterschiede innerhalb der Teams und zwischen ihren beiden Fahrern sind aber zuweilen immer noch kurios", fand der Silberpfeil-Teamchef. Als Beispiel nannte er: "Ein Wochenende dominiert bei Red Bull Mark Webber, am nächsten ist dann wieder Sebastian Vettel dran."

Unverständlich für die Zuschauer

Diese Schwankungen würde niemand so richtig verstehen. "Immerhin gibt es aber ein Schema zu erkennen und Trends zeichnen sich mehr und mehr ab, da wir uns mit den Reifen langsam besser zurechtfinden." Solange es in dieser Marschrichtung weitergehe, sei alles noch im grünen Bereich. "Was wir nicht wollen, ist nur diese Zufälligkeit. Ich denke, es muss ein Schema geben und ein oder zwei Teams, die irgendwann die Referenz sind und die die anderen dann zu schlagen versuchen."

Nur diese klare Rollenverteilung sei für die Zuseher auf Dauer das Salz in der Suppe und bringe die richtige Würze in das sportliche Gesehen. "Die Leute brauchen das, um die Saison zu genießen und zwar das ganze Jahr über - sonst gibt es diese Beliebigkeit und jemand, der es nur ein bisschen besser als jemand anders hinkriegt, sammelt gleich einen Haufen mehr Punkte." Brawn beteuerte: "Wir wollen sehen, dass die Jungs gegeneinander Rennen fahren. Und wir wollen, dass der Erste und der Zweite in der Weltmeisterschaft es an der Spitze gegeneinander ausfechten und nicht im Mittelfeld, weil irgendjemand anders gerade davonfährt, weil er an diesem Wochenende die Reifen besser hingekriegt hat."