Das Auto

Die Saison 2012 und Red Bull: Das ist vor allem das ewige Wechselspiel zwischen dem Ausloten jeglicher Grauzonen seitens des Teams und den Reglementsverschärfungen durch die FIA. Bereits vor dem Saisonstart wurden dem Weltmeisterteam der beiden Vorjahre zwei schlagkräftige Waffen weggenommen. Der angeblasene Diffusor wurde verboten - die Paradedisziplin der Mannen um Adrien Newey. Auch die verschärften Belastungstests für den Frontflügel kamen der Truppe aus Milton Keynes nicht entgegen, sodass im Winter frühzeitig zu erkennen war, dass die Vormachtstellung der Vorjahre dahin war. Die technischen Gründe für diesen Umstand waren vielschichtig.

Licht & Schatten: Wie lange sieht sich die FIA die Regelstreitereien um Red Bull noch an?, Foto: Red Bull
Licht & Schatten: Wie lange sieht sich die FIA die Regelstreitereien um Red Bull noch an?, Foto: Red Bull

Einerseits wartete man mit einer höchst diffizilen, wenn auch ausgeklügelten Hinterachse auf - andererseits gab es Probleme mit Luftverwirbelungen im Bereich der Seitenkästen und inkonstanten Auspuffgasen, die den Job für die Fahrer nicht einfacher machten. Besonders bei der Kurveneinfahrt kam es so zu Schwierigkeiten mit der Balance. Die ehemals so gute Pace in schnellen Passagen war damit passé - parallel zeigte sich, dass das Abstimmungsfenster, in dem der RB8 operiert, viel kleiner geworden ist, weshalb die Piloten sehr bedacht an die Unterschiede zwischen Qualifying und Rennen herangehen müssen, um den bestmöglichen Kompromiss für alle Eventualitäten zu finden. Da die Reifen dieses Jahr zu einer noch größeren Herausforderung geworden sind, tut sich Red Bull mit seiner verzwickten Aerodynamik bisweilen immer schwerer.

Beim RB8 muss einfach alles passen. Tut es das nicht, ist man gleich nicht mehr voll bei der Musik, was den Druck gleichsam erhöht - jeder noch so kleine Handgriff muss perfekt sitzen, dabei versteht man das komplizierte Auto heuer weniger als noch in den Vorjahren. Zu Beginn des Jahres hatte man daher gerade in Sachen Quali-Pace Nachteile im Vergleich zur Konkurrenz - schon bald konnte man die guten Leistungen im Rennen aber auch wieder im Zeittraining darbieten. In Valencia rüstete man überdies im großen Stile nach und kam mit einem neuen Updatepaket am Unterboden und den Seitenkästen - dieses schlug voll ein.

Parallel wurden aber auch die kritischen Stimmen in Bezug auf die Innovationen immer lauter. Erstmals geriet der Rennstall nach dem Großen Preis von Monaco ins Visier der Regelhüter - anschließend musste Red Bull seine Löcher im Unterboden stopfen. In Hockenheim rückte dann das mehr als grenzwertige Motoren-Mapping in den Fokus, kurzzeitig drohte sogar ein Ausschluss. Schlussendlich kam man straffrei davon, die Regeln wurden jedoch erneut angepasst und für Ungarn musste das Team umrüsten. Auch von der Legalität der Dämpfereinstellungen am Fahrwerk war der Dachverband nicht überzeugt, getreu dem Motto: Red Bull verleiht Flügel - und die FIA stutzt sie.

Team & Fahrer

Trotz der eindeutigen Führung in der Konstrukteurs-WM liegt Red Bull sowohl bei der Anzahl der gefahrenen Rennkilometer als auch der Führungskilometer nur auf Rang drei - ein weiteres brisantes Detail: Bislang holte das Team aus elf Saisonrennen erst magere fünf Podestplätze. Beim Blick auf die Piloten werden viele Erinnerungen an 2010 wach. Beispiel Mark Webber: Neben seinem Sieg in den Häuserschluchten von Monte Carlo, konnte er auch seinen Silverstone-Triumph eindrucksvoll wiederholen. 2012 präsentiert sich der Australier runderneuert. Nach seinem Seuchenjahr 2011 ließ er heuer wieder den alten Biss und viel mehr Frische erkennen und sicherte sich so einen Verbleib im Team für 2013. Teamkollege Sebastian Vettel machte er das Leben zu Saisonbeginn besonders im Qualifying schwer. Vor allem punktete der Australier durch Konstanz.

Macht Webber die Konkurrenz auch in der zweiten Saisonhälfte das ein oder andere Mal nass?, Foto: Sutton
Macht Webber die Konkurrenz auch in der zweiten Saisonhälfte das ein oder andere Mal nass?, Foto: Sutton

Kurios: Aus den ersten vier Rennen holte er vier vierte Plätze - dementsprechend aber auch einen Schwall Punkte. Im Quali-Duell steht es mittlerweile aber 6:5 zugunsten von Vettel. Die Saison des amtierenden Champions muss, auch vor dem Hintergrund der durch das Vorjahr klarerweise überzogenen Erwartungshaltung, aber als eher durchwachsen deklariert werden. Erneut fühlt man sich an die ein oder andere Eskapade von vor zwei Jahren erinnert. So beschimpfte der Deutsche in Malaysia Narain Karthikeyan nach einem Zusammenstoß beim Überrunden, für den er mehr als nur eine Mitschuld hätte auf sich nehmen müssen. In Hockenheim gab es den nächsten Aufreger: Mit einem unlauteren Überholmanöver neben der Strecke gegen Jenson Button handelte er sich eine Strafe und einen erneuten Punktverlust ein. Anschließend lederte er gegen Lewis Hamiltons regelkonforme Rückrundung, woraufhin ihm dieser erneut mangelnde Reife bescheinigte.

Fehlerfrei war aber auch das Team nicht - und zwar in Sachen Taktik. In Kanada orientierte man sich beispielsweise zu lange an WM-Konkurrent Fernando Alonso, verpasste deshalb den rechtzeitigen Wechsel auf frische Reifen und ließ am Ende Punkte liegen, genauso wie in Deutschland im Duell mit Button. Auf der positiven Seite stand in erster Linie Vettels erstes Glanzstück der Saison 2012, der Sieg in Bahrain - dieser erinnerte, inklusive Pole Position und schnellster Rennrunde, an die erdrückende Dominanz aus dem Vorjahr. Auch in Valencia verlief alles nach Plan und Vettel machte einen klasse Job. Dann war es jedoch die andere Seite der Erinnerungen an 2010, die wieder hochkam - die an die Technikpannen beim Heppenheimer. Weit in Führung liegend wurde er erst durch ein Safety-Car ein-, dann durch eine defekte Lichtmaschine ausgebremst. Auswirkung: 25 sichere Punkte futsch!

Ausblick auf zweite Saisonhälfte

"Bei neun noch ausstehenden Rennen sind noch 225 Punkte zu holen und es wird schonungslos werden", glaubt Teamchef Christian Horner, der bilanziert: "Wir sind mit einer Führung von 53 Punkten in der Konstrukteurs-Meisterschaft in die Sommerpause gegangen und unsere Fahrer sind Zweiter und Dritter in der Fahrer-WM." Daran, dass Red Bull weiter als Topanwärter auf den Titel gehandelt werden darf, gibt es keine Zweifel - interessant wird aber, wie das Possenspiel mit der FIA um die Regelauslegung weitergeht. Ein Vorteil werden die anhaltenden Diskussionen wohl kaum sein, ist das Umfeld des Teams dadurch doch andauernd unruhig.

Selbst dem sonst so coolen Mark Webber gehen die Querelen schon mächtig auf den Geist, glaubt er doch, dass die Gerüchte über mögliche Technik-Skandale dauerhaft von der Konkurrenz lanciert werden. Der 35-Jährige schießt dementsprechend scharf zurück: "Ich weiß, dass auch andere Teams angewiesen wurden, Dinge an ihren Autos zu ändern." Zudem ärgert er sich: "Das alles ist eine ziemlich langweilige und vorhersehbare Taktik von ihnen." Dass die Schlagzeilen über illegale Teile am RB8 bald abreißen, glaubt er dennoch nicht. "Es wird etwas anderes geben, das verspreche ich - aber wir werden jeden einzelnen Test bestehen." Auch Teamchef Horner hat Mühe, auf Grund der andauernden Anfeindungen im technischen Sektor, emotionslos zu bleiben.

"Am Ende zählt nur das Blatt mit den Resultaten nach dem Qualifying und dem Rennen - und dass das Auto den Regeln entspricht. Alles andere ist Bullshit." Der Brite beteuert: "Jedes Mal, wenn andere Teams unser Auto in Frage gestellt haben, war alles in Ordnung." In Ordnung ist bei Red Bull ohnehin einiges. Besonders auf die gute Zuverlässigkeit der Boliden ist Horner stolz, sieht in ihr sogar den großen Erfolgsschlüssel für die zweite Saisonhälfte. "Mark hat das 52. Rennen in Folge ohne technisches Versagen beendet und das ist beinahe Rekord." Kann Red Bull diese Strähne aufrechterhalten, bleibt der Klassenprimus der jüngeren Vergangenheit auch in diesem Jahr ganz vorne.