20.000 begeisterte Anhänger waren zur Demofahrt erschienen und säumten in der Hauptstadt Caracas die abgesperrten Straßen. Es sollte die frenetisch umjubelte Rückkehr ihres neuen Nationalhelden werden, dem Sieger der Formel 1, dem Spanien-Gewinner, kurzum: Pastor Maldonado. Für seine vielen Kritiker, hämischen Konkurrenten und all die Fahrerlager-Experten, die seit Monaten den Kopf schütteln, wenn es um ihn und seine selbsternannte "Pechsträhne" geht, war das, was folgte, mehr als nur ein gefundenes Fressen - und wie dieser Blog beweist... auch für uns Journalisten.

Aber noch einmal auf Anfang: Am Wochenende besuchte der Williams-Pilot seine Heimat Venezuela, um dort, erstmals seit seinem Sensationssieg in Barcelona, vor seinen vielen Fans das zu tun, was er am besten kann - etwa Rennwagen fahren? Nein, weit gefehlt - das Auto in seine Einzelteile zerlegen, träfe es wohl besser... frei nach dem Motto: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Doch machen Sie sich selbst ein Bild:

Nun könnte man sagen: Viel Wirbel um nichts, jeder macht einmal Fehler und 99,9 Prozent der Menschheit hätten die Kurve in so einer Höllenmaschine wie dem FW34 wohl noch viel schlechter bekommen. Das mag alles sein. Was Maldonado als professionellem Rennfahrer im Oberhaus des Motorsports derzeit jedoch auf den Kopf fällt, ist die Häufung seiner kostspieligen Fehler - sei es durch Punktverluste auf der Strecke, (Geld-)Strafen oder ganz einfach erhöhe Materialkosten - in Zusammenspiel mit seiner schon fast beeindruckenden Lernresistenz und einer brisanten Aussage, die den 27-Jährigen nun selbstredendend in eine etwas peinliche Lage bringt.

"Wahrscheinlich werde ich künftig nur noch allein Rennen fahren." - O-Ton Pastor Maldonado vor nicht einmal zwei Wochen. Dass es seinem Williams mit diesem Szenario auf Dauer besser gehen würde, diese Theorie widerlegte der Venezolaner auf dem eigens für ihn eingezäunten Fuerte Tiunas Militärparadenplatz nun eindrucksvoll, denn andere Fahrzeuge waren dort weit und breit nicht zu sehen. Bereits nach wenigen Metern, auf seiner zweiten von zwölf geplanten Runden, wurde ihm neben etwas Übermut dafür eine Bordsteinkante zum Verhängnis. Auf Grund des gravierenden Schadens an der Hinterachse und im Heckbereich seines Boliden, war an eine Weiterfahrt vor den enttäuschten Fans, Gästen aus der Politik und der entnervten Williams-Spitze um Sir Frank Williams und Toto Wolff nicht zu denken.

Damit der Tag nicht ganz ins Wasser fiel, stand mit dem gerade erst in London frisch gekürten Fecht-Olympiasieger Ruben Limardo, IndyCar-Pilot EJ Viso und GP2-Pilot Rodolfo Gonzalez, der wie Maldonado ebenso von der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA seine Motorsportkarriere bezahlt bekommt, immerhin ausreichend Ersatz bereit, um den Massen vor Ort doch noch etwas Spektakel zu bieten... oder wie es manch kritischer Politjournalist in Bezug auf die strenge Regentschaft Hugo Chavez' formulieren würde: Opium fürs Volk.

Ohren zu und durch - Maldonado hört nicht so gerne auf Ratschläge, Foto: Sutton
Ohren zu und durch - Maldonado hört nicht so gerne auf Ratschläge, Foto: Sutton

Und wenngleich sie ihrem Pastor Maldonado die Fehler in Venezuela schon verziehen haben, bevor er sie überhaupt nur begeht, so weht in der internationalen Medienlandschaft langsam ein anderer Wind, denn die Geduld mit dem südamerikanischen Heißsporn nimmt nach den jüngsten Eskapaden zusehends ab. Beim Blick auf die Schlagzeilen der letzten Wochen wird klar: Gut steht es nicht, um den neuen "Bay Boy" der Szene, der auch schon einmal als "Mad-onado" durchgeht. Die britische Autosport hat in ihrer Printausgabe extra ein mehrseitiges Pamphlet mit den Verfehlungen des Williams-Piloten zusammengestellt. Ein deutschsprachiges Sportmedium titelte bei der Bewertung der Fahrerleistungen 2012 unlängst: "Es ist genug, Pastor!" - und bei den englischen Kollegen wurde der Pisten-Rowdie zuletzt sogar als die Antwort der Formel 1 auf Mario Balotelli bezeichnet. Spätestens an diesem Punkt sollte man anfangen, sich Gedanken zu machen...

Dass Maldonado das nicht macht, beweist er mit Bravour. "Aus irgendeinem Grund haben wir nach Barcelona keine Punkte mehr gemacht. Aber so ist Racing", lautet seine Einschätzung der Lage. Selbstreflektion sieht anders aus. Die Frage nach dem Grund für sechs punktlose Rennen, in denen Teamkollege Bruno Senna viermal etwas Zählbares mit nach Hause brachte... weiter ungeklärt? "Wenn es gut läuft, klatscht dir jeder auf den Rücken - wenn es schlecht läuft, wendet sich jeder von dir ab", klagt Maldonado, der derzeit kaum ein Rennen ohne Strafe oder Verwarnung der Rennleitung beendet.

Aufgefallen ist ihm immerhin das ansteigende Interesse an seiner Person, wenngleich er es an seinem Erfolg und nicht an den Verfehlungen festmacht. "Bevor ich das Rennen gewonnen habe, kamen nicht so viele Journalisten zu unseren Presserunden - jetzt kommt ihr alle", strahlte der Williams-Mann. Dass dieser Umstand aber auch an seinen mittlerweile besonderen Beziehungen zu den Unfallgegnern Hamilton, Perez, Di Resta oder wie sie sonst eben heißen, liegen könnte, möchte er nicht glauben. Immerhin, die Hoffnung stirbt zuletzt - gerade auch, weil Maldonado immer wieder einem Brauch nachkommt, der dem Sprichwort nach für Besserung sorgen soll. In diesem Sinne: Mach Dir nichts draus, lieber Pastor - Scherben bringen Glück!