Auto

Der Start in die Saison 2012 machte Hoffnung. Im Vergleich mit seinem Vorgängermodell stellte der F1 W03 ein deutliches Upgrade dar. Vor allem im Qualifying waren die Mercedes-Piloten zu Saisonbeginn auf Augenhöhe mit den Top-Teams. Höhepunkte waren die Pole Position von Nico Rosberg in China und Michael Schumachers Bestzeit im Zeittraining von Monaco. Seit dem Rennen im monegassischen Fürstentum geriet Mercedes im unerbittlichen Entwicklungswettkampf mit den anderen Teams jedoch ein wenig ins Hintertreffen. Der Große Preis von Ungarn war mit den Startplätzen 13 und 17 der Tiefpunkt der Saison. Und die Qualifikation war noch die bessere Disziplin von Mercedes.

In den Rennen hatte Mercedes von Beginn an deutlich größere Schwierigkeiten. Dank eines starken Motors und dem ausgeklügelten Doppel-DRS verfügt das Auto über sehr guten Top-Speed. Doch die Power des V8-Aggregats erwies sich bislang als ein zweischneidiges Schwert. Im Qualifying war sie gut für eine schnelle Runde. Aber: Wegen der hohen Drehzahlen im mittleren Bereich kam es beim Beschleunigen offenbar zu vielen kleineren Durchdrehern und Rutschern, die sich in der Summe verheerend auf die sensiblen Pirelli-Pneus, insbesondere auf die Hinterreifen auswirkten. "Die Motorcharakteristik hat einen großen Einfluss auf den Abbau der Reifen", bestätigte Teamchef Ross Brawn. Den hohen Verschleiß bekam Mercedes während der gesamten Saison nicht vollständig in den Griff.

Hinzu kamen die Probleme in den Kurven. In den schnellen Biegungen gehörte der Mercedes ohnehin nicht zu den besten Autos. Alarmierend war es allerdings, dass Rosberg und Schumacher auch in den langsamen Kehren des Hungarorings hinterherfuhren. "Eigentlich ist unser Auto in langsamen und mittelschnellen Kurven gut", erklärte Brawn. "Die Kurven in Ungarn sind nicht schnell, aber sie sind lang, sodass unsere Piloten plötzlich Untersteuern bekommen haben und nichts damit anfangen konnten." Eventuell sei es sogar notwendig, Umbaumaßnahmen am Auto vorzunehmen, meinte er. Ist dem Problem in diesem Jahr überhaupt noch beizukommen? Schumacher klang nicht gerade optimistisch: "Ich glaube schon, dass wir in der Lage sind, es zu verstehen. Ob wir es beheben können, ist eine andere Frage."

Team & Fahrer

Mit Bob Bell, Geoff Willis und Aldo Costa versammelte Mercedes vor der Saison geballte Kompetenz in der Technik-Abteilung. Umso erstaunlicher ist die Pannenserie, die Schumacher in den ersten elf Rennen der Saison 2012 heimsuchte. Sechs Mal musste der 43-Jährige das Rennen vorzeitig beenden, in fünf Fällen war dafür ein technischer Defekt oder beim Rennen in Shanghai ein Versäumnis der Technik-Crew verantwortlich. Teamkollege Rosberg dagegen blieb von solchen Zwischenfällen weitestgehend verschont. "Warum die Probleme fast ausschließlich bei Michael aufgetreten sind, ist wohl nicht zu erklären", sagte Teamchef Brawn. "Es liegt jetzt an mir und dem Team, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschieht."

Der Höhepunkt: Nico Rosberg siegt in Shanghai, Foto: Mercedes AMG
Der Höhepunkt: Nico Rosberg siegt in Shanghai, Foto: Mercedes AMG

Schumacher seinerseits übernahm die Verantwortung für das total verpatzte Wochenende in Budapest. "Gewisse Rennen muss man einfach so hinnehmen, andere waren positiv für uns, dieses Mal ist es eben nicht so gut gelaufen", sagte er. Abgesehen von der unverschuldeten Pleitenserie und dem Ungarn-Fiasko wartete der Altmeister aber durchaus mit ansprechenden Leistungen auf. Neben der Pole in Monaco ist vor allem der Große Preis von Europa herauszuheben, als er mit Rang drei erstmals seit seinem Formel-1-Comeback wieder einen Platz auf dem Podest belegte. Im Vergleich mit Rosberg hat Schumacher vor allem im Qualifying aufgeholt. Die Bilanz von 5:6 liest sich deutlich besser als in den beiden Vorjahren, und auf nasser Fahrbahn war er sogar der stärkere der beiden Mercedes-Piloten.

Die Zahlen sprechen allerdings eindeutig für seinen jüngeren Mercedes-Kollegen. Rosberg führt im internen Vergleich mit 77:29 Punkten und hat zudem elf Zielankünfte und den souverän herausgefahrenen ersten Grand-Prix-Sieg in China, den ersten für Mercedes seit der Formel-1-Rückkehr, auf der Haben-Seite. Dass er im Duell mit Schumacher im dritten Jahr in Folge die Nase vorne hat, wird für den 27-Jährigen aber nur ein schwacher Trost sein. Während er sich im ersten Saisondrittel durchaus noch Chancen auf die WM ausrechnen durfte, tendieren die Chancen nach zwei Punkten aus den letzten drei Läufen inzwischen gegen null.

Ausblick auf die zweite Saisonhälfte

106 Punkte, Platz fünf in der Konstrukteurs-WM - so liest sich die Bilanz von Mercedes nach den ersten elf Rennen. Damit hinkt der deutsche Vorzeige-Rennstall der eigenen Zielsetzung, Platz drei in der Teamwertung, deutlich hinterher. Wenn allerdings die letzten Rennen ein Anhaltspunkt für die Leistungen in der zweiten Saisonhälfte sein sollten, geht es wohl eher darum, Platz fünf vor Sauber zu verteidigen, als große Sprünge nach vorne zu machen. Motorsportchef Norbert Haug bezifferte den Rückstand zur Spitze zuletzt mit einer halben Sekunde pro Runde. Doch gerade in der aktuellen Formel-1-Saison - der unberechenbarsten seit Jahren - kann sich das Kräfteverhältnis von einem Rennwochenende zum nächsten abrupt verändern.

Aber selbst, wenn sich Mercedes im Kampf um die vordersten Plätze auf verlorenem Posten befindet, Potenzial für das eine oder andere Highlight ist auf jeden Fall vorhanden, insbesondere, wenn es gelingt, die Schwachstellen des F1 W03 zu beheben. "Am besten wäre es, wenn das Auto schneller wird", meinte Schumacher. "Das ist aber nicht so leicht, wie es klingt. Wie im Schwabenländle gilt es jetzt: Schaffe, schaffe, Häusle baue." Ein positiver Saisonabschluss wäre in vielerlei Hinsicht wünschenswert. Sollte Schumacher das Gefühl haben, im kommenden Jahr in einem konkurrenzfähigen Auto zu sitzen, stehen die Chancen gut, dass der Rekordchampion noch zwei Jahre dranhängt.