Sebastian Vettel war nach seiner Strafe am Sonntag Abend in Hockenheim so enttäuscht, dass er gar nichts mehr sagen wollte. Auch seine Pressesprecherin Britta Roeske konnte ihn nicht umstimmen, wenigstens für die wartenden TV-Sender noch ein kurzes Statement abzugeben. Gut möglich, dass er sich auch zusätzlich darüber ärgerte, darauf vertraut zu haben, mit seinem Überholmanöver gegen Jenson Button irgendwie durchzukommen. Denn dass die Aktion zumindest grenzwertig gewesen war, war Vettel wohl ziemlich schnell klar - dafür sprach auch seine von Anfang an sehr defensive Erklärung, er habe ja nur eine mögliche Kollision vermeiden wollen.

Dass es im Nachhinein gesehen wahrscheinlich besser gewesen wäre, Button sofort wieder vorbei zu lassen und eventuell in der letzten Runde noch einmal eine Attacke zu versuchen oder eben notfalls Dritter zu werden als so, mit Strafe, nur Fünfter, diese Gedanken gingen dem Heppenheimer mit Sicherheit durch den Kopf. Wobei sein Red-Bull-Teamchef Christian Horner nicht ganz zu Unrecht anmerkte: "Wir müssen die Strafe akzeptieren, aber die Höhe passt halt nicht wirklich zum Ausmaß des Vergehens. Leider lässt das Regelwerk der FIA in diesem Fall keine andere Möglichkeit der Bestrafung zu."

Was Horner damit meinte: Auch für das Verursachen manchmal durchaus nicht ungefährlicher Kollisionen gibt es genauso eine Durchfahrtsstrafe oder eben nachträglich die 20 Sekunden Zeitstrafe wie jetzt für Vettel. Und dass Michael Schumacher in Valencia unter Gelb mit geöffnetem DRS unterwegs war und mit der Erklärung davonkam, er habe ja trotzdem verlangsamt, während Vettel und auch Felipe Massa in Barcelona für die Tatsache des offenen DRS an sich - ohne Ansehen der Umstände - bestraft wurden, hat man bei den Bullen noch nicht vergessen.

Dass der erneute Punktverlust gegen Alonso aber eine Vorentscheidung in der WM gewesen sein soll, davon will Horner noch nichts wissen. "Wir sind gerade mal bei Halbzeit der Saison, es sind noch zehn Rennen, wir haben ein sehr gutes Auto und Sebastian ist charakterlich und mental unglaublich stark, da bedeutet dieser Rückstand jetzt noch gar nichts."

Wer Vettel kennt, weiß spätestens seit 2010: Von Rückschlägen lässt sich der Weltmeister nicht entmutigen, sie machen ihn eher nur immer stärker. Und jetzt 44 Punkte Rückstand in noch zehn Rennen aufzuholen - das ist sicher einfacher als das, was er Ende 2010 schaffte: Da waren es nach seinem Ausfall in Korea zwei Rennen vor Saisonende 25 Punkte - und am Ende hieß der Champion dennoch Sebastian Vettel.

Sebastian Vettel muss wieder aufholen, Foto: Sutton
Sebastian Vettel muss wieder aufholen, Foto: Sutton

Einfach wird das allerdings nicht, denn WM-Spitzenreiter Fernando Alonso fährt derzeit absolut in der Form seines Lebens und Ferrari hat nach den Schwierigkeiten zu Saisonbeginn auch technisch aufgeholt. Bis jetzt hat der Spanier noch keinen einzigen Ausfall zu verzeichnen - was freilich zumindest statistisch gesehen eher bedeutet, dass der jetzt irgendwann fast zwangsläufig einmal kommen muss. Und neben Alonso müssen Vettel und Red Bull fürchten, dass sie in Zukunft mit ihrem technischen Trick, Auspuffgase zur Erzeugung zusätzlichen Abtriebs zu verwenden, nicht mehr durchkommen.

Auch Horner ist sich darüber im Klaren, "dass das ein Thema bleiben wird, dass da sicher auch schon auf der Sitzung der Technischen Kommission in dieser Woche darüber gesprochen wird." Aus FIA-Kreisen war auch schon zu hören, dass das Reglement "angepasst" werden soll. Gut möglich, dass Vettel schon am kommenden Wochenende in Ungarn auf diesen Effekt wieder verzichten muss. Wie viel das wirklich ausmacht, ist die andere Frage. Und ob es nicht ein zusätzlicher Faktor ist, um bei Vettel dieses "Jetzt erst recht"-Gefühl auszulösen, das ihn dann wieder noch ein bisschen stärker macht...