Heute bist Du der Star des Tages: Herzlichen Glückwunsch zum Erhalt der Bandini-Trophäe.
Bruno Senna: Vielen Dank! Es ist eine große Ehre für mich hier zu sein und diese Trophäe entgegenzunehmen. Die Auszeichnung bezieht sich ja in erster Linie auf das Potenzial der Fahrer und die Tatsache, dass Leute wie Sebastian [Vettel] und Lewis [Hamilton] diesen Preis in der Vergangenheit gewonnen haben, macht es zu einer zusätzlichen Motivation. Ich werde weiter attackieren - die früheren Preisträger haben später Rennen gewonnen und sich sehr gut geschlagen. Hoffentlich gelingt mir das auch und ich gelange ebenso auf diese Erfolgsspur.

Die ganze Stadt ist auf den Beinen, um Dich zu bejubeln...
Bruno Senna: Ja, es scheint wirklich so. Im Ort gibt es eine große Party. Normalerweise sind Sonntage hier wohl ein bisschen ruhiger, gerade in Italien. Aber es ist ein toller Grund, um aus dem Haus zu gehen und macht sehr viel Spaß. In Italien zu sein, ist immer schön - besonders natürlich an so einem schönen Tag wie heute.

Bei Williams hast Du dieses Jahr ein Auto, mit dem Siege möglich sind, wenn denn alles zusammenkommt. Was ist vor diesem Hintergrund das Ziel für den Rest der Saison?
Bruno Senna: In erster Linie geht es sicherlich darum, Punkte zu sammeln. Es ist mein erstes Jahr im Team und dass Pastor gewonnen hat, hat bei den Leuten jetzt natürlich hohe Erwartungen geweckt. Um wirklich zu gewinnen, muss aber schon alles zusammenpassen und das ist im ersten Jahr natürlich nicht einfach, nicht einmal mit so einem konkurrenzfähigen Team. Natürlich wären Podestplätze oder auch ein Sieg großartig, aber das wäre nur die Zugabe. Bisher konzentriere ich mich vornehmlich auf meine Zielvorgabe, die ich soweit auch erfülle und in mehr als 50 Prozent der Rennen Punkte hole. Davon will ich nun noch mehr und viel tiefer in die Punkteränge vordringen, aber man muss es eben Schritt für Schritt angehen. Letztes Jahr befand sich das Team in einer sehr schwierigen Situation und dieses Jahr machen sie einen tollen Job, also hoffen wir, dass wir weiter viele Zähler einfahren können.

Bruno Senna scheute den Kontakt zu den italienischen Fans in Brisighella nicht, Foto: Frederik Hackbarth
Bruno Senna scheute den Kontakt zu den italienischen Fans in Brisighella nicht, Foto: Frederik Hackbarth

Kann man sagen, dass Pastors Sieg für Dich persönlich in gewisser Weise ein Nachteil war, weil nun jeder sagt, dass man mit diesem Auto gewinnen kann? Das ist natürlich keine einfache Situation...
Bruno Senna: Es nicht einfach, ein Rennen zu gewinnen, sonst hätten sicherlich schon mehr Leute gewonnen. Der Teammoral hat Pastors Sieg aber mit Sicherheit einen großen Schub gegeben. Alle waren sehr glücklich und ich auch. Ich habe mich sehr für das Team gefreut, denn sie haben das nach so einer schwierigen Zeit verdient. Nun muss man nach vorne schauen und ich kann mich vor jedem Rennen darauf freuen, ein wettbewerbsfähiges Auto zu haben. Mit diesem Gefühl reise ich gerne zu den Rennwochenenden.

Warst Du nach dem problematischen Vorjahr, als sich Williams eher im hinteren Mittelfeld befand, überrascht, hier nun so ein gutes Auto vorzufinden?
Bruno Senna: Ich denke, was eher überraschend ist: Obwohl sich auch alle anderen verbessert haben, haben sie einen hervorragenden Job gemacht. Das ist nicht einfach, bedarf einer Menge Ingenieurskunst und vor allem auch Teamwork. Die Fahrer sind natürlich auch involviert, aber ganz allgemein ist es einfach schön, dass ich zu einem Zeitpunkt ins Team gekommen bin, an dem es wieder auf dem Weg nach oben ist.

Gibt es denn heute immer noch einen Nachteil durch das Boxenfeuer in Barcelona und inwieweit hat euch das zurückgeworfen?
Bruno Senna: Nein, das Team hat sich davon wirklich sehr schnell erholt. Mit Ausnahme eines Kollegen, der noch nicht wieder im Einsatz ist - er war aber schon in Silverstone, um uns zu besuchen und ist soweit wieder wohlauf. In denke, spätestens in ein paar Rennen sollte er wieder bei uns dabei sein und voll bei der Arbeit, das ist also gut.

Was steht nun vor Hockenheim noch an?
Bruno Senna: Es gibt viel zu tun. Ich muss noch in die Fabrik, für einige Meetings mit den Ingenieuren. Letzte Woche konnten wir das nicht machen, weil da der Young-Driver-Test stattfand. Anschließend fliege ich direkt nach Hockenheim, wir machen den Track-Walk und dann bin ich bereit und es kann wieder losgehen.

Hat sich Valtteri [Bottas] beim Nachwuchsfahrertest gut geschlagen? Dann musst die Augen offen halten...
Bruno Senna: Ja, Valtteri hat in Silverstone einen guten Job gemacht. Er ist ein sehr schneller Fahrer und lernt im Auto immer mehr dazu. Aber es gibt immer sehr viel Wettbewerb - ja nicht nur von ihm, sondern von allen, die im Moment versuchen, zu wechseln oder einen Platz zu finden.

Wie bewertest Du die Saison 2012 bislang?
Bruno Senna: Ich finde, die Rennen sind mit den Pirelli-Reifen immer sehr spannend und das ist sehr gut für die Zuschauer. Für die Fahrer ist es aber nicht einfach, denn man muss immer extrem aufpassen und die Reifen schonen. Wenn man auch nur einmal zu hart attackiert, dann hat man sehr bald große Probleme. Gerade, wenn man angegriffen wird oder auch selbst überholen möchte, ist das Fenster, in dem man sich bewegt, sehr klein.

Hand in Hand durch die Stadt: Senna erschien in Italien in Begleitung seiner Lebensgefährtin Charlotte, Foto: Frederik Hackbarth
Hand in Hand durch die Stadt: Senna erschien in Italien in Begleitung seiner Lebensgefährtin Charlotte, Foto: Frederik Hackbarth

Wie fällt zur Saisonhalbzeit Dein persönliches Fazit aus?
Bruno Senna: Natürlich ist es nicht die einfachste Zeit, um in die Formel 1 zu kommen, denn die Meisterschaft ist sehr hart umkämpft, die Qualität der Fahrer im Moment sehr hoch - es ist also eine große Herausforderung, im Moment erfolgreich zu sein. Auf der anderen Seite ist es der beste Wettbewerb. Wenn man jetzt dort erfolgreich sein kann, kann man immer erfolgreich sein. Etwas schwierig ist bei mir in diesem Jahr noch das Qualifying. Zum Teil liegt das aber auch einfach daran, dass alle anderen sich auf diesen Strecken schon einmal auf den Pirelli-Reifen qualifiziert haben, für mich ist es zumeist erst das zweite Mal auf der Strecke und das erste auf diesen Reifen.

Wo liegen die Schwierigkeiten genau?
Bruno Senna: Man muss mit dem Auto ja auch noch das Rennen fahren - macht man es also für das Qualifying sehr schnell, hat man vielleicht im Rennen ein Problem. Trotzdem macht man sich das Leben natürlich viel einfacher, wenn man weiter vorne startet. Es gibt natürlich noch viel zu lernen. In der zweiten Hälfte kommen wir aber wieder auf die Strecken, auf denen ich letztes Jahr schon war, dann sollte es einfacher werden. Aber es wird langsam sowieso schon besser, besonders wenn es darum geht, das Auto gut für das Rennen abzustimmen.

Wie ist die Erwartungshaltung für Hockenheim?
Bruno Senna: Wir waren dort, wo man viel Downforce braucht, eigentlich immer ganz gut - auf Hockenheim trifft das jetzt auch zu, also hoffen wir einmal, dass wir dort stark sind - auch mit den kleinen, neuen Teilen, die wir schon in Silverstone ans Auto gebracht haben.

Zum Ende ein Blick auf den Gesamtstand - wie siehst Du den Kampf um die Weltmeisterschaft?
Bruno Senna: Fernando [Alonso] hat mich dieses Jahr bisher am meisten beeindruckt. Er hat bislang einen herausragenden Job abgeliefert und auch Rennen gewonnen, als das Auto eigentlich nicht dazu imstande war. Er verdient es, im Moment ganz vorne zu stehen. Aber am Ende wird es sicher wieder knapp, denn Red Bull kommt bereits näher und für McLaren wird das auch gelten.