1. Was ist das RRA?

Beim Resource Restriction Agreement (RRA) handelt es sich um ein Abkommen aller Teams zur Kostenreduktion in der Formel 1. Bereits 2010 wurde es in seinen Grundformen in Singapur beschlossen und dient dazu, die Ausgaben der einzelnen Teams zu kontrollieren und dem Sport zu einem einheitlicheren, faireren und gesünderem Wettbewerb zu verhelfen - besonders das Stichwort Nachhaltigkeit wird in wirtschaftlich angespannten Zeiten großgeschrieben. "Das Konzept der Kostensenkung ist ein absolutes Muss für das langfristige Überleben der Formel 1", erklärt Vijay Mallya, seines Zeichens Besitzer von Force India.

Da der Ruf nach einer einheitlichen Regelung der Thematik immer lauter wird, hat sich mittlerweile mit der FIA auch die oberste Motorsportbehörde in die Verhandlungen unter den Teams eingemischt, um an der konkreten Reglementsfindung aktiv mitzuarbeiten - derzeit wird von allen Beteiligten fieberhaft an der Struktur des Abkommens gefeilt. McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh fordert: "Wir müssen ein Reglement aufstellen, das klüger und effizienter ist." Um zu gewinnen, geben die Teams ein Vermögen aus - nun sollen Mittel und Wege gefunden werden, das Geld einheitlich und auf vernünftige Weise einzusetzen, um Kostenexplosionen oder das Verpulvern von Ressourcen zu verhindern.

2. Wieso ist das RRA derzeit in aller Munde?

Zwischen Charlie Whiting und den Teams besteht immer Diskussionsbedarf, Foto: Sutton
Zwischen Charlie Whiting und den Teams besteht immer Diskussionsbedarf, Foto: Sutton

Am Donnerstag vor dem großen Preis von Europa in Valencia gab es ein Treffen, bei dem darüber diskutiert wurde, wie sich die Sparmaßnahmen bestmöglich im Reglement verankern lassen. Anwesend waren dabei nicht nur alle Teamchefs, sondern auch FIA-Renndirektor Charlie Whiting, der beim Meeting den Vorsitz hatte. Bereits beim letzten World Motorsport Council war festgelegt worden, dass man die Bestimmungen, die dann ab 2013 in Kraft treten soll, in ausgearbeiteter Form bis Ende Juni unter Dach und Fach haben will. Nun rinnt die Zeit - die bestehenden Probleme lösen sich nicht von alleine. "Wir brauchen ein Ressourcenlimit", erklärt Mercedes-Sportchef Norbert Haug. "Wer das nicht erkennt, der sieht nicht, was gerade los ist: Wir brauchen Limits, denn wir kennen ja die Budgets der mittleren und großen Teams."

Diese werden momentan zwischen kolportieren 300 und 25 Millionen beziffert, wobei Ferrari das meiste und HRT das wenigste Geld ausgeben soll. In Zeiten finanzieller Engpässe und der Eurokrise kämpfen die großen Hersteller dabei um vernünftige Langzeitlösungen, die kleinen Teams ums nackte Überleben. "Die wirtschaftliche Situation ist ein wichtiger Punkt", weiß auch Haug. HRT-Teamchef Luis Perez-Sala ergänzt: "Die großen Teams werden ihre Budgets reduzieren müssen, aber ich mache mir Sorgen um die kleinen Teams wie uns. Uns wird es ab 2014 schwer fallen, mit dem gleichen Budget wie jetzt auszukommen." Ein Hauptgrund dafür sind die dann kommenden neuen Motoren, deren Kosten nicht zu unterschätzen sind.

3. Welche Vorschläge werden genau untersucht?

"Es handelt sich um eine Liste von 20 bis 25 Punkten", verrät Williams-Teilhaber Toto Wolff. Dabei wird beispielsweise ein Verbot der Reifenwärmer ebenso diskutiert, wie die von Bernie Ecclestone und Ferrari favorisierte Variante, dass die großen Hersteller zukünftig Kundenchassis an die kleineren Teams verkaufen dürfen. Doch bereits hier zeigt sich die Problematik - die Meinungen der Involvierten gehen oftmals auseinander. Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery etwa würde die Abschaffung der Reifenwärmer begrüßen, stellt aber auch klar, dass die Umsetzung der Idee einige Planungszeit in Anspruch nehmen würde.

"Wenn die Teams diesen Plan tatsächlich in die Tat umsetzen wollen, dann sollten sie das schnell tun", erklärt der Reifen-Mann, der um die damit verbundenen Anforderungen an eine neue Gummimischung weiß. Mercedes-Teamchef Ross Brawn gibt zu bedenken: "Es ist eine wirtschaftliche Frage, denn die Reifenwärmer kosten ein paar hunderttausend Euro pro Jahr. Wir werden sie aber wohl ohnehin kaufen müssen, weil wir sie für die Testfahrten benötigen." Kimi Räikkönen sieht als Fahrer auch den Sicherheitsaspekt gefährdet. "Die Reifenwärmer einfach so abzuschaffen, wäre dumm und auf manchen Strecken auch gefährlich", mahnte der Finne.

Bekommen Boulliers Lotus-Mechaniker bald noch mehr zu tun?, Foto: Sutton
Bekommen Boulliers Lotus-Mechaniker bald noch mehr zu tun?, Foto: Sutton

Weitere Sparpunkte auf der Liste umfassen beispielsweise die vorgeschriebene Gesamtzahl von 315 Leuten im Team, die sich mit dem Auto beschäftigen dürfen. Die Anzahl der Mitarbeiter an der Strecke selbst ist parallel ein weiterer Diskussionspunkt, genauso wie der stetig anwachsende Rennkalender. Dabei scheint derzeit nahezu alles möglich, wurden zuletzt sogar Varianten mit 26 oder gar 38 Rennen pro Jahr diskutiert, wie etwa in der NASCAR-Serie.

"Bei über 20 Rennen muss man die Strukturen berücksichtigen. Als Team hat man schnell ein Personal-, Reise- und Logistikproblem. Fakt ist aber auch, dass mehr Rennen eben mehr Einnahmen für die F1 bringen", stellt Lotus-Teamboss Eric Boullier klar. Weitere Streitherde bietet die Einschränkung der Windkanal-Stunden (60 pro Woche) sowie der Windkanal-Versuche mit dem aktuellen Boliden und der Aerodynamik-Tests (jeweils vier Tage). Auch über die exakte Nutzung der Computerkapazitäten verhandeln die Teams hart, ebenso wie über die Frage nach konventionellen Streckentests während der Saison.

4. Wo liegen die Streitpunkte zwischen den Teams?

Franz Tost und seine Scuderia Toro Rosso könnten sich ebenso querstellen wie Schwesterteam Red Bull, Foto: Sutton
Franz Tost und seine Scuderia Toro Rosso könnten sich ebenso querstellen wie Schwesterteam Red Bull, Foto: Sutton

Jedes Team vertritt selbstredend seine ganz persönlichen und individuellen Interessen und will sein Fachgebiet auch zukünftig maximal ausnutzen. Während man bei Red Bull mehr auf Stardesigner Adrian Newey baut und sich vor allem gegen Einschränkungen bei der Aerodynamikentwicklung wehrt, ist zum Beispiel Mercedes als Vorreiter in Sachen Triebwerk in erster Linie darum bemüht, auch weiterhin mit voller Power am Antrieb arbeiten zu können. Auf Grund der Interessenkonflikte sollen sich die beiden Red-Bull-Teams derzeit auch noch dagegen sträuben, das RRA in Zukunft in die Hände der FIA zu legen.

Ganz abwegig scheinen die Befürchtungen Toro Rossos und Red Bulls dabei nicht zu sein, könnte mit der Finanzierung der Aerodynamik doch tatsächlich auch ihre Paradedisziplin beschnitten werden. Mercedes-Mann Haug richtete den Fokus jedenfalls gleich einmal auf das Steckenpferd der Konkurrenz, während er in puncto Aggregat weniger Spielraum gewähren wollte: "Wir können über die Aerodynamik und vieles mehr diskutieren. Es gibt viele Bereiche, in denen wir Geld sparen können - aber einen neuen Motoren zu entwickeln und zu bauen das verschlingt eben Geld." Toto Wolff bestätigt das enge Tauziehen: "Aktuell geht es noch darum, wer jetzt wo genau reduziert. Da hat das eine oder andere Team eben Vor- oder Nachteile."

5. Wie stehen die Chancen auf eine baldige Einigung?

In diesem Punkt beurteilt Wolff die Situation schon rosiger. Er geht nicht davon aus, dass zu einer Einigung unter den Teams noch sonderlich viel fehlt und ortet mehrere positive Signale. "Ich glaube, es sind sich fast alle Teams einig, dass wir die Kosten reduzieren müssen. Deshalb bin ich optimistisch, dass die Vernunft siegen wird und wir einen weiteren Schritt in Richtung Kostenreduzierung gehen - das wird passieren", so der Österreicher im heimischen Fernsehen. "Dass wir davon noch so weit entfernt sind, wie immer gesagt wird, glaube ich nicht. Wir brauchen aber ein Gesamtpaket, das eben auch Red Bull und Toro Rosso entspricht." Und das am besten möglichst schnell, bekamen die Teams nach der Valencia-Sitzung doch alle das Protokoll des Treffens zugeschickt und sollen dieses nun absegnen.

Anschließend sind auf Ebene der Formel-1-Kommission und des FIA-Weltrats bis spätestens zum 30. Juni Abstimmungen via Fax geplant. Der Grund für die baldige Deadline: Vor dem Stichtag reicht für einen Beschluss unter den Teams eine Mehrheit von 70 Prozent. Sollten sich die Red-Bull-Teams also sperren, könne man das RRA trotzdem durchdrücken. Anschließend wäre das im Falle von zwei Vetos schon bedeutend schwieriger und eigentlich eine Einstimmigkeit vonnöten. Im Falle eines positiven Ausgangs könnten dann auch endlich die mit dem Sparkurs eng verknüpften und in Stocken geratenen Verhandlungen über ein neues Concorde-Agreement für die Zeit nach 2013 fortgesetzt werden. Sorgen, dass die F1 aus den Tagungsräumen dieser Welt verschwindet, muss man sich also wohl keine machen.