Der Kritiker im Mittelpunkt der Kritik: Nun muss sich auch Vettel mit Vorwürfen auseinandersetzen, Foto: Sutton
Der Kritiker im Mittelpunkt der Kritik: Nun muss sich auch Vettel mit Vorwürfen auseinandersetzen, Foto: Sutton

Es läuft noch nicht für Sebastian Vettel - die neue Saison steht für den Red-Bull-Piloten bislang unter keinem guten Stern. Vor dem Hintergrund des überlegenen Weltmeisterjahrs 2011, war abzusehen, dass eine Fortsetzung oder gar die Steigerung der jüngsten Erfolge schwierig werden könnte. Doch etwas anders hatte sich der amtierende Champion seine Rückkehr an die Rennstrecken dieser Welt wohl schon vorgestellt. Die Überlegenheit des Vorjahres scheint weg - ja, auch die des Autos. Der RB8 ist noch nicht die Wunderwaffe, die Adrian Newey Vettel vor zwölf Monaten hingestellt hatte. Das nagt an den Nerven. Eine der alten Stärken des Heppenheimers, das Qualifying und die Konzentration auf diese eine schnelle Runde, in der alles zählt - 2012 noch nicht zu sehen.

Im teaminternen Duell am Samstag führt überraschend Stallkollege Mark Webber mit 2:0 - auch nach Punkten liegt der Australier nun sechs Zähler vorne. Bedingt ist dies durch Vettels Nullnummer in Malaysia: Auf Platz vier liegend schlitzte er sich beim Überrundungsversuch in Sepang seinen linken Hinterreifen am rechten Frontflügel von HRT-Pilot Narain Karthikeyan auf und fiel aus den Punkterängen heraus. Anschließend polterte Vettel los, zeigte dem Inder den Mittelfinger, bezeichnete ihn als Idioten, Gurke und Pfosten. Selbst die Berufswahl des Nachzüglers wollte er infrage stellen. Gut kam dieses unkontrollierte Verhalten im Fahrerlager nicht an. Gerade auch, da Vettel nicht den Anschein erweckte, einmal darüber nachzudenken, den Fehler auch bei sich selbst zu suchen. Droht ein Verfall in alte Muster?

Frustriert wegen schlechtem Saisonstart?

Rückblick: 2010 war der 24-Jährige schon genauso schnell wie heute. Was ihm fehlte war oftmals jedoch die Reife, die Geduld, letzten Endes auch die Einsicht. Kontroversen wie beispielsweise der Crash mit Teamkollege Webber in der Türkei kommen einem wieder in Erinnerung - auch damals war Vettel nach einem Überholvorgang äußerst selbstbewusst und schnell zurück auf Kurs Ideallinie gezogen - die Folgen sind bekannt. Webber machte zwar keinen Millimeter Platz - muss er aber auch nicht. Was die Veränderung seiner Rennlinie betrifft, gilt Gleiches auch für Karthikeyan. Wenn man überrundet, impliziert das, dass man deutlich schneller ist als das Auto vor einem. Folglich sollte es möglich sein, relativ leicht einen Weg an diesem vorbei zu finden, solange der Überrundete einen nicht mutwillig blockiert oder die Spur wechselt.

Das hat Karthikeyan nicht gemacht. Vettel muss also um ihn herumfahren, der HRT ist in dieser Szenerie das passive Element, Vettel selbst muss aktiv werden. Wurde er - nur eben zu aktiv. Es ist eine heute leider gängige Unsitte, instantan vor das Auto des Überrundeten zu ziehen. Findet auch Karthikeyan: "Einige dieser Jungs wollen einen beim Überrunden regelrecht verspotten. Sie kommen an und versuchen einen richtig aus dem Weg zu drängen, um sofort wieder zurück auf die Rennlinie zu kommen", ärgerte sich der Inder. Lohnen sich die zwei Sekunden, die man früher wieder auf der Ideallinie ist wirklich, um ein Formel-1-Rennen wegzuschmeißen und einen Unfall bei hohen Geschwindigkeiten zu riskieren?

Karthikeyan wehrt sich gegen die Kritik und erhält dabei viel Rückendeckung, Foto: Sutton
Karthikeyan wehrt sich gegen die Kritik und erhält dabei viel Rückendeckung, Foto: Sutton

"Beim Überholen können Missverständnisse vorkommen. Das muss Sebastian Vettel auch mal lernen", erklärte nach dem Malaysia-GP beispielsweise Hans-Joachim Stuck. Die Rennlegende ortet eine Menge Frust beim Deutschen. "Bei ihm ging es bisher immer nur nach oben und dass das jetzt nicht so ist, muss er erst einmal verkraften", glaubte der Bayer. An seinem Ausfall in Sepang trage er eine große Mitschuld, denn zu einer Kollision würden immer zwei gehören. Anschließend noch verbal nachzutreten, sei nicht die feine Art - es sei jedoch immer noch besser "Gurke" zu sagen, als beispielsweise "Arschloch", wollte Stuck die Sache mit Humor nehmen. "Wenn Sebastian Vettel mehr Platz gelassen hätte, wäre es nicht passiert."

Karthikeyan braucht kein Vettel-Zertifikat

"Beide haben zum selben Zeitpunkt beschleunigt. Das kommt mal vor, es ist ein Rennunfall", sprach sich der 61-Jährige dafür aus, die Sache ad acta zu legen. Zumal Karthikeyan sicher keine Absicht zu unterstellen sei. "Der muss nicht noch einmal zur Führerscheinprüfung", nahm Stuck den Inder in Schutz - dieser wehrte sich in den heimischen Medien derweil gegen die Vettel-Vorwürfe. "Ich glaube, er ist einfach äußerst frustriert, weil er gerade eine schwere Saison durchlebt", erklärte Karthikeyan dem Deccan Chronicle. "Es ist völlig unprofessionell, mich für den Vorfall verantwortlich zu machen. Seine abfälligen Bemerkungen rücken nur eine Person in ein schlechtes Licht - und das ist er selbst. Nur weil er ein gutes Auto hat, braucht er andere noch lange nicht als Idiot bezeichnen", konnte sich der HRT-Pilot eine Anspielung auf Vettels scheinbar stark vom RB8 abhängige Form nicht verkneifen.

"Ich habe auch schon Rennen in anderen Formelserien gewonnen. Ich brauche also mit Sicherheit kein Zertifikat von Sebastian Vettel", ärgerte sich Karthikeyan. Unterstützung erhielt er dabei von den Force-India-Piloten Nico Hülkenberg und Paul di Resta. Der Deutsche erklärte: "Ich kann nicht erkennen, dass es Narains Fehler war und verstehe folglich nicht, warum Sebastian solche Dinge sagt." Kollege Di Resta meinte: "Narain hat im Vergleich zu jemandem wie Vettel genauso viele Rechte auf der Strecke. Beide sind Formel-1-Fahrer und repräsentieren ihr Team." Ende der Woche muss Vettel bei Red Bull zum Rapport antreten - dann geht es um die ignorierte Teamorder in der Schlussphase des Sepang-Rennens: Eine Angelegenheit, die er erneut anders sah, als der Rest der F1-Welt. Es gab wahrlich schon angenehmere Tage im Leben des Sebastian V...