Kriegsrhetorik gehört seit jeher zum Geschäft, auch in der Formel 1. Der Gegner soll mittels verbaler Rundumschläge schon vor Beginn der Schlacht verunsichert und demoralisiert werden. Das ist in jedem kompetitiven Geschäft der Fall. Was jedoch in der Formel 1 momentan an rhetorischem Zweckoptimismus dargeboten wird, ist eher lächerlich denn eine ernstzunehmende Kampfansage.

Das Modewort derzeit lautet: Aggressiv. Im Angesicht der vergangenen Red-Bull-Dominanz scheint sich die Konkurrenz einig zu sein, dass nur ein "aggressives Vorgehen" eine Änderung herbeiführen kann. Doch was will nun mit derartigen Verbalphrasen bezweckt werden?

Große Ansagen, nichts dahinter

Aggressive Autos..., Foto: Sutton
Aggressive Autos..., Foto: Sutton

Ein Rückblick in die vergangene Sommerpause zeigt, wie große Ankündigungen ohne entsprechende Untermauerung durch Resultate in die Lächerlichkeit abdriften können. Zur Erinnerung: Red Bull schien damals seinen Vorsprung aufgebraucht zu haben, Ferrari und McLaren waren fast auf einer Höhe.

Wer im Nachhinein die Schlagzeilen liest, würde meinen, dass Red Bull mit dem Rücken zur Wand stand. Ferrari und McLaren haben mit Verbaloffensiven versucht, Red Bull kleinzureden, "aggressiv" wollten die Gegner gegen Sebastian Vettel vorgehen. Was war das Ergebnis? Nach der Sommerpause kamen alle zurück und Vettel holte den Sieg beim Großen Preis von Belgien trotz Reifenproblemen. Red Bull war den Rest der Saison wieder dominant. Die wahren Champions geben die Antwort auf der Strecke.

Hat man draus gelernt? Scheinbar nicht. Übereinstimmend ist bei McLaren und Ferrari von einer "aggressiven Herangehensweise" die Rede, die verbalen Hufen werden von vorne gescharrt. Man fragt sich, ob mittlerweile in den Sponsorenverträgen steht, dass das Wort "aggressiv" x-mal im Laufe eines Monats fallen muss, um mediale Aufmerksamkeit zu erlangen.

Aggressivität 2012

...aggressive Reifen..., Foto: Sutton
...aggressive Reifen..., Foto: Sutton

"Ich habe unsere Ingenieure mehrmals gefragt, ob sie sicher sind, dass wir den aggressivsten Weg eingeschlagen haben, der angesichts der Regeln möglich ist", tönt Stefano Domenicali herum. Fernando Alonso stößt ins selbe Horn: "Die Herangehensweise ist neu, aggressiver und alle sind etwas entschlossener, damit alles stimmt." Heißt das also im Umkehrschluss, dass Ferrari bisher nicht entschlossen war?

In Woking scheint man das Wort "aggressiv" schon seit längerer Zeit ins Herz geschlossen zu haben, dabei war Lewis Hamilton der beste Beweis, wozu übertriebene Aggressivität führt. Nichtsdestotrotz machen die McLaren-Chefs seit Wochen darauf aufmerksam, ein "aggressives Auto" zu bauen. Heißt das jetzt so viel wie "wir bauen in Ben-Hur-Manier Rasiermesser an die Räder"?

Zu allem Überfluss scheint nun auch noch Pirelli auf den Aggressions-Zug aufgesprungen zu sein. "Wir werden zu jedem Rennen aggressivere Mischungen liefern", heißt es beim italienischen Reifenhersteller. Scheinbar muss ein neuer Männlichkeitseuphemismus für die weiche Reifenmischung her. Machen wir uns also mal damit vertraut, dass die Teams künftig auf den "aggressiven Reifen" setzen werden.

Ein Auto bleibt ein Auto

...nur der Sieger hat es nicht nötig, Foto: Sutton
...nur der Sieger hat es nicht nötig, Foto: Sutton

Letztendlich zählt jedoch alle Aggressivität nichts, wenn man auf der Strecke keine Leistung bringt. Ein Auto bleibt ein Auto, egal wie viel Aggressivität man ihm andichten mag. Alle Teams entwickeln stetig, da macht es keinen Unterschied, ob man nun ein normales Entwicklungsprogramm oder ein aggressives Entwicklungsprogramm fährt, letztlich ist es ein und dasselbe, unterschiedlich verpackt. Und kein Reifen wird aggressiv, nur weil die Mischung verändert wurde.

Also, bitte, liebe Teams, liebe Hersteller: Lasst die Aggressivität auf der Rennstrecke heraus. Dort gehört sie hin, und nicht in die Pressemitteilungen! Es wird langsam wirklich lächerlich. Bezeichnend ist, dass Red Bull ohne jegliche überflüssige PR-Aggression derzeit das erfolgreichste Team ist. Die Entscheidung fällt auf der Strecke, nicht in den Interviews!