Pro: Nichts zu verlieren

von Frederik Hackbarth

Über die Weihnachtstage entspannte sich Mark Webber in seiner australischen Heimat beim Surfen und machte einen rundum zufriedenen Eindruck. So glücklich wie zu Saisonende 2011 hatte man den 35-Jährigen schon eine ganze Zeit lang nicht mehr gesehen. Vorausgegangen war in Brasilien ein positiver Jahresabschluss, der langersehnte erste Sieg 2011 und schon schien die schwierige Saison für den plötzlich gutgelaunten Webber abgehakt. Den Winter wollte der WM-Dritte zum Durchatmen nützen, um in seiner womöglich letzten F1-Saison 2012 dann noch einmal voll anzugreifen.

Australisches Stehaufmännchen: Webber hat nichts mehr zu verlieren, Foto: Red Bull
Australisches Stehaufmännchen: Webber hat nichts mehr zu verlieren, Foto: Red Bull

Fakt ist: Webber hat eigentlich nichts mehr zu verlieren, denn das hat er schon. Gegen Vettel sah er 2011 bereits mehr als alt aus - und genau das macht den Australier für kommende Saison so brandgefährlich. Eine erneute Vertragsverlängerung bei Red Bull ist zwar Ansporn, aber gleichsam unwahrscheinlich. Für den Routinier wird 2012 die letzte Chance auf den Titel im Top-Team - diese will er nützen. Dass er es kann, hat Webber 2010 bewiesen. Nach anfänglichen Querelen mit KERS, seiner Form und in erster Linie den neuen Pirelli-Reifen, hat sich Webber auch im Saisonverlauf des vergangenen Jahres deutlich gesteigert. Bester Beleg dafür: Aus den letzten fünf Rennen holte er mit 76 Punkten lediglich sieben Zähler weniger als Vettel.

Dass das schwache Jahr 2011 Spuren hinterlassen hat, glaubt im Fahrerlager kaum jemand. "Ich bin zu 100 Prozent sicher, dass Webber 2011 unter keiner mentalen Schwäche litt - damit hatten seine Probleme nichts zu tun", meinte beispielsweise Ex-Teamkollege Christian Klien und fügte an: "Ich kenne ihn nun schon einige Jahre. Er hat eine sehr starke Persönlichkeit." Auf die setzte auch Teamchef Christian Horner. "Er wird sich stark fokussieren und entschlossen sein, wieder zurückzukommen und ein starkes Jahr 2012 zu haben", so der Brite.

Mit Blick auf Vettels Dominanz bei Red Bull erklärte Horner: "Schlechtere Fahrer wären an diesem Druck zerbrochen, aber Mark ist nicht so. Er nutzt den Druck, um sich selbst zu motivieren und er wird für Melbourne so richtig heiß sein." Davon ist auch Webber selbst überzeugt.

"Es ist für manche schwer vorstellbar, wie bestimmte Fahrer wieder auferstehen sollen und andere ihre Form verlieren können. Aber das passiert - das passiert definitiv und man muss da sein, um das auszunutzen", so der 35-Jährige, der beteuerte, sich bei den ersten Tests auf den neuen Pirelli-Slicks komplett zu Hause gefühlt zu haben. "Nächstes Jahr wird anders sein als dieses. Ich bin mir einfach sicher, dass es so laufen wird. Ich bin sehr, sehr optimistisch und positiv, dass ich eine ganz starke Saison haben werde, denn ich fahre immer noch sehr gut und liebe den Rennsport", ließ der Red-Bull-Pilot keine Zweifel an seiner Motivation aufkommen.

Contra: 2012 wird Webbers letzte Formel-1-Saison

von Philipp Dunker

Mit dem Gewinn seiner ersten Fahrerweltmeisterschaft im Jahr 2010 hat Sebastian Vettel endgültig Mark Webbers teaminterne Gegenwehr gebrochen. Nachdem Webber 2010 insgesamt vier Laufsiege einfahren und die Weltmeisterschaftswertung bis zum drittletzten Saisonlauf anführen konnte, hatte er bereits bei den letzten Rennen 2010 Sebastian Vettel nicht mehr viel entgegen zu setzen. Der Druck, Weltmeister werden zu können, schien den Australier zu lähmen.

Ob man Mark Webber 2012 öfter vor Sebastian Vettel sieht bleibt zu bezweifeln, Foto: Red Bull
Ob man Mark Webber 2012 öfter vor Sebastian Vettel sieht bleibt zu bezweifeln, Foto: Red Bull

Dieser Trend setzte sich auch 2011 fort. Vettel erzielte mit dem gleichen Material insgesamt 11 Saisonsiege und fuhr 15 Pole Positionen heraus. Webber schnitt dagegen mit einem Sieg und 3 Pole Positionen eher schwach ab. Der Sieg in Brasilien wurde zudem durch technische Probleme am Red Bull des bis dahin führenden Teamkollegen begünstigt. Mark Webber musste 2011 bereits lange warten, bis seine Vertragsverhandlung um ein Jahr endlich in trockenen Tüchern war. Mangels Alternativen entschied sich die Teamführung von Red Bull dazu, mit Webber auch 2012 weiter zu arbeiten.

Mögliche Nachfolgekandidaten für Webber baut Red Bull 2012 mit Daniel Ricciardo und Jean-Eric Vergne beim Schwesterteam von Toro Rosso auf. Der französische Debütant Vergne ist sich bereits vor seinem ersten Formel-1-Rennen sicher: "Wenn ich für Red Bull fahren würde, würde ich keinen schlechteren Job als Mark Webber machen." Webbers ehemaliger Teamkollege David Coulthard sieht bei Red Bull teamintern Parallelen zu McLaren und Ferrari. "Es ist ein bisschen wie mit Hamilton und Massa - wenn man so einen starken Teamkollegen hat, dann wird es psychisch eben noch schwieriger."

Laut Coulthard müsse Webber in der Winterpause viel nachdenken. In Bezug auf die Fitness sei Webber weiterhin topfit, somit müsse er mental an sich arbeiten, um das Beste aus sich herausholen zu können. "Das Gehirn kontrolliert den Körper und nicht andersrum." Coulthard empfiehlt Webber deswegen für 2012 eine andere Herangehensweise als bisher.

In der abgelaufenen Saison stand der lange Australier besonders mit den neu eingeführten Pirelli-Reifen auf Kriegsfuß. Im Gegensatz zu Teamkollege Vettel verstand es der 35-Jährige bis Mitte des Jahres nicht, die Reifen optimal zu nutzen. Auffällig war auch Webbers eklatante Startschwäche, die ihn viele Positionen auf dem Weg in die erste Kurve gekostet hat. Kommende Saison wird für Webbers Formel-1-Zukunft entscheidend sein. Nachdem sich bereits 2011 lange Gerüchte über das möglicherweise bevorstehende Karriereende gehalten haben, beteuerte Webber zuletzt, dass er seine Karriere bei Red Bull beenden wird. Das wird Ende 2012 mit dann 36 Jahren der Fall sein.