Die Formel 1 hat in 61 Jahren viele verrückte Dinge und durchgeknallte Typen erlebt. Das Motorsport-Magazin wagt einen Blick in seine berüchtigte Kristallkugel:

Das F1-Auto der Zukunft

Eigentlich gibt es das Formel-1-Auto der Zukunft bereits. Sein Debüt feierte es in der Saison 2010 unter dem Namen Virgin Racing VR-01. Das jedenfalls glaubt ein englischer Computerfreak mit dem Namen Nick Wirth. Da wir uns allerdings nur schwer vorstellen können, dass die Zukunft der Königsklasse des Motorsports - oder in diesem Zusammenhang irgendeines anderen fahrbaren Untersatzes auf Rennstrecken oder im Straßenverkehr - darin besteht, einen zu kleinen Tank zu besitzen und bei voller Fahrt in seine Einzelteile zu zerfallen, haben wir noch etwas tiefer gegraben und erstaunliche Entwicklungen aufgedeckt.

Mike Gascoyne steht auf Computer, Foto: Sutton
Mike Gascoyne steht auf Computer, Foto: Sutton

So ist anders als Wirth behauptet, nicht CFD (das sich allein schon durch die Bezeichnung "Computational Fluid Dynamics" disqualifiziert) die Zukunft des Rennwagenbaus, sondern SCD (nein, nicht "Safety Car deployed"). Erfunden hat es Virgin-Rivale Mike Gascoyne, der mit Team Lotus (oder wie auch immer das Team in Zukunft heißen mag) mal wieder neue Wege beschreitet. Im letzten Jahr brachte Lotus die F1 den Fans näher, indem der Technikchef selbst vom Kommandostand twitter-Nachrichten versendete. In diesem Sinne lässt Gascoyne zukünftige Autos nur noch über Facebook und twitter entwerfen. Der Gegenentwurf zu CFD nennt sich "Social Community Design" (SCD).

Etwas mehr am Erfindergeist früherer F1-Epochen orientiert sich Colin Kolles. Da die Diskussion über breitere Reifen und größere Felgen nicht mehr besonders originell ist, entsinnt er sich des sechsrädrigen Tyrrell P34. Allerdings sind sechs Räder seitdem in der F1 verboten, also sagt sich HRT: Wozu überhaupt Räder, die kosten doch nur unnötig Geld! Da die Pirelli-Reifen ohnehin nichts taugen, nach zweieinhalb Kurven ruiniert sind und bis zu sechs Sekunden verlieren, tritt HRT komplett ohne Gummis an - dann spielt es auch keine Rolle mehr, dass die Dämpfer noch zwischen dem amerikanischen und spanischen Zoll hin- und herpendeln.

Die Zukunft der F1 hat einen Namen: Virgin Racing VR-01, Foto: Virgin Racing
Die Zukunft der F1 hat einen Namen: Virgin Racing VR-01, Foto: Virgin Racing

Obwohl Lotus und HRT damit die Entwicklungsrichtung der zukünftigen F1-Boliden maßgeblich vorgeben, gibt es noch einen dritten entscheidenden Schlüsselfaktor - nennen wir ihn den "USF1-Approach": Toaster. Die cleversten F1-Designer haben sich schon immer von Werken ihrer genialen Kollegen inspirieren lassen. Wenn also der Brabham-Staubsauger aus der Feder von Gordon Murray Niki Lauda 1978 zum Sieg beim Schweden GP in Anderstorp verhalf (und so überlegen war, dass er daraufhin von der FIA verboten wurde) sowie der USF1-Toaster die F1-Welt revolutioniert hätte, wenn sich nicht die ganze Welt gegen Peter Windsor und Ken Anderson verschworen hätte, warum sollten die Chefdesigner und Aerodynamiker nicht auch die Funktionsweisen weiterer Haushaltsgeräte genauer unter die Lupe nehmen und diese in Betracht ziehen?

"Blown diffuser" und "blown rear wing" waren gestern, man bedenke, was man mit einem kräftigen Fön nicht noch alles gehörig anblasen könnte... Dann wäre da noch ein handelsüblicher Quirl. Damit lassen sich wunderbar Luftverwirbelungen erzeugen, um nachfolgende Autos zu verlangsamen; quasi der Nachfolger der "Dirty Air" - die "Quirly Air". Oder ein moderner Blueray-Player. Anstelle eines Flywheels dreht sich eine Disc munter im Kreis und erzeugt so genügend Energie, um KERS und die neue Weihnachtslichterketter anzutreiben, die um den Frontflügel verläuft - so sind endlich auch in Korea, Australien und Malaysia Rennen nach Einbruch der Dunkelheit ohne Flutlicht möglich.

USF1 hat es vorgemacht: In der Formel 1 gibt es nichts was es nicht gibt, Foto: Sutton (Fotomontage)
USF1 hat es vorgemacht: In der Formel 1 gibt es nichts was es nicht gibt, Foto: Sutton (Fotomontage)

Auch die FIA bedient sich im Haushaltswarensortiment ihres Vertrauens und erweitert Jo Bauers Prüfgeräte-Arsenal beim Scrutineering um ein Bügeleisen. Damit werden die flexiblen Frontflügel von Red Bull bei jedem Boxenstopp wieder gerade gebügelt. Aus dem äußerst beliebten Grund der Kostenlimitierung wird der Einsatz von Flow-Viz-Farbe verboten - sprich bunt angesprühten Hecks der Autos, um die Strömung zu überprüfen. Umso beliebter ist dafür Lebensmittelfarbe (ja, mit der zum Beispiel Ostereier gefärbt werden), um die fünfzehn verschiedenen Farbmarkierungen für die zukünftigen Pirelli-Reifenmischungen anzubringen.

Um dem Sprühverbot entgegen zu wirken erinnern sich die klugen Köpfe der Teams an ein anderes, vor einigen Jahren in F1-Kreisen regelmäßig eingesetztes Equipment: Peitschen. Zwei, drei am Heckflügel montierte Peitschen erfüllen denselben Zweck wie die Farbe, zeigen die Strömung auf und sehen nicht ganz so dämlich aus wie die mittlerweile übliche Buckelnase am McLaren. Wer diesen Trend in welchem Keller ins Rollen brachte, dürfen wir leider auch in der Zukunft nicht erwähnen...

Die F1-Gimmicks der Zukunft

KERS-Boost, verstellbare Heckflügel, Piepssignale beim Schalten und Flügelverstellen - sind die heutigen F1-Fahrer nur ferngesteuerte Statisten? Nicht umsonst sagte Niki Lauda vor einigen Jahren, dass selbst ein Affe die modernen F1-Autos fahren könne - bevor er sich bei einem Jaguar-Test Anfang 2002 auf seinen ersten drei Runden zwei Mal drehte. Um die vollkommene Überlastung der bedauernswerten "besten Piloten der Welt" zu verhindern, führt die FIA zukünftig ein Einheitslenkrad ein, das nur noch maximal zwei Knöpfe pro Hand erlaubt, die zudem mit den dicken Handschuhen leicht bedienbar sein müssen.

Die Ausschreibung gewinnt Fisher-Price im Handumdrehen, da sie in der Produktsparte Baby-Spielzeug bereits genau das richtige Lenkraddesign auf Lager haben. Mit der Einführung der Plastiklenkräder mit ebenso großen wie bunten Knöpfen geht das Verbot von WLAN-Routern im Cockpit einher - damit konnten die Fahrer während des Rennens noch einmal schnell im Internet die Funktionen der 142 Knöpfe nachschlagen.

Bernie Ecclestone hätte sich für den Kurs in Austin wohl noch einen Looping gewünscht, Foto: formula1unitedstates.com
Bernie Ecclestone hätte sich für den Kurs in Austin wohl noch einen Looping gewünscht, Foto: formula1unitedstates.com

Die F1-Strecken der Zukunft

Aber nicht nur die Autos werden verändert, auch die Rufe der Fans sowie F1-Experten nach neuen Strecken werden erhört. Die erste Idee stammt direkt von Bernie Ecclestone: "Warum soll man es nicht zur Mitte eines Rennens 'regnen' lassen - 20 Minuten lang, oder für die letzten zehn Runden. Vielleicht mit einer zweiminütigen Vorwarnung." Auf Anweisung des Regenmanns werden auf allen Strecken Sprinkleranlagen installiert, aber nicht nur das: Hermann Tilke erinnert sich an seine erste Carrera-Rennbahn zurück und entwirft für die neuen Kurse einige Zusatzfeatures. Die Strecke in Austin, Texas erhält eine Steilkurve mit einem Neigungswinkel von 92 Grad sowie einen Looping - immerhin könnten F1-Autos theoretisch ja ab einer Geschwindigkeit von 180 km/h in bestem Men-In-Black-Stil kopfüber an der Decke entlang fahren.

Der neue Kurs in Russland wird mit einer Engstelle sowie einem erzwungenen Spurwechsel versehen, der nur in zuvor festgelegten Zonen der Strecke erlaubt ist, die per Blinksignal auf dem digitalen Visierdisplay des Fahrers eingeblendet werden. Auch ein Kreisverkehr in der Boxenein- und Ausfahrt gehört auf den neuen Kursen zum guten Ton. Nach einer groß angelegten Kampagne der Motorsport-Magazin Chefredaktion kehrt die Formel 1 auch nach Magny Cours und Spielberg zurück, um den Kuhfaktor in der Königsklasse zu steigern. In Österreich droht jedoch Ungemach: Um den Doppel-Looping mit Pyro-Effekten bei der Ein- und Ausfahrt umzusetzen, müssen zwei Erdwälle aufgeschüttet werden, was bei einem Anrainer zu erbitterten Protesten führt.

Die F1-Motoren der Zukunft

Vier Zylinder, Turbo und Biosprit, ja sogar Diesel schlossen die Regelhüter für das zukünftige F1-Motorenreglement nicht aus. Tatsächlich geht es aber noch viel weiter: Die Formel 1 erfüllt Max Mosley seinen lang ersehnten Traum und wird grün - in Zukunft müssen alle Motoren grün angemalt werden. Dafür dürfen dann aber nicht nur Turbomotoren, sondern richtige Flugzeugturbinen wie in Dragstern eingesetz werden - so lange sie eine Bedingung erfüllen: nach der experimentellen Erprobung auf den spanischen Autobahnen dürfen nun auch die F1-Motoren die Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h nicht überschreiten. "Da wird es schwierig, wach zu bleiben", kritisiert Fernando Alonso.

Für eine Übergangsfrist müssen die Motoren zwei Jahre lang eingesetzt werden. Danach müssen sich Teamkollegen jeweils einen Motor teilen und mit je einer Hälfte starten, wenn sie denn anspringt. Die beiden Hälften werden zwischen den 35 Saisonrennen (aus Bernies Sicht leider immer noch knapp unter der Zielzahl des NASCAR-Vorbilds) in portablen Minikühlschränken eingefroren. Um Manipulationen und Gefrierbrand vorzubeugen, werden die Kühlschränke nach den Rennen verplombt und rund um die Uhr von Webcams überwacht, die live ins Internet gestreamt werden. Fans können für die Ice-Cams 24/7 Online-Video-Pässe im Gegenwert eines richtigen Kühlschranks erwerben.

Der Ausblick auf die Zukunft der F1 stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: