Es herrscht reges Treiben in den engen Gängen der Renault-Box. Die Autos sind aufgebockt, die Motorabdeckungen abgenommen, Werkzeug über den Boden verstreut und ein Wust an Mechaniker werkelt pro Wagen unermüdlich daran, das richtige Setup einzustellen. Fahrzeugnasen werden hin und her getragen. In der Ecke sitzen Ingenieure dicht gedrängt, tippen auf ihren Laptops und analysieren Daten. Direkt daneben bereiten Mechaniker die Reifen auf den nächsten Einsatz vor. Einmal um die Ecke kommt uns schon wieder ein Mechaniker mit einem Frontflügel entgegen.

Es folgt ein kleines Ausweichmanöver, rechts herum und ein weißer Vorhang versperrt den Blick in die Motorensektion der Box. Die Aussage ist klar: "Das ist Geheim!" Die Box eines Formel-1-Teams ist eindeutig kein Ort, um im Weg herum zu stehen. Jeder Handgriff muss sitzen, jede Einstellung am Auto zu einhundert Prozent stimmen. "Das Setup ist extrem wichtig, das wird in der Formel 1 etwas unterschätzt", erklärt Mercedes GP-Pilot Nico Rosberg dem Motorsport-Magazin.

Ein gutes oder ein sehr gutes Setup mache einen enormen Unterschied aus. Mit einem gut ausbalancierten Rennauto kann der Fahrer viel schneller fahren, als mit einem Auto, das nicht perfekt passt. Schon zu Zeiten von Alain Prost war das so: "Meine absolute Besessenheit galt der bestmöglichen Abstimmung des Autos, so dass ich im Rennen mit nur 90% meiner Fähigkeiten fahren konnte." Das war für ihn der beste Weg, immer noch ein bisschen etwas in der Hinterhand zu behalten.

Gesucht: Das perfekte Setup

Die Suche nach dem perfekten Setup beginnt bereits lange vor der Anreise zu einem Rennwochenende. Bei bekannten Strecken baut das Team auf die Daten aus den Vorjahren und lässt diese durch den Simulator noch einmal für das neue Auto und veränderte Regeln hochrechnen. Aber selbst auf neuen Strecken wirft der Computer eine sehr gute Tendenz für die Fahrzeugabstimmung aus. "Auch hier kommst du mit einem Setup an, dass sehr nah am Optimum liegt", betont Rosberg. Nur spezielle Faktoren wie Bodenwellen, die entscheidend für die Einstellung der Fahrhöhe sind, kennt das Team vor dem ersten Rennen auf einer neuen Strecke nicht. "Aber das ist einfach zu finden", wiegelt Rosberg ab.

Keine Zeit zu verlieren: In der Boxengasse herrscht immer ein reges Treiben, Foto: Sutton
Keine Zeit zu verlieren: In der Boxengasse herrscht immer ein reges Treiben, Foto: Sutton

Bereits auf der ersten Installationsrunde spürt er, was Sache ist. "Es ist oft so, dass ich nach langsamen Installationsrunden reinkomme und sage, wir müssen etwas verstellen, weil das Auto nicht liegt." Aber was genau verstellen die Ingenieure zwischen den Runs? Dämpfer, Federn, Sturz, Reifendruck und Differenzial - an einem F1-Auto gibt es beinahe unendlich viele Einstellungsmöglichkeiten. Die meisten Veränderungen betreffen die aerodynamische Balance, aber auch mechanische Verstellungen sind nicht selten. "Am Freitag dreht sich fast alles um die Balance", erklärt Mercedes GP-Aerodynamiker Arron Melvin.

Die Herangehensweise ist genau festgelegt: In der Fabrik wird eine bestimmte Spezifikation festgelegt, deren Effizienz an der Strecke überprüft wird. Doch die Zeit ist begrenzt: Das Team muss genau abwägen, welche neuen Teile getestet werden und wie viel Zeit für die Abstimmung verwendet wird. "Normalerweise stimmen wir die Autos so ab, dass sie die optimale Rundenzeit erzielen können, also eher mit Blick auf guten Kurvenspeed", erklärt der leitende Renningenieur von Renault, Alan Permane. Die meiste Zeit lässt sich in langsamen Kurven finden. Der Umfang der Setup-Änderungen schwankt. "Manchmal sind es große Umstellungen, manchmal nur feine Änderungen", sagt Rosberg.

Aerodynamik als Schlüssel

Die größten Änderungen betreffen die Aerodynamik und die Gesamtsteifigkeit des Autos. Dabei arbeitet das Team fast ausschließlich mit Verstellungen am Frontflügel, der Heckflügel ist fast standardisiert und durch die vorberechneten Abtriebswerte festgelegt. "Am meisten wird mit den elektronischen Einstellungen des Differenzials gebastelt", sagt Rosberg. Die Dämpfer rührt das Team am Rennwochenende selten an. Zu gut sind die Simulationswerte, als dass man sich damit beschäftigen müsste. Stattdessen wird die Voreinstellung beibehalten.

Auch Lewis Hamilton weiß um die Wichtigkeit der perfekten Kommunikation zwischen Fahrer und Team, Foto: Sutton
Auch Lewis Hamilton weiß um die Wichtigkeit der perfekten Kommunikation zwischen Fahrer und Team, Foto: Sutton

"Unglaublichen Spielraum bietet die Fahrhöhe", staunt selbst Rosberg. "Da geht es um einen halben Millimeter - das ist für mich unbegreiflich." Denn die Ingenieure stellen Rosbergs Silberpfeil nicht nur exakt um einen halben Millimeter höher oder tiefer ein, wobei die Höhenverstellung meistens nur vorne erfolgt, sondern er bemerkt den Unterschied auch auf Anhieb auf der Strecke. "Ich fahre raus und spüre sofort, dass der halbe Millimeter verändert wurde." Damit dürfte auch klar sein, warum F1-Neulinge in Zeiten des Testverbots zu Beginn ihrer Rookiesaison durchaus etwas überfordert sind. Immerhin müssen sie nicht nur die Strecken, das Team und das Auto kennen lernen, sondern gleichzeitig auch noch ihr Diplom in der Wissenschaft des Formel-1-Setups machen.

Kein Wunder, dass Alain Prost früher "Der Professor" genannt wurde. Sein Tipp an junge Rennfahrer lautet: "Ein Anfänger sollte zunächst so viele Runden wie möglich drehen, ohne sich um andere Fahrer zu kümmern." Er müsse versuchen, alles über sein Auto zu erfahren und systematisch Schlüsselkomponenten verändern, um so herauszufinden, wie dies den Wagen beeinflusst - sprich: einen anderen Stabilisator ausprobieren, die Federhärte variieren, den Abtrieb verändern. Prosts Warnung: "Auf diesem Niveau kannst du wahrscheinlich eine Sekunde pro Runde durch talentiertes Fahren gutmachen, aber dreimal soviel durch fehlerhaftes Einstellen des Wagens verlieren."

Gute Kenntnis erforderlich

Ein F1-Fahrer muss alle Einstellmöglichkeiten an seinem Auto kennen, er muss wissen, wie er sein Arbeitsgerät so einstellen kann, damit er das bestmögliche Ergebnis erzielt. "Ich kenne mein Auto in- und auswendig", bestätigt Lewis Hamilton dem Motorsport-Magazin. "Klar, ich muss nicht wissen, wie der Dämpfer genau eingestellt sein muss, welchen Druck das Team wählt." Als Fahrer müsse er nicht die exakten Zahlen für den vorderen Stabi oder die Federn wissen, aber er muss absolut alles verstehen, was mit dem Setup des Autos zu tun hat. "Ich persönlich verlasse mich nicht ausschließlich auf meinen Renningenieur und sage ihm: Ich habe dieses Problem, bitte behebe das - und dann macht er alles im Alleingang."

Stattdessen macht Hamilton Vorschläge, wie die Ingenieure das Fahrverhalten seines McLaren verbessern könnten. "In 99 Prozent der Fälle liege ich richtig." Dieses Verständnis für die Technik und das Auto entwickelt ein Fahrer allerdings nicht über Nacht. Es entsteht über einen langen Zeitraum und wächst mit den technischen Neuerungen. "Mir macht das sehr viel Spaß", sagt Rosberg. Der Deutsche steckt viel Energie in die technische Seite seines Jobs. Manchmal liegt er abends im Hotelzimmer auf dem Bett, grübelt über das Setup nach oder brütet über ausgedruckten Datenblättern. Sein Ziel ist es, an jedem Wochenende die Perfektion zu erreichen.

Rosberg hat dafür die besten Voraussetzungen, immerhin hätte er die Rennfahrerkarriere beinahe zugunsten eines Aerodynamikstudiums aufgegeben. Dieses mathematische und physikalische Denken hilft ihm als Rennfahrer sehr. "Letztlich ist alles Physik", sagt er. "Ich würde nie eine Änderung vornehmen, ohne zu verstehen, was dann passiert." Natürlich streitet er sich nicht mit seinen Ingenieuren, doch ist es ihm wichtig, diesen klar zu machen, dass er, der Fahrer, der Chef ist und dass er die letzte Entscheidung trifft.

Diese Form der Zusammenarbeit funktioniert für Rosberg perfekt. "Ich bin überzeugt, dass dies eine meiner Stärken ist." Auch Nick Heidfeld gilt als ein Fahrer, der sich tief in die Materie einarbeitet und voll reinhängt. Wer mit ihm zusammenarbeitet, darf sich auf eine lange Datenanalyse einstellen. Der Spaß kommt bei all der Setup-Feilerei dennoch nicht zu kurz: "Ab und zu wechselt man mal aus Spaß ein Rad", verrät Heidfeld. "Ein ganzes Auto könnte ich aber nicht zusammenbauen." Dafür haben die Fahrer ja ihre Jungs, die für den ultimativen Wuselfaktor in der Box sorgen.

Die Vorstellung der Setup-Arbeit stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: