Der Große Preis von Brasilien war der Abschluss einer Formel-1-Saison, die in Bezug auf die Strategie, vor allem auf Grund der Pirelli-Reifen, ein anderes Schema als die Vorjahre mit sich brachte. Hinzu kam der DRS-Heckflügel, der das Überholen für die Fahrer einfacher machte, so dass schnelle Autos, die nach einem Boxenstopp hinter langsamere Kontrahenten zurückgefallen waren, beim Überholversuch weniger Zeit verloren. In den ersten Rennen dieser Saison bedeutete die Art und Weise, wie die Boliden die Reifen nützten, dass diese sehr schnell verschlissen und die Performance der Pneus bereits nach wenigen Runden dramatisch einbrach, weswegen es zu vielen Boxenstopps kam.

Im weiteren Verlauf des Jahres lernten die Teams aber immer mehr über das Verhalten der Reifen dazu und konnten die Haltbarkeit steigern. Auch wenn es wie ein Jahr des Wandels wirkte, wird spätestens bei der Analyse der ersten sechs bis acht Startplätze im Vergleich zu den Positionen im Ziel klar, dass der Unterschied zu letztem Jahr gar nicht so groß ist. Vettel und Webber kommen normalerweise ungefähr dort an, wo sie auch losgefahren sind, genauso wie die McLarens. Alonso macht im Regelfall ein bis zwei Plätze gut und Schumacher qualifiziert sich immer ein bisschen zu weit hinten, kommt im Rennen dann aber doch auf die Positionen nach vorne, auf denen er bereits nach dem Zeittraining hätte liegen müssen.

Schluss, aus & vorbei: Bis zum Test-Auftakt im kommenden Februar stehen die Räder in der Königsklasse erst einmal still, Foto: Sutton
Schluss, aus & vorbei: Bis zum Test-Auftakt im kommenden Februar stehen die Räder in der Königsklasse erst einmal still, Foto: Sutton

Trotz der Pirelli-Reifen und des DRS-Flügels hat sich am Rennausgang also gar nicht so viel geändert. Wie er allerdings zustande kommt, ist auf Grund der vielen Überholmanöver und dem größeren Anteil an Rennstrategie, viel interessanter geworden. So wirkten die Rennen in jedem Fall fesselnder. Anstatt dass jeder mit der gleichen Strategie fährt, wie es letztes Jahr oft der Fall war, versuchen die Fahrer nun verschiedene Strategien. Es fahren nicht mehr alle das ganze Rennen lang aufgereiht, sondern die Autos können sich während des Rennens um Positionen verbessern oder nach hinter fallen, wodurch mehr Bewegung in die Reihenfolge kommt. Dadurch entstehen enge Situationen und Kämpfe, so wie die Duelle zwischen Massa und Hamilton oder Alonso und Webber, die wir in diesem Jahr genießen konnten.

Wenn die führenden vier Teams in puncto Pace genauso nahe beieinander wären, wie es die Mittelfeld-Teams sind, würden sich einige richtig interessante Rennen ergeben. Der Kampf im Mittelfeld war dieses Jahr wirklich aufregend und oftmals wurde die Rennstrategie benützt, um signifikante Vorteile zu erzielen. Insbesondere Toro Rosso und Sauber konnten im Vergleich zu ihrer Qualifikations-Position so oftmals viel weiter vorne ins Ziel fahren und auch Force India schaffte es, viele Punkte von Startplätzen jenseits der Top-10 zu holen. In Bezug darauf, wie verschiedene Teams in diesem Jahr ihre Reifen eingesetzt haben, gab es auch große Unterschiede.

Im Mittelfeld ging es bisweilen recht eng zu, Foto: Lotus Renault
Im Mittelfeld ging es bisweilen recht eng zu, Foto: Lotus Renault

Wozu es allerdings nicht kam, war ein Punkt, an dem sich die weichen und die harten Reifen überlagerten, um so eine Vielzahl an Möglichkeiten zu bieten, wie man sie im Rennen hätte einsetzen können, indem man die längere Zeit auf den harten Reifen hätte fahren können und nur einen kurzen Stint auf den weichen Pneus. "Die weicheren Reifen, die superweichen und weichen, müssen notwendigerweise schnell, aber auch genauso schnell im Abbau sein", sagt Paul Hembery. "Der mittlere und der harte Reifen muss langsamer sein, aber stabiler - so muss man im Prinzip ausarbeiten, wie viele Runden man es versucht, ehe man lieber auf dem anderen Reifen fährt." Es ist wichtig, dass Pirelli nächstes Jahr aber eine Überschneidung hinbekommt, da die Strategien sonst etwas eintönig werden könnten.

Drei Stopps gegen zwei Stopps in Brasilien

In Brasilien entschieden sich die Teams an der Spitze bereits vor dem Rennen, dass der beste Weg eine Drei-Stopp-Strategie sein würde und teilten den Grand Prix in drei Stints von ungefähr 20 Runden auf den weichen Reifen auf, um dann noch einen kurzen letzten Stint auf den langsameren Medium-Reifen anzuhängen. Auch Jenson Button absolvierte drei Stopps, ging die Sache aber anders an, wie wir später noch herausfinden werden. Viele der Mittelfeld-Teams dachten hingegen, dass zwei Stopps möglich wären und für einige von ihnen zahlte sich das sogar aus, denn Di Resta und Kobayashi holten mit ihrer Taktik Punkte.

Jenson Button setzte wieder einmal auf eine andere Strategie als die unmittelbare Konkurrenz, Foto: McLaren
Jenson Button setzte wieder einmal auf eine andere Strategie als die unmittelbare Konkurrenz, Foto: McLaren

Der Medium-Reifen erwies sich im Training und Qualifying als ungefähr 0,8 Sekunden langsamer pro Runde, als die weiche Mischung. Im Rennen handelte es sich bei diesem Unterschied für die meisten Teams aber nur noch um eine halbe Sekunde - mit Ausnahme von Ferrari, die mit ihrer Pace auf den harten Pneus wieder einmal strauchelten. Button wurde dazu gezwungen, zwei Stints auf dem Medium-Reifen zu absolvieren, weil sich sein dritter Satz weicher Reifen am Samstag als nicht besonders gut herausstellte. Als Button in Runde 31 auf die härtere Mischung wechselte, fuhr er dieselben Rundenzeiten wie Alonso auf den weichen Reifen. Button fuhr auf seiner dritten Runde eine gute Zeit von 1:16.9 Minuten und spulte anschließend Zeiten im Bereich von 1:17 Minuten ab.

Die einzige Ausnahme unter den Top-Teams war Felipe Massa, der sich mit einer Zwei-Stopp-Strategie versuchte. Er erklärte anschließend, dass er durch einen beschädigten Satz weicher Reifen nach dem Qualifying dazu gezwungen war - auf der anderen Seite konnte er so aber auch etwas ausprobieren. Es war überraschend, dass er so etwas in dieser Saison nicht noch viel öfter probiert hat, denn auf dem angestammten sechsten Platz, auf dem er als langsamster der Top-6-Fahrer zumeist fuhr, hat er keinen Druck von hinten. Wenn er sich taktisch aber genauso verhält wie die McLarens und Alonso vor ihm, bleibt er Sechster.

Hier versuchte Ferrari es zumindest einmal, was Massa erlaubte, eine Zeit lang vor den McLarens zu fahren - diesbezüglich lohnte es sich also und war den Versuch wert. In Interlagos besteht eine Safety-Car-Wahrscheinlichkeit von 71% - wäre es auch diesmal auf die Strecke gekommen, hätte es Massa in die Hände gespielt, genauso wie der Regen, der zwar vorhergesagt war, zu dem es jedoch nie kam.

Rosberg gegen Sutil

Force-India-Pilot Adrian Sutil zeigte eine klasse Leistung, um den Mercedes von Nico Rosberg im Kampf um Platz sechs zu schlagen - beide Fahrer gingen das Rennen auf unterschiedliche Art und Weise an. Rosberg fuhr einen sehr langen zweiten Stint auf neuen weichen Reifen über 26 Runden. Er kam in Runde 16 zu seinem ersten Boxenstopp herein, was für eine Zwei-Stopp-Strategie eigentlich zu früh war und war zudem hinter Sutil, dessen Pace besser war. Selbst auf neuen weichen Reifen konnte er mit dem Force India nicht mithalten. Ab diesem Punkt war klar, dass er diesen, selbst mit der gleichen Drei-Stopp-Strategie wie Sutil, nicht schlagen würde.

Die Force-India-Piloten waren in Sao Paulo sehr gut unterwegs, Foto: Sutton
Die Force-India-Piloten waren in Sao Paulo sehr gut unterwegs, Foto: Sutton

Die einzige Möglichkeit, die blieb, war, nur zwei Stopps zu machen und sich die Position nach dem zweiten Stopp auf der Strecke zu holen. Das erforderte aber wiederrum einen sehr langen mittleren Stint auf den weichen Reifen. Auch wenn diese Taktik aufging und er sich kurze Zeit vor Sutil wiederfand, wurde Rosberg am Ende durch das schnellere Auto geschlagen. Nach den letzten Boxenstopps, waren beide auf den gleichen Reifen unterwegs - Rosbergs Reifen waren nur drei Runden älter, der Plan war also großartig und hätte funktionieren sollen, aber Rosberg konnte nicht vorne bleiben.

In Sachen Position auf der Strecke war die Zwei-Stopp-Strategie richtig, aber er konnte die Geschwindigkeit auf der Strecke einfach nicht mitgehen. Sutil packte seine drei Stopps in ein Zeitfenster, das normalerweise für zwei Stopps gewesen wäre und konnte trotzdem seine Pace aufrecht halten. Seine kurzen Stints waren eine aggressive Strategie, aber da Massa nur zwei Stopps machte und nicht so schnell war wie sonst, fiel er ab einem gewissen Punkt in Richtung Sutil zurück, was sich fast noch auf dessen Rennen ausgewirkt hätte.

Der Force India war an diesem Wochenende sehr schnell. Paul Di Resta hatte sich im Qualifying nicht so gut geschlagen, weswegen ihn das Team auf eine Zwei-Stopp-Strategie setzte. Er kämpfte im Rennen mit Petrov und Kobayashi und gewann dieses Duell, trotz ernster Getriebeprobleme, mit Leichtigkeit. Di Restas Zwei-Stopp-Strategie war defensiv, genauso wie die von Rosberg. Man verbessert sich zwar in puncto Streckenposition nach dem zweiten Stopp - dann ist es aber die Frage, ob man seinen Konkurrenten hinter sich halten kann.