Die Verschwörungs-Theoretiker im Fahrerlager hatten an Sonntag Nachmittag zum Saisonabschluss der Formel 1 noch einmal Hochkonjunktur: Schon während des Rennens, als Sebastian Vettel wegen seiner Getriebeprobleme seinen Teamkollegen Mark Webber erst vorbeilassen musste, dann aber doch weiter gute Rundenzeiten fahren konnte und Platz zwei ins Ziel brachte, legten sie sich fest: "Abgekartetes Spiel, da wollte Red Bull zum Schluss einfach Webber noch mal einen Sieg schenken, weil er bis jetzt im ganzen Jahr keinen hatte - Vettel hatte überhaupt keine Probleme."

Kritik aus dem italienischen Lager

Vor allem in den italienischen Medien mussten sich Vettel und Red Bull dafür am Montag böse Vorwürfe anhören, dabei hätte kurzes Nachprüfen nach dem Rennen den Verdacht schnell entkräften können. Als der Weltmeister auf der Pressekonferenz auf das Thema angesprochen wurde, schaute er völlig entgeistert, fiel ihm erst einmal die Kinnlade herunter: "Leute, ich kann euch sagen, ich hatte wirklich gewaltige Probleme." Wer Vettel kennt, weiß: Der Heppenheimer ist alles andere als ein Schauspieler, er hätte bei einer "Inszenierung" nie so mitgemacht.

Und dass er während des Rennens plötzlich zu seinem Renningenieur Guillaume Rocquelin sagte, "ich fühle mich ein bisschen wie Senna 1991", machte erst recht deutlich, dass das kein "Spiel" war. Vettel hatte kürzlich den Senna-Film gesehen und war dabei von den Szenen, als der Brasilianer 1991 sein Heimrennen in Interlagos gewann, obwohl er in den letzten Runden nur noch den sechsten Gang zur Verfügung hatte, schwer beeindruckt. Er hätte diese Erinnerung nie benutzt, um eine "Show" zu machen. Was die Bemerkung aber zeigt: Die unglaublich großen mentalen Kapazitäten des 24-Jährigen - während eines schwierigen Rennens, in dem man ständig mit dem Auto kämpft, noch Platz für solche Gedanken zu haben, "das ist schon absolut außergewöhnlich", sagt RTL-Experte Christian Danner.

Die Frage, die viele stellten: Warum kann Vettel nach ein paar Runden trotz der Probleme plötzlich wieder viel bessere Zeiten fahren, den zweiten Platz sicher halten? "Weil man seinen Fahrstil umstellen und an die geänderten Bedingungen anpassen kann", sagt er. In seinem Fall wurde er von der Box angewiesen, konstant deutlich früher als normal hoch zu schalten, die Gänge also nicht auszudrehen, Kurven in einem höheren Gang als normal zu fahren, auch mit der Motorleistung ging man herunter, um nicht mehr in den Bereich von Spitzendrehzahlen zu kommen.

Bei der extremen Überlegenheit von Red Bull in Interlagos reichte das, um immer noch sicher vor der Konkurrenz, dem drittplatzierten Jenson Button, zu bleiben. Ausgerechnet der bestätigte dann auch Vettels Aussagen zum Thema "angepasster Fahrstil". Das sei etwas, was man als Spitzenfahrer einfach können müsse, sich auf neue Umstände einzustellen. "Wir mussten zum Beispiel in diesem Jahr öfters massiv Sprit sparen. Nach ein paar Runden hat man sich darauf eingestellt, macht einige Dinge eben ein bisschen anders, und fährt trotzdem fast das gleiche Tempo. Für so was werden wir bezahlt."

Hoher Blutdruck bei Horner

Red Bull-Teamchef Christian Horner konnte angesichts der Unterstellungen auch nur den Kopf schütteln: "Man hätte nur mal meinen Blutdruck während der letzten fünf Runden messen müssen, das hätte alles gesagt. Wir wissen bis jetzt nicht, wie es überhaupt möglich war, dass das Getriebe irgendwie bis zum Ende gehalten hat. Die Temperaturen waren so hoch, da war praktisch überhaupt kein Öl mehr drin. Wir hingen alle nur noch gebannt über den Daten. Dass das gutging, dass Seb das Auto ins Ziel bringen konnte, das ist eigentlich ein Wunder. Und eine fantastische Leistung von ihm, dabei noch Zweiter zu werden."