Für Mark Webber sei der erste große Preis von Indien eine "augenöffnende Erfahrung" gewesen. "Wie viele Leute, war auch ich von diesem Land schon immer fasziniert - aber nichts kann einen auf die erste eigene Erfahrung vor Ort vorbereiten", so der Red-Bull-Pilot tief beeindruckt. "Ich habe viele Plätze auf der Welt bereist, aber so etwas habe ich noch nie gesehen", meinte der 35-Jährige, der anfügte: "Es gibt dort sehr viel Armut, aber zeitgleich auch eine große Fröhlichkeit. Die Leute gehen mit ihrem Schicksal um, wie überall anders auf der Welt auch."

Gleich nach seiner Ankunft in Neu-Delhi sei er in der Metropole verloren gegangen, da sich sein Taxifahrer, mit ihm als einzigem Gast an Bord, verfahren hatte. Die intensiven Eindrücke, die er auf seiner Hotelsuche und bei der interkulturellen Kommunikation mit den Indern im Großstadtlabyrinth erlebte, weckten in dem Red-Bull-Star sogar den Wunsch, in der Zeit nach seiner F1-Karriere eine Motorradtour durch das Land zu machen. "Auch das Rennen selbst war ein großer Erfolg. Es muss schwierig sein, das indische Volk für die Liebe zum Motorsport zu begeistern - ein Autorennen steht auf ihrer Prioritätenliste mit Sicherheit nicht ganz oben."

Eine traumhafte Strecke

Webber kennt die Streithähne: Mit Lewis Hamilton war er in diesem Jahr in Kanada schon genauso aneinander geraten..., Foto: Red Bull
Webber kennt die Streithähne: Mit Lewis Hamilton war er in diesem Jahr in Kanada schon genauso aneinander geraten..., Foto: Red Bull

Die Organisatoren hätten großen Aufwand betrieben. "Die Infrastrukturen und Gebäude am Buddh International Circuit waren jetzt nicht Weltklasse - aber das werden sie wohl noch, wenn man bedenkt, dass einige Dinge sehr schnell fertiggestellt werden mussten." Anders sei das beim Kurs selbst. "Die Strecke ist traumhaft - besonders der zweite und dritte Sektor", lobte Webber den Neubau über den grünen Klee. Auch vom großen Zuschauerandrang auf den Tribünen war der Red-Bull-Fahrer überwältigt und besorgte sich als Dank von einem Streckenposten vor Ort für die Fahrerparade kurzerhand eine indische Nationalflagge.

"Bei einem neuen Rennen so viele Zuschauer zu sehen, war sehr ermutigend. In gewisser Weise hat es sich ein bisschen wie in Japan angefühlt, wo die Leute mit F1-Piloten ja richtiggehend ehrfürchtig umgehen", schrieb Webber in seiner Kolumne für die BBC. "Ich glaube die Menschen waren einfach sehr aufgeregt, internationale Sportstars in ihrem Land zu haben - abseits vom Cricket passiert ihnen das ja nicht so oft." Sein eigenes Rennen sei trotz aller Unterstützung durch die Fans allerdings einmal mehr durch seine Schwierigkeiten mit den Pirelli-Reifen beeinflusst gewesen.

... wie mit Felipe Massa in Monza, Foto: Sutton
... wie mit Felipe Massa in Monza, Foto: Sutton

Bereits nach der Startrunde hatte Webber seine Position an Jenson Button verloren. "Wir wussten vorab, dass wir im Vergleich zu den Ferraris und Red Bulls auf der Geraden verwundbar sein würden", so der in der Weltmeisterschaft momentan Viertplatzierte. Nachdem bei den Boxenstopps auch noch Fernando Alonso an ihm vorbeischlüpfte, sei ein Podestplatz verloren gewesen. In den letzten Runden holte Webber zwar wieder auf, konnte aber bis zur Zielflagge keinen Weg mehr vorbei finden. "Unterm Strich war es für mich ein frustrierender Tag, da ich in Japan und Korea in Sachen Pace näher an der Spitze dran war", gab der 35-Jährige zu.

Wie im Straßenverkehr

Mindestens genauso kritisch bewertete der Australier den viel diskutierten Vorfall zwischen seinen Kollegen Felipe Massa und Lewis Hamilton. Der Brasilianer hatte nach einer Kollision mit dem McLaren-Star eine empfindliche Durchfahrtsstrafe kassiert. "Meiner Meinung nach war die Schuld bei dem Vorfall zu gleichen Teilen verteilt", so Webber. Zwar gab er zu, dass es vor der schnellen Linkskurve äußerst schwierig sei, überhaupt zu überholen, doch "Lewis kam gut aus Kurve vier heraus und innen neben Felipe", so der Australier. "Es war die uralte Geschichte: Lewis hat es probiert, Felipe die Kurve aber immer noch auf der Ideallinie genommen - Lewis hat dann gelupft, konnte aber das aber nicht mehr rechtzeitig."

Bedenklich fand Webber auch die Marschrichtung, die die F1-Stewards bei den letzten Entscheidungen eingeschlagen hätten. "In Bezug auf die Strafen nähern wir uns ein bisschen der Kultur im Straßenverkehr an - die Meinung scheint zu sein: Wenn es einen Vorfall gab, muss es auch jemanden geben, der dafür bestraft wird", so der Red-Bull-Pilot. Die Durchfahrtstrafe gegen Massa sei daher grenzwertig. "Sicherlich hätte Felipe Lewis Platz lassen können - aber meiner Meinung nach war es eben nicht so eindeutig."

"Die Fahrer haben immer gesagt, dass sie sich von den Rennkommissaren mehr Konstanz wünschen und man muss fairerweise sagen, dass sie das auch versuchen", meinte der Australier. Ein bisschen habe ihm bei dieser Szene jedoch das Fingerspitzengefühl der Verantwortlichen gefehlt. "Wenn jemand sich jetzt einen totalen Patzer leistet, in Ordnung - dann kann man ihm eine Strafe geben. Manchmal wäre es aber besser, zu sagen, dass das eben eine dieser Sachen war, die wir in der Formel 1 einen "Rennunfall" nennen und es dabei zu belassen", fand Webber.