Als Lewis Hamilton beim ersten Großen Preis von Indien im Rückspiegel von Ferrari-Star Felipe Massa auftauchte, war dem geübten Formel-1-Zuschauer bereits klar, was gleich passieren würde. Verwunderlich waren bei der Kollision der beiden Dauer-Streithähne des Fahrerlagers eigentlich nur zwei Sachen: Beide konnten anschließend weiterfahren - und die Strafe kassierte diesmal Felipe Massa. Was die Ferrari-Box zunächst für einen schlechten Scherz hielt, war letzten Endes auch die Entscheidung von Johnny Herbert. Der Brite fungierte in Greater Noida als Fahrer-Steward.

Der wutentbrannte Massa gab im Anschluss an das Rennen an, nicht zu wissen, wofür er überhaupt bestraft worden sei. Massa war bei dem Zwischenfall eine halbe Wagenlänge vor Hamilton und wurde dann vom McLaren-Piloten abgeräumt. Wie seine Rolle bei diesem Szenario irgendeine Form von Schuld beinhalten könne, wollte er daher nicht einsehen. Für Herbert stellte sich der Kontakt zwischen den beiden, sich in der Krise befindlichen, Piloten vor dem TV-Schirm aber schon ganz anders dar.

Massa wusste was er tat

Johnny Herbert ließ sich in Indien nicht von seiner Meinung abbringen: Er sieht die Schuld bei Massa, Foto: Sutton
Johnny Herbert ließ sich in Indien nicht von seiner Meinung abbringen: Er sieht die Schuld bei Massa, Foto: Sutton

Massa habe gewusst, dass Hamilton neben ihm sei und die Kollision somit mutwillig provoziert. Dass dem Scuderia-Star dabei mit Sicherheit auch der, in der Nachbetrachtung des Großen Preises von Singapur öffentlich bekannt gewordene, Funkspruch seines Ingenieurs Rob Smedley geschadet haben dürfte, bleibt Vermutung. Damals hatte Smedley seinen Piloten vor einer ähnlichen Kollision mit Lieblingsgegner Hamilton angewiesen, das Rennen seines Kontrahenten zu "zerstören". Auch wenn über derartige Funkbefehle in Indien nichts bekannt ist, unterstellte Herbert Massa demnach eine erneute Absicht.

Der Brasilianer habe wissentlich keinen Platz gelassen und so mutwillig zu der folgenden Kollision beigetragen. "Die Entscheidung, Felipe Massa für seine Berührung mit Lewis Hamilton zu bestrafen, entstand genau aus einem einzigen Fakt: Sie hätte vermieden werden können", so Herbert in seiner Kolumne in der National Newspaper. "Ich weiß, dass Massa sehr verärgert über die von uns verhängte Strafe war. Ich glaube aber, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben", fuhr der Brite fort.

"Nachdem wir es aus allen verschiedenen Kameraperspektiven betrachtet haben und uns die relevanten Datenaufzeichnungen zugänglich gemacht wurden, war klar, dass Massa sehr wohl wusste, wo Hamilton sich befand, bevor er sich dazu entschloss, einzulenken und ihn zu treffen", stellte der 47-Jährige klar. "Hamilton hätte nichts machen können, um das zu vermeiden", stellte sich der Ex-Benetton und Jaguar-Fahrer schützend vor seinen Landsmann. "Er versuchte noch aus dieser Situation herauszukommen, aber es war zu spät und kam zum Kontakt", glaubte Herbert.

Vorteil durch Ehrlichkeit am Freitag?

Bonuspunkte habe Hamilton bei den Kommissaren ohnehin schon am Freitag gesammelt, da er bei der Anhörung durch die Renndirektion geradeheraus mit seinem Fehler im Freien Training umgegangen sei - der McLaren-Fahrer hatte gelbe Flaggensignale missachtet und war dafür mit einer Rückversetzung in der Startaufstellung um drei Position belegt worden. "Hamilton war sehr offen und ehrlich, als er bei uns war. Er hob seine Hände und gab sofort zu, dass er einen Fehler gemacht hatte", verriet der 161-fache Grand-Prix-Starter.

"Doppelte gelbe Flaggen sind eine ernste Angelegenheit - sie weisen auf Gefahren auf dem vorausliegenden Streckenabschnitt hin und waren eine Warnung an die Fahrer, die Geschwindigkeit zu vermindern", sagte Herbert in Bezug auf den Trainingsvorfall. "Weder Hamilton noch Perez haben das aber gemacht. Die Sicherheit steht im Motorsport an erster Stelle und doppelt geschwenkte Flaggen müssen respektiert werden", so der Assistent der Rennleitung, der anfügte: "Es hätten ja zum Beispiel auch Streckenposten auf der Piste sein können - ihre Arbeit ist auch schon ohne Autos, die mit Höchstgeschwindigkeit auf sie zurasen, gefährlich genug."