Auch wenn Mark Webber nie Rennen gegen Dan Wheldon gefahren ist, kannte er den am vergangenen Sonntag in Las Vegas tödlich verunglückten IndyCar-Champion gut. Mitte der neunziger Jahre arbeiten der Australier und Wheldon als Instruktoren in einer Rennfahrerschule in Brands Hatch zusammen. "Es war schwierig sich nicht mit ihm zu verstehen - er war ein liebenswürdiger Kerl", erinnerte sich der schwer getroffene Webber nun an seinen verstorbenen Freund.

Wheldon und ihn hätte damals viel verbunden. "Ich war noch nicht lange aus Australien nach Europa gekommen und hatte daher noch nicht gerade viele Freunde. Dan war jemand, der in einem ähnlichen Alter war, die gleichen Dinge wie ich tat und mit dem ich einfach sehr viel gemeinsam hatte. Wir hatten viel zu lachen und eine Menge Spaß", so der heute 35-Jährige, der anfügte: "Dan verlegte sein Leben dann schon bald nach Amerika, während ich in Europa Rennen fuhr. Aber bei Preisverleihungen und solchen Veranstaltungen, zu denen er nach Großbritannien kam, lief ich ihm immer sehr gerne in die Arme."

Die plötzliche Todesnachricht habe ihn nach dem Großen Preis von Korea erreicht und tief schockiert. "Ich wartete am Flughafen von Singapur auf meinen Flug nach Sydney, als ich von dem Unfall hörte. Ich bekam eine Nachricht von Luke, dem Sohn meiner Lebensgefährtin Ann, in der stand, dass es einen großen Unfall gab und einige Jungs ins Krankenhaus gebracht wurden", schilderte der Red-Bull-Star die schlimmen Stunden. "Einer davon war Will Power, dem ich ziemlich nahestehe und ich habe viel an ihn gedacht. Ich kenne viele Jungs aus der IndyCar-Serie sehr gut - auch Dario Franchitti, Ryan Briscoe, und Tony Kanaan", so Webber.

Hoffen auf einen guten Ausgang

"Man hofft in diesen Situationen einfach nur, dass alle wohlauf sind und geht davon aus, dass das so ist. Nur eine Stunde später informierte mich Luke aber darüber, dass Dan es nicht geschafft hatte", sagte der Australier. "Das war einer dieser furchtbaren, vernichtenden Momente. Ich wollte einfach nicht glauben, was man mir sagte - dann sah ich den Unfall jedoch im Fernsehen und es war ziemlich klar, dass bei so einem Crash die große Chance bestand, dass jemand ernsthaft verletzt wird", meinte der 36-Jährige.

"Es war ein sehr heftiger Unfall und nicht viele Fahrer hatten ernsthaft die Chance, da noch auszuweichen. Sie konnten nirgendwo hin - das hat mit Können überhaupt nichts zu tun", stellte Webber in seiner Kolumne für die BBC klar. "Es kommt nur darauf an, wie das Auto reagiert und in welchem Winkel es sich bewegt. Man ist in so einer Situation nur noch ein absoluter Passagier", versicherte Webber, der bereits am eigenen Leib erfahren musste, wie sich solche Abflüge anfühlen.

"Ich hatte auch schon schlimmer Unfälle - zwei mit dem Mercedes-Sportwagen 1999 in Le Mans, als ich mich überschlug. Beim zweiten dieser Unfälle dachte ich für einen Sekundenbruchteil, dass ich es wahrscheinlich nicht schaffen würde", sagte der Australier. "Letztes Jahr traf ich in Valencia das Heck von Heikki Kovalainens Lotus. Das Auto schlug auf der falschen Seite wieder auf, landete aber zum Glück richtigherum in den Reifenstapeln", meinte Webber weiter. Es sei aber immer wichtig, dass man die schlimmsten Unfälle auch als Chance begreife, daraus zu lernen und etwas für die Zukunft zu verbessern.

Umdenken muss stattfinden

"Die IndyCar-Serie kann aus dem Unfall eine ganz harte Lektion lernen. Die Organisatoren müssen eine Lösung ausarbeiten, wie es vermieden werden kann, dass die Autos abheben und in solchen Situationen in die Luft fliegen", forderte der Red-Bull-Pilot. Ein weiteres Problem seien die Strecken in Amerika. "Ich bin nie im Oval gefahren, habe aber mit vielen Leuten gesprochen, die das getan haben. Was ihnen daran missfiel, ist die Tatsache des Fahrens im Pulk - besonders auf so einer kurzen Strecke wie in Las Vegas", verriet Webber, der meinte: "Bis zu einer gewissen Geschwindigkeit ist das in Ordnung und niemand wird schwer verletzt."

Mark Webber ist vom Tod seines alten Freundes Dan Wheldon schwer geschockt, Foto: Sutton
Mark Webber ist vom Tod seines alten Freundes Dan Wheldon schwer geschockt, Foto: Sutton

"Aber mit weit über 300 Stundenkilometern in einem Formelauto, können die Autos den Boden bis zu fünf oder sechs Meter Höhe verlassen und dann wird jemand ernsthaft verletzt. 30 Einsitzer, Rad an Rad, mit kalten Bremsen - das ist einfach zu viel! Die Fahrer finden, dass man das überdenken muss", kritisierte der 35-Jährige. "Bei dem Unfall, der Dan getötet hat, fuhr im Prinzip das halbe Feld zusammen und die Hälfte davon endete in der Luft. Das ist nicht richtig", zeigte sich der Australier schockiert und traurig. Persönliche Konsequenzen wollte er aus dem schlimmen Unglück vorerst aber nicht ziehen. "Die Sicherheit zwischen der F1 und der IndyCar-Serie ist unterschiedlich. Man darf mich nicht falsch verstehen - ich weiß, dass es Risiken gibt und Valencia hätte auch für mich so oder so ausgehen können, das ist absolut klar."

"Ich habe aber dennoch das Gefühl, dass es sicherer ist, als im IndyCar, Rallyesport oder in der MotoGP. Auch das gibt mir das Vertrauen, weiter Rennen zu fahren, denn die meiste Zeit ist mein Schicksal hier in meinen eigenen Händen", glaubte der Red-Bull-Star. Vor Materialfehlern, Missverständnissen und deren Folgen sei man nie sicher. Die Standards seien heute aber so hoch, dass es sich meistens um kalkulierte Risiken handeln würde. "Wir wissen, dass im Prinzip alles in Ordnung ist, selbst wenn wir einen Unfall bauen. Ich glaube aber, dass das in Bezug auf die Jungs in Amerika im Moment eine andere Frage ist", so Webber mit Nachdruck.

Auch Newey & Horner schockiert

Unterstützung erhält der F1-Veteran bei seiner Kritik aus den eigenen Reihen. Red-Bull-Stardesigner Adrian Newey arbeitete Mitte der achtziger Jahre selbst eine Zeit im amerikanischen Formelsport. "In den vier Jahren, in denen ich bei den IndyCars war, hatte ich das Glück, dass es keine schlimmen Unfälle gab und niemand ernsthaft verletzt wurde", meinte Newey. Auch der Brite wollte aber nicht mit Kritik sparen: "Grundsätzlich ist es ein Rezept für schwere Unfälle - man fährt in einem Oval mit Betonwänden", sagte der Konstrukteur, der die Wheldon-Katastrophe als "Schockwelle für den Sport" bezeichnete.

Der Umgang mit solchen Unfällen sei etwas, das man immer wieder lernen müsse. "Es ist uns allen bewusst, dass ein gewisses Risiko existiert. Sich dessen bewusst zu sein und damit umzugehen, wenn etwas passiert ist, sind aber zwei verschiedene Dinge", stellte Newey klar. Auch Teamchef Christian Horner war geschockt vom Tod des lebenslustigen Wheldon, der als erster Brite seit Graham Hill das legendäre Indy-500 gewinnen konnte. "Als ich ihn erst diesen Sommer in Goodwood sah, genoss er das Leben", so Horner nachdenklich. "Die ganze Tragödie um Dan ist ein großer Verlust für den Motorsport. Die IndyCar-Serie wird daraus aber lernen und ich bin mir sicher, dass auch die F1 davon lernen kann", hoffte der Brite.

IndyCar-Chef Randy Bernard versicherte im Zuge der immer stärkeren Kritik an der IndyCar-Sicherheit mittlerweile, dass alles für eine lückenlose Aufklärung des Wheldon-Unfalls getan werde. "Es gibt jetzt eine Menge zu tun und wir haben keine Zeit zu verschwenden. Wir brauchen Antworten", meinte der Amerikaner ehrlich. Nichts desto trotz habe es sich aber auch einfach um einen äußerst tragischen Unfall gehandelt. "Wir müssen dennoch alles daran verstehen. Es ist eine ganz schwierige Zeit, aber wir müssen nun mehr denn je konzentriert bleiben", erklärte Bernard.