Beim Japan Grand Prix drehte sich alles um die Rennstrategie. Da der Reifenabbau viel schwieriger zu handhaben war als erwartet, waren quer durch das Feld jene Fahrer erfolgreich, deren Teams die Strategie richtig hinbekamen - das betraf nicht nur den Renntag, sondern auch den Qualifying-Tag. An der Spitze lief das Rennen recht unterschiedlich ab. Von den Top-Drei hatte Sebastian Vettels Red Bull die schlechteste Reifenleistung und Fernando Alonso Ferrari die beste. Alonso war zu Anfang der Stints nicht annähernd so schnell wie Vettel, aber er war am Ende der Stints immer der Schnellste unter den drei Autos vorne, da seine Reifen am wenigsten nachließen.

Fernando Alonso konnte die bessere Reifen-Haltbarkeit nutzen, Foto: Sutton
Fernando Alonso konnte die bessere Reifen-Haltbarkeit nutzen, Foto: Sutton

Das verschaffte ihm die Möglichkeit, den zweiten Platz zu holen, obwohl sein Auto nur die Pace hatte, sich auf Platz fünf zu qualifizieren. Rennsieger Jenson Button hatte derweil die Pace, um von Anfang an Vettel dran zu bleiben und er konnte seine Reifen im ersten Stint besser managen, also konnte er eine Runde nach dem Weltmeister an die Box und vor ihm wieder auf die Strecke gehen. Es war aber nicht einfach für ihn; während der McLaren dieses Jahr schneller wurde, näherte sich seine Reifen-Leistung jener von Red Bull an, so wie man das erwarten würde, wenn man mehr Last auf die Reifen bringt.

Das kleine Extra: Vettel gegen Button und Alonso

Die besten Drei hatten alle die genau gleiche Strategie, mit drei Stints auf gebrauchten Soft-Reifen und einem letzten Stint auf neuen Mediums. Der Unterschied lag im Reifenabbau, den jeder hatte und in den Runden, wann sie an die Boxen kamen. Es machte im Rennverlauf den Eindruck, als wäre Red Bull bei Vettel konservativ - da sie wussten, er brauchte nur einen Punkt für den Titel - und dass das Button und Alonso eine Chance lieferte, die auch beide wahrnahmen.

Red Bull war bei Sebastian Vettels Boxentaktik konservativ-aggressiv, Foto: Sutton
Red Bull war bei Sebastian Vettels Boxentaktik konservativ-aggressiv, Foto: Sutton

Eine genauere Analyse zeigt aber, dass das nicht unbedingt der Fall war, da Vettel in jedem Stint erst dann stoppte, als die Reifen in ihrer Leistung nachließen. Oft in dieser Saison war zu sehen, dass der Red Bull als Erster an die Box kam, obwohl es so aussah, als hätten die Reifen noch etwas Leben in sich. Sie hatten aber auch immer genug Pace in der Hinterhand, um frühe Stopps zu machen und gleichzeitig ihre Streckenposition zu halten. In Japan kam Vettel damit nicht durch.

Es gibt zwei Arten, wie man Vettels Strategie am Sonntag betrachten kann; auf der einen Seite stoppte er früh, um dadurch seine Position zu halten, was als konservativ angesehen werden könnte. Andererseits war es recht aggressiv, als Erster an die Box zu kommen, denn er riskierte es, dass ihm am Ende des Rennens die Reifen ausgingen. Er ging 20 Runden vor Schluss auf die Mediums, während Button drei und Alonso vier Runden später hereinkamen, weil sie am Ende ihrer Stints mit den Softs weniger Reifenabbau hatten. Dadurch holte Alonso Platz zwei von Vettel.

Jenson Button war am Ende locker vorne, Foto: Sutton
Jenson Button war am Ende locker vorne, Foto: Sutton

Am Ende des ersten Stints hatte Vettel einen großen Vorsprung (5,2 Sekunden) und er kam nur an die Box, weil seine Reifen am Ende waren (Runde 5: 1:39.7, Runde 6: 1:40.0, Runde 7: 1:41.2, Runde 8: 1:41.7). Am Ende des zweiten Stints war zu erkennen, dass seine Reifen wieder am Ende waren und er war beim letzten Stopp sogar recht aggressiv, weil er hereinkam und mit dem Prime mitten in den Verkehr wieder rausfuhr. Der neuere Reifen half ihm, doch Button hatte ihn locker in der Tasche.

Wie das Safety Car den Mittelfeld-Kampf um Punkte veränderte

Wie in dieser Saison schon oft zu beobachten war, gab es unter den Mittelfeld-Teams hinter den drei Top-Mannschaften einen harten Kampf um die Punkteplätze. Aufgrund des hohen Reifen-Abbaus war das in Suzuka zu erwarten und die Strategen begannen mit der Rennplanung am Samstag vor dem Qualifying. Im Qualifying schafften es Kamui Kobayashi, Michael Schumacher, Bruno Senna und Vitaly Petrov unter die Top-10, aber sie fuhren keine gezeitete Runde in Q3. Also hatten sie im Fall von Renault zwei neue Sätze Medium-Reifen und einen neuen Satz Softs für das Rennen, Schumacher und Kobayashi hatten je einen frischen Satz jeder Mischung.

Das Safety Car spielte eine wichtige Rolle, Foto: Sutton
Das Safety Car spielte eine wichtige Rolle, Foto: Sutton

Die entscheidende Berechnung war hierbei der Crossover-Punkt bei der Rundenzeit zwischen den zwei Reifen und der Unterschied bei der Rundenzeit zwischen Medium und Soft von 1,2 Sekunden pro Runde. Schumacher und Kobayashi begannen auf gebrauchten Soft-Reifen, während die Renaults mit neuen Mediums loslegten. Die zwei Force Indias qualifizierten sich derweil außerhalb der Top-10 und begannen beide auf Softs, während Sergio Perez auf Platz 17 stand und mit neuen Mediums losfuhr.

Die Wahrscheinlichkeit auf ein Safety Car lag bei 60 Prozent und in Runde 24 kam dann auch eines. Die Fahrer, die davon profitierten, waren Petrov und Perez, weil sie auf dem Medium-Reifen begonnen hatten und das Safety Car ihnen die Zeit zurückbrachte, die sie verloren hatten. Sie lagen 43 Sekunden hinter der Spitze und mehr als 20 Sekunden hinter Sutil, als der Force India Pilot zwei Runden vor dem Safety Car an die Box kam.

Force India schaute am Ende durch die Finger, Foto: Sutton
Force India schaute am Ende durch die Finger, Foto: Sutton

Die Force India Fahrer waren auf klassischen Drei-Stopp-Strategien und in Runde 20 lief alles gut; sie hatten drei Viertel eines Boxenstopps Vorsprung auf ihre Gegner. Aber hinter dem Safety Car ging die Lücke auf null herunter und Perez und Petrov hatten durch die Stopps von Force India Streckenpositionen gutgemacht. Auch mit DRS ist es schwierig, in Suzuka zu überholen. Petrov und Perez waren am Ende des Rennens ebenfalls auf neuen Sätzen weicher Reifen, während Sutil mit dem Prime fuhr, es gab also keine Chance, wieder nach vorne zu kommen.

Was die beiden Mercedes betrifft, so startete Rosberg nach einem Hydraulik-Problem im Qualifying als 23. Er begann auf neuen Medium-Reifen und lag nach dem Safety Car direkt hinter Sutil auf Platz zwölf. Er war prinzipiell im gleichen Boxenstopp-Fenster wie Force India, aber das Safety Car schloss die Lücke und er hatte den Vorteil, am Ende des Rennens den Option-Reifen einzusetzen, wodurch er nach vorne kam und als Zehnter einen Punkt holte. Schumacher fuhr derweil ein recht normales Dreistopp-Rennen mit Stopps in den Runden 9, 24 und 41. Interessanterweise machte er einen 15 Runden langen zweiten Stint auf gebrauchten, weichen Reifen, was zeigte, dass er ein längeres Reifenleben hatte als Red Bull und Hamilton; das war in diesem Jahr bei Mercedes nicht immer der Fall.

Michael Schumacher zeigte wieder eine gute Rennleistung, Foto: Sutton
Michael Schumacher zeigte wieder eine gute Rennleistung, Foto: Sutton

Er war 25 Sekunden hinter der Spitze, als das Safety Car herauskam, das eröffnete ihm also die Chance, wieder ranzukommen. Ein langer und konstanter Stint von 17 Runden auf neuen, weichen Reifen nach dem Safety Car brachte ihn vor Massa wieder auf die Strecke und zeigte ein weiteres Mal, dass der Routinier gegen Ende seiner zweiten Comeback-Saison bei der Rennpace wieder in Top-Form ist. Seine Rennen haben sich auch merkbar verbessert, seit Jock Clear, sein alter Rivale aus Villenauve/Williams Tagen, sein Renn-Ingenieur ist.

Was ist mit Lewis Hamilton passiert?

Es war ein eigenartiges Rennen für Lewis Hamilton, da er eine Chance auf die Pole durch einen gemeinsamen Timing-Fehler von Fahrer und Team im Qualifying verpasste. Im Rennen war seine Pace dann weit hinter jener seines Teamkollegen Button. Ein schleichender Plattfuß am Ende des ersten Stints hat ihm ohne Zweifel weitere Zeit und Positionen an Alonso und Button gekostet (Runde 5: 1:40.1, Runde 6: 1:40.8, Runde 7: 1:41.9). McLaren hat laut UBS Strategy Report erklärt, dass dies auch den Rest seines Rennens beeinflusst hat, weil sie eine Setup-Änderung am Auto gemacht hatten, bevor sie merkten, dass es sich aufgrund des Plattfußes eigenartig verhalten hatte. Es hieß, die Änderungen hätten zu einer falschen Balance geführt.

Lewis Hamilton kostete der schleichende Plattfuß einiges, Foto: Pirelli
Lewis Hamilton kostete der schleichende Plattfuß einiges, Foto: Pirelli

Hamiltons zweiter Stint war der wirklich schlechte - viel schlechter als bei den anderen. Er war in Runde zwölf an Alonso und Button dran, als er aber in Runde 20 zu seinem Stopp kam, hatte er ganze acht Sekunden verloren, anders gesagt also eine Sekunde pro Runde. Hamilton holte sich eine Position von Massa zurück, indem er einen früheren Boxenstopp machte und dann die Probleme des Ferrari mit dem Warm-Up der Medium-Reifen ausnutzte, um Massa auf der Outlap zu überholen.

Auf dem Medium-Reifen war Hamiltons Pace dann besser, er verlor in den ersten zwei Stints aber zu viel Zeit, um ein ordentliches Ergebnis zu holen. Die Abbau-Raten mit den weichen Reifen waren an der Grenze, aber so ging es wie üblich allen. Der Plattfuß half nicht, aber es scheint, als hätte Hamilton etwas mehr unter dem Abbau gelitten als die anderen Spitzenfahrer. Wenn die Reifen nachlassen, ist das für einen Fahrer frustrierend. Das ist ein Teufelskreis: er will pushen, wird aber noch langsamer.