Im Fahrerlager ist man geteilter Meinung über die Strecke in Singapur: "Wenn wir auf solchen Kursen weiterfahren, dann ist das nicht gut für die Zukunft der Formel 1", sagte Luca di Montezemolo im Jahre 2009 im Hinblick auf die wenigen Überholmöglichkeiten, die diese Saison durch DRS ausgeglichen werden sollen.

Die Bodenwellen müssen gerade mit vollen Tanks gut absorbiert werden, Foto: Sutton
Die Bodenwellen müssen gerade mit vollen Tanks gut absorbiert werden, Foto: Sutton

Aller Kritik zum Trotz muss festgehalten werden: Das Rennen hat etwas. Die Nacht verleiht dem Grand Prix ein ganz spezielles Flair, und so nahe wie auf dem Marina Bay Circuit stehen die Mauern sonst nur in Monaco. Im Unterschied zum Fürstentum wird jedoch im asiatischen Stadtstaat die volle Grand-Prix-Distanz von über 300 Kilometern gefahren - es wird das längste Rennen des Jahres.

Kurve für Kurve

Die Strecke stellt die Fahrer vor große Herausforderungen: Ständig erfolgen Richtungswechsel, Phasen zum Ausruhen gibt es nicht. Das erste Kurvengeschlängel ist ein typisches Beispiel: Aus knapp 300 km/h wird heruntergebremst, der Einlenkpunkt für Turn 1 muss genau stimmen. Direkt danach geht es in Turn 2 über leichte Bodenwellen; in der Vergangenheit gab es spektakuläre Quersteher an dieser Stelle, an der bereits der Scheitelpunkt für Turn 3 anvisiert wird.

Die beste Überholmöglichkeit auf der Strecke befindet sich bei der Anfahrt zu Turn 7, auf dem Raffles Boulevard, auf dem etwa 300 km/h erreicht werden. Wichtig ist dabei der Eingang auf die Gerade (Turn 5), auf der die Fahrzeuge immer wieder mit Untersteuern zu kämpfen haben. Wer dort zu weit nach außen gerät, kommt nicht nur in Konflikt mit der Mauer, sondern auch mit bösen Bodenwellen neben der Ideallinie.

Nach einer Reihe von 90-Grad-Kurven wartet die Schikane auf die Fahrer. Die schlicht "Turn 10" genannte Links-Rechts-Links-Kombination ist eine der größten Herausforderungen für die Fahrer im gesamten Kalender. Nur Zentimeter neben der Ideallinie reißt der Grip schlagartig ab, eine spektakuläre Flugeinlage wäre die Folge. Fahrer wie Kimi Räikkönen und Adrian Sutil haben schon Bekanntschaft mit der Sprungschanze und der Mauer an dieser Stelle gemacht.

90-Grad-Kurven en masse

I believe I can fly: Die Schikane hat schon so manches Auto abheben lassen, Foto: Sutton
I believe I can fly: Die Schikane hat schon so manches Auto abheben lassen, Foto: Sutton

Nach der Anderson Bridge und der Spitzkehre am Fullerton Hotel begeben sich die Fahrer über einen Damm auf den Rückweg. Ganz Mutige versuchen vor Turn 14 - einer 100-Grad-Rechtskurve - aus 280 km/h heraus ein Überholmanöver. Dass dies ein Ritt auf der Rasierklinge ist, musste Adrian Sutil 2009 feststellen, als sein Angriff auf ein vor ihm fahrendes Fahrzeug scheiterte, er sich drehte, und beim Wiederlosfahren Nick Heidfeld abräumte.

Im letzten Sektor wartet eine Reihe von 90 Grad Links-Rechts- und Rechts-Links-Kombinationen auf die Fahrer. Dazu gehört auch Turn 17, die legendäre Piquet-Kurve, in der sich der Brasilianer auf Anweisung des Teams absichtlich in die Mauer drehte, um Fernando Alonso mittels Safety-Car in Führung zu spülen. Fahrerisch sehr anspruchsvoll sind die letzten beiden Kurven, Turn 22 und 23, die um den Singapore Flyer im vierten Gang gefahren werden. Hier wird bestimmt, wie viel Schwung die Fahrer mit auf die Zielgerade nehmen, wichtige Zehntelsekunden können hier im Qualifying noch weggeworfen werden, wenn das Fahrzeug zu sehr untersteuert.

Auf die Fahrer wartet eine knallharte physische Herausforderung, auf die Bremsen aufgrund der vielen kurzen Bremsmanöver hintereinander eine harte Belastung. Mechanischer Grip ist entscheidend, außerdem muss das Fahrzeug mit den vielen Bodenwellen in der Innenstadt umgehen können. Trotz der harschen Kritik von Montezemolo hat die Strecke auch ihre Befürworter: "Ich liebe Singapur und ich denke, dass das Nachtrennen ein toller Erfolg ist", sagt Rubens Barrichello. Auch bei McLaren stößt der Kurs auf Gegenliebe: "Der Große Preis von Singapur ist schon nach wenigen Jahren ein Klassiker geworden - die Strecke und ihre Einrichtungen sind wirklich Weltklasse", so Teamchef Martin Whitmarsh.