Kritiker werfen Felipe Massa vor, nach seinem schweren Ungarn-Unfall 2009, den Biss verloren zu haben. Neben Platzhirsch und Ferrari-Leader Fernando Alonso, sieht der Brasilianer bei der Scuderia bisweilen nicht sonderlich glücklich aus. Zu groß ist der Abstand im Qualifying und in den Rennen - wirklich auf seine Seite ziehen, kann der 30-Jährige sein Team nicht. Für Jacques Villeneuve ist dieser Umstand vor dem Hintergrund der allgemeinen Konstellation bei Ferrari jedoch nur logisch. Kritisieren müsse man Massa deswegen noch lange nicht.

Auch wenn der Vizeweltmeister von 2008 beim italienischen Traditionsrennstall im Schatten von Teamkollege Alonso stehen würde, seien seine Leistungen dennoch besser, als oftmals dargestellt. "Das Problem ist, dass Alonso zu Ferrari kam und intern sehr schnell eine Menge Einfluss gewann. Wenn das passiert, lässt es eine Energie entstehen, die die Leute in einen stecken - in diesem Fall in Alonso", so der Kanadier am Rande eines Stockcarrennens in Sao Paulo gegenüber TotalRace. "Es scheint so, dass wenn das Auto gewinnt, dass es das dann nur mit ihm tut", erklärte der Champion von 1997 und fügte an: "Für den anderen Fahrer lässt so etwas eine sehr schwierige Situation entstehen - das ist dann wie eine Doppelaufgabe."

Alonsos Vorteil ist nur natürlich

Für Massa sei demnach harte Arbeit angesagt, um wieder an Reputation zu gewinnen. "Genau das muss Felipe machen. Er hat den Speed und er besitzt die Fähigkeiten, sehr stark zu fahren und hervorragend mit dem Auto umzugehen", so Villeneuve, der dem aktuell Sechsten der WM den Rücken stärkte: "Ich habe überhaupt keine Zweifel daran." Trotzdem müsse sich der Ferrari-Star weiter steigern. "Er muss einfach noch mehr machen, weil es Alonsos Team ist. Das ist wiederum normal, wenn man bedenkt, dass er Doppelweltmeister ist. Es ist einfach nur logisch", so der 40-Jährige, der meinte: "Wenn der Stallgefährte schon zwei Titel gewonnen hat, ist es normal, dass sich das Team auf ihn konzentriert."

Das fröhliche Sauber-Duo des Jahres 2005: Villeneuve & Massa verstanden sich in ihrer gemeinsamen Zeit bei den Schweizern gut, Foto: xpb.cc
Das fröhliche Sauber-Duo des Jahres 2005: Villeneuve & Massa verstanden sich in ihrer gemeinsamen Zeit bei den Schweizern gut, Foto: xpb.cc

Villeneuve betonte, trotzdem weiterhin an seinen Ex-Teamkollegen zu glauben. 2005 fuhr das Duo zusammen beim schweizer Sauber-Team. Danach wechselte Massa zurück zu Ferrari, wo er zuvor bereits als Testfahrer engagiert war und 2006 neben Michael Schumacher zum Top-Piloten reifte. Nach dem ersten Sieg in der Türkei im gleichen Jahr, folgte bereits 2007 eine weitere starke Performance, auch wenn Massa am Ende nicht mehr in den Titelkampf eingreifen konnte. 2008 war der große Triumph dann eigentlich schon sicher, ehe Lewis Hamilton, begünstigt durch das Glück einsetzenden Regens, auf den letzten Metern in Interlagos noch eine Position gegen Timo Glock gutmachte und dem Brasilianer vor seinen trauernden, heimischen Fans den eigentlich schon sicheren Titel entriss.

Massa hätte den Titel verdient gehabt

"Felipe hat Rennen gewonnen und beinahe auch einen Titel, vielleicht sogar zwei. Er ist ein großartiger Fahrer", stellte Villeneuve klar. "Auch im Moment fährt er für Ferrari noch stark. Ich kann die Leute, die ihn kritisieren, nicht verstehen", so der Kanadier. Würde man Massas Karriere so betrachten, müsse man feststellen, dass er den ihm fehlenden Titel eher verdient hätte, als manch anderer Weltmeister - so zum Beispiel auch mehr, als Ex-Ferrari-Kollege Kimi Räikkönen. "Als Kimi den Titel gewonnen hat, tat er das mit einer Menge Glück - wirklich verdient hat er ihn nicht", erklärte der ehemalige Indy-500-Sieger. Räikkönen profitierte im Schlussspurt des Titelkampfs 2007 vom erbitterten Duell seiner McLaren Rivalen Hamilton und Alonso.

Während sich die Silberpfeil-Piloten gegenseitig die Punkte wegnahmen, konnte der Finne in den letzten beiden Läufen in China und Brasilien noch unglaubliche 17 von möglichen 20 Zählern aufholen und sich überraschend die Krone aufsetzen. Massas Vizeweltmeister-Saison im Jahr darauf, sei da schon eindrucksvoller gewesen. Wie sich erst 2009 herausstellte, hatte der Ferrari-Pilot damals zudem durch den Crashgate-Skandal in Singapur wertvolle Punkte verloren. "Felipe verdient den Titel im Vergleich viel mehr. Er war immer begabter als Kimi und konnte ihn eigentlich relativ einfach schlagen", so Villeneuve.