Geht es nach Craig Pollock, liegt es an der FIA, den Ärger vieler Teams über den Wechsel von Gilles Simon zu seiner Motorenfirma PURE zu klären. Vor einer Woche hatte man verkündet, dass man den FIA-Motoren- und Elektronik-Beauftragten als neuen technischen Direktor unter Vertrag nehmen konnte - und das mit beinahe sofortiger Wirkung. Die Konkurrenz befürchtet nun natürlich, dass der Motorenbauer durch diese geglückte Abwerbung für die Zukunft einen großen Vorteil hat. Immerhin war Simon als Schlüsselfigur an allen Gesprächen der Motorsportbehörde mit den Herstellern über die neuen V6-Aggregate für die Saison 2014 beteiligt und hatte Zugriff auf viele Daten.

Craig Pollock selbst glaubt nicht, dass sein neuer Mitarbeiter irgendwelche vertraulichen Informationen preisgeben würde und betont auch, dass es nicht der Fehler seiner Firma sei, dass man den Franzosen habe verpflichten können. "Ihm wurden keine Arbeitspläne und auch nicht alle Technikpläne zugänglich gemacht. Ich denke daher, dass die Aufregung ein bisschen übertrieben ist", so der 55-Jährige. "Die FIA war zwar an allen Sitzungen beteiligt, aber das sind offene Diskussionsrunden und da weiß jeder Hersteller, was die jeweilige Konkurrenz so treibt", so Pollock, der allerdings zugab: "Ich kann sie schon verstehen."

Zusammenarbeit unter den Herstellern erwünscht

Bei Kimi Räikkönens Sieg in Silverstone 2007 durfte Gilles Simon mit aufs Podium - damals war die Streitfigur dieser Tage noch als Ferrari-Motorenchef in Funktion, Foto: Sutton
Bei Kimi Räikkönens Sieg in Silverstone 2007 durfte Gilles Simon mit aufs Podium - damals war die Streitfigur dieser Tage noch als Ferrari-Motorenchef in Funktion, Foto: Sutton

"Wenn ich Chassis-Hersteller wäre und Adrian Newey von Red Bull verpflichten würde, dann wäre ich auch sicher, dass es einige Leute gibt, die darüber nicht gerade erfreut wären", erklärte der PURE-Boss die Qualitäten seiner Neuerwerbung Simon, der in der Vergangenheit auch schon als Ferrari-Motorenchef tätig war. "Ich bin natürlich sehr glücklich, dass Gilles bei uns ist. Aber ich würde gerne klarstellen: Wir führen keinen Kampf gegen die Hersteller - wir sind hier, um mit ihnen zusammenzuarbeiten und den Sport in der Zukunft stärker zu machen", so der ehemalige BAR-Teamchef.

Unter den Kritikern der neuen Partnerschaft war zuletzt auch Renault-Motoreningenieur Rob White, den Pollock noch gut aus seiner Zeit als Manager von Jacques Villeneuve kennt. White war 1995 unter anderem am Triumph seines Schützlings bei den legendären Indianapolis 500 beteiligt. "Rob hat aber auch klargemacht, dass er keine Schwierigkeiten mit mir oder PURE hat, sondern dass das Problem am System der FIA liegt. Wenn jemand seine Position verlassen will, dann gibt es bestimmte Wege, wie das geschehen kann und ist vom jeweiligen Vertrag abhängig", erklärte der Schotte, der anfügte: "Gilles konnte die FIA aber einfach so und ohne irgendwelche Hindernisse verlassen."

Dass dies einfach so möglich war, wollen nun einige Teams, die mit der Situation unzufrieden sind, mit der FIA besprechen. So erklärte beispielsweise McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh: "Ich denke, es ist eine sensible Angelegenheit, wenn jemand innerhalb der FIA Zugang zu geistigem Eigentum der Teams oder Automobilhersteller hat und dann am folgenden Montag einfach so zu einem Konkurrenten wechseln kann." Man hätte sich ja vorstellen können, dass das für Gesprächsstoff sorgen würde. "Wir werden mit der FIA darüber reden. Nun ist es passiert und ich denke nicht, dass man die Uhr noch zurückdrehen kann. Wir können die Situation nicht mehr verändern", meinte der McLaren-Boss, fügte allerdings an: "Es wäre aber wohl sinnvoll, für die Zukunft seine Lehren daraus zu ziehen."

Schuld tragen die Verträge der FIA

Diese Meinung teilt auch Renault-Teamchef Eric Boullier, der meinte: "Für mich ist das schon eine schwierige Angelegenheit. Er hatte Zugriff auf viele Daten und Informationen und hat sehr viel mit unseren Motorenleuten gesprochen", so der Franzose, der einen Ratschlag für die Motorsportbehörde folgen ließ. "Die FIA sollte Leute nur mit einer Sperrzeit, die lange genug ist, um sicherzustellen, dass nicht irgendein Austausch über die Technologie stattfinden kann, aus ihren Verträgen entlassen", sagte Boullier. Dem stimmte sogar Pollock selbst zu, der erklärte, dass die FIA ihre Mitarbeiter in Zukunft so an sich binden müsse, dass sofortige Wechsel nicht mehr möglich seien.

"Dagegen hätte ich überhaupt nichts. Man kann das nur eben jetzt nicht mehr im Nachhinein verlangen", so Pollock. "Für die Zukunft heißt das ganz einfach, dass ich, solange es Sinn macht, allem zustimmen werde, was gut für den Sport ist", stellte der Ex-Manager von Jacques Villeneuve klar. "Jeder ist doch in diesem Geschäft, um Geld zu machen. Niemand will hier Geld verlieren. Mein Ziel ist es daher, neue Leute zu verpflichten, die sicherstellen, dass die Firma genauso konkurrenzfähig ist, wie alle anderen auch", erklärte der 55-Jährige seine Motivation für den streitbaren Transfer. "Alles was ich gemacht habe ist, für mein eigenes Unternehmen zu kämpfen", rechtfertigte sich der Schotte.