Jubel auf der einen Seite, Enttäuschung auf der anderen. "Das ist Motorsport", sagt McLaren-Managing Director Jonathan Neale mit einem ehrlichen Lachen. Während Neales Team Jenson Buttons Sieg in dessen 200. Grand Prix, auch noch am Ort seines ersten GP-Erfolges, feierte, teilte es den Frust und die Enttäuschung von Lewis Hamilton, der vom möglichen Sieger zum Vierten wurde.

"Heute freuen wir uns für Jenson und leiden mit Lewis", räumt Neale gegenüber Motorsport-Magazin.com ein. Bei den wechselhaften Bedingungen hätten es alle Fahrer schwierig gehabt – bei Hamilton fällte das Team eine falsche Entscheidung, die sein Rennen beeinträchtigte.

Fehlgriff bei den Reifen

"Wir befinden uns in stetigem Austausch mit dem Fahrer", so Neale. "Wir wussten, dass Lewis mit den superweichen Reifen nicht bis ins Ziel fahren konnte. Was wir nicht wussten, war, wie sehr sie wirklich abbauen würden." Irgendwann musste eine Entscheidung her. "Im kritischen Moment, als Lewis neue Reifen benötigte, mussten wir in einem Sekundenbruchteil entscheiden – da regnete es stärker und die Autos rutschten von der Strecke."

Gemeinsam habe man sich deshalb für Intermediates entschieden – eine Fehlentscheidung, wie sich herausstellen sollte. Hamilton konnte vorher jedoch nicht sagen, ob sein Dreher an den Bedingungen oder den Reifen gelegen hatte. Die Folge des Drehers war ein Wendemanöver, das ihm eine Durchfahrtsstrafe einbrachte.

Die Rennkommissare möchte Neale dafür nicht kritisieren. "Ich bin etwas altmodisch und ein großer Rugby-Fan", erklärt er. "Was ich daran mag, ist, egal ob man falsch oder richtig liegt, wenn der Schiedsrichter entschieden hat, ist es Gesetz." Diskussionen und Rudelbildung ausgeschlossen.

Jenson Button ließ McLaren jubeln, Foto: McLaren
Jenson Button ließ McLaren jubeln, Foto: McLaren

"Lewis war heute ein echter Racer", lobte Neale trotz allem. "Egal wer vor ihm war, er war sein nächstes Opfer. Sobald Lewis frische Reifen hatte, ging die Jagd los – ich liebe diesen Fahrstil. Er gibt niemals auf. Nie. Ich würde Lewis nie auftragen, nicht anzugreifen – es ist Teil seiner DNS."

Angriffslustige Fahrer

Genauso zufrieden ist Neale mit Button und der Art und Weise, wie die beiden McLaren-Piloten miteinander umgehen – hart, aber fair. "Wir lassen unsere Fahrer für die Fans gegeneinander antreten – sie fahren hart und ich bekomme jedes Mal fast einen Herzinfarkt", gibt er zu. "Sie haben schon in der ersten Kurve nach dem Start sich mit den Rädern berührt. Dabei altert man ganz schön."

Einen großen Unterschied zwischen Button und Hamilton sieht Neale nicht. "Ihre Fahrstile sind leicht unterschiedlich", erklärt er. "Lewis braucht ein gutes Auto beim Einlenken in den langsamen Kurven – mit viel mehr Übersteuern, er benutzt das Gas mehr. Jenson stimmt das Auto wie ein Präzisionsinstrument ab, das zu seinem sehr runden Fahrstil passt."

Demnach können die zwei Fahrer das Auto und die Reifen unterschiedlich nutzen. "Aber beide Fahrer jagen sehr gut. Jensons Fahrt in Kanada zeigte, dass auch er bereit ist, Risiken einzugehen und anzugreifen. Wir haben zwei Fahrer, die angreifen, aber der eine bevorzugt ein unruhiges Auto, der andere eines, das etwas ruhiger ist."

Das Ergebnis war in den vergangenen Rennen sehr gut: McLaren gewann drei der letzten fünf Rennen und holte in Deutschland und Ungarn insgesamt 62 Punkte. "Wir gehen also mit Schwung in die Sommerpause – das ist ein sehr gutes Gefühl", bestätigt Neale gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Am Samstag waren wir sogar ein wenig enttäuscht, weil wir nicht auf Pole standen. Vor nicht allzu vielen Rennen hätte das noch ganz anders ausgesehen..."