1. - S wie Super-Seb

Die Szenen glichen sich, doch der Ausgang hätte nicht unterschiedlicher sein können: Am Freitag wie am Samstag musste Sebastian Vettel in den letzten Minuten der Fahraction zusehen - doch während er am Freitag das Training wegen seines Unfalls verpasste, schaute er im Q3 bewusst zu, wie sich die Konkurrenz die Zähne an seiner Bestzeit ausbiss.

"Nach dem schwierigen Tag gestern, hat er heute auf dem bestmöglichen Weg zurückgeschlagen", lobte Teamchef Christian Horner seinen Piloten, der im vierten Qualifying des Jahres die vierte Pole Position einfuhr - 100 Prozent Erfolgsquote!

"Mark und ich hatten in Q3 beschlossen, den zweiten Run ausfallen zu lassen", verriet Vettel die Herangehensweise bei Red Bull. Mit vier Zehnteln Vorsprung hatte Vettel auch nichts mehr zu befürchten. Seine Runde war zu gut. "Aber das ist schon ein komisches Gefühl, wenn die anderen auf der Strecke fahren und du nur zuschauen kannst", sagte er.

Dabei konnte Vettel gar nicht auf die neuesten aerodynamischen Kniffe von Adrian Newey zurückgreifen. "Es gab ein kleines Teil am Frontflügel, das bei seinem Unfall am Freitag beschädigt wurde", erklärte Horner. Dieses Teil liegt nicht noch einmal vor, weshalb Vettel es in der Türkei nicht einsetzen kann. Behindert hat ihn das nicht. "Das Teil ist sehr, sehr klein", wiegelte Horner ab. "Es ist schwer zu sagen, welche Auswirkungen das auf die Performance hat. Ich gehe davon aus, dass wenn überhaupt dann nur ein kleines bisschen."

2. - S wie Startaufstellung

Zum ersten Mal starten beide Red-Bull-Fahrer in dieser Saison aus der ersten Reihe - und zum ersten Mal steht in diesem Jahr kein McLaren in Reihe eins. Aber auch Reihe zwei führt kein McLaren-Pilot an, stattdessen bestätigte Nico Rosberg im Mercedes-Silberpfeil den Aufwärtstrend seines Teams.

Nico Rosberg gelang mit Platz drei eine Überraschung, Foto: Sutton
Nico Rosberg gelang mit Platz drei eine Überraschung, Foto: Sutton

"Wir sind direkt hinter Red Bull und fünf Zehntel dran. Das ist schon super", freute sich Rosberg. "Ein Podestplatz ist auf jeden Fall drin." Für Lewis Hamilton reichte es dahinter nur zu Rang vier - vor Fernando Alonso und Jenson Button.

"In China hätten wir noch gedacht, dass es unmöglich wäre, vor Button zu sein", sagt Alonso. "Und jetzt sind wir im Qualifying doch vor ihm." Dennoch ist Ferrari scheinbar auch hinter Mercedes zurückgefallen, wobei Alonso immerhin Michael Schumacher bezwingen konnte, der von Startplatz acht ins Rennen geht.

3. - S wie Start

"Ich greife natürlich an!", hält Rosberg sich nicht zurück. "Beim Start habe ich eine gute Chance, weil ich von der sauberen Seite starte." Das sehen alle Fahrer so. "Gut war es, die falsche Seite der Startaufstellung zu vermeiden, da das hier normalerweise schon einen Unterschied macht", bestätigte Alonso.

Button und Hamilton müssen mit der schmutzigen Seite Vorlieb nehmen. "Das wird die größte Herausforderung, aber bisher bin ich noch jedes Jahr von der dreckigen Seite gestartet", nahm Button es gelassen. Sein Teamkollege Hamilton blies aber wie gewohnt zur Attacke, musste aber eingestehen: "Es wird schwer Mercedes zu überholen, denn sie sind auf den Geraden sehr schnell. Bis ich Nico gepackt habe, könnten die Red Bulls schon weg sein."

Außer Rosberg kassiert seinerseits auf den 120 Metern bis zur ersten Kurve Webber, dessen KERS bekanntlich gerne mal Probleme bereitet. "Mercedes war in der Vergangenheit bei den Starts immer gut", betont Kai Ebel. "Ich kann mir gut vorstellen, dass es nach der ersten Kurve heißt - Vettel vor Rosberg." Ein weiteres deutsches Duell gibt es um Platz 8 zwischen Schumacher und Nick Heidfeld.

"Heidfeld ist als einer der besten Starter bekannt, ich hoffe die knallen sich nicht gegenseitig raus", betont Ebel. Tatsächlich: Heidfeld, Schumacher und Sutil haben in den Startrunden der ersten drei Grand Prix am meisten Plätze gutgemacht. Heidfeld hat dabei einen Vorteil: er startet von der sauberen Seite. "Das sollte uns helfen, ein paar Plätze gut zu machen", sagt Renault-Technikchef James Allison. Heidfeld hofft ebenfalls darauf: "Ich hoffe, dass ich ihn gleich am Start aufschnupfen kann, aber er wird natürlich auch probieren, mich hinter sich zu halten und nach vorne zu schauen."

4. - S wie Strecke

Die Berg- und Talbahn in Istanbul wird gerne auf Kurve acht mit ihren drei Scheitelpunkten reduziert - dabei ist der gesamte Kurs sehr anspruchsvoll für Fahrzeug und Fahrer. Dennoch birgt Kurve acht die größte Faszination in sich: 640 Meter lang, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 270 km/h, rund 8,5 Sekunden Verweildauer für die Fahrer und Beschleunigungskräfte bis zu 5G.

"Wenn ich meine Traum-Formel 1-Rennstrecke entwerfen müsste, wäre diese Kurve garantiert darin enthalten", sagt Nico Rosberg. Neben Kurve acht gibt es auch einige mittelschnelle Kurven, und die lange Gegengerade, die gute Möglichkeiten zum Überholen bietet. Am Ende der Runde gibt es drei enge Kurven, in denen es auf die Bremsstabilität, die Linie durch die Kurven sowie die Traktion beim Herausbeschleunigen ankommt.

Die DRS-Zone beginnt kurz vor Kurve elf, der schnellen Rechtskurve, die auf die Gegengerade geht. Das Ende der Zone ist vor Kurve zwölf. Ob ein Auto im Rennen nahe genug am Vordermann dran ist, um den Heckflügel einsetzen zu dürfen, wird kurz vor der Bremszone für Kurve neun ermittelt.

5. - S wie Strategie

Nie war die Strategie so wichtig wie in dieser Saison. Einer der am meisten gebrauchten Sätze im Fahrerlager war deshalb folgender: "Wir konnten für das Rennen Reifensätze sparen. Wir sollten daher in einer guten Ausgangslage sein." In diesem Fall stammt er von Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Was er meint: Seine beiden Fahrer Vettel und Webber sparten im Qualifying einen frischen Reifensatz für das Rennen auf.

Gleiches gilt für beide Mercedes-Fahrer - auch Rosberg und Schumacher können im Türkei GP noch auf einen neuen, weichen Reifensatz zurückgreifen. Wenn es nach Renault-Technikdirektor James Allison geht, werden die Fahrer diese Reifen auch dringend benötigen.

"Es wird an der Box ziemlich arbeitsreich zugehen", vermutet Allison. "Bisher haben wir zwischen zwei oder drei Boxenstopps gesehen, aber ich gehe davon aus, dass es morgen mehr sein werden. Das erkennt man schon daran, dass viele Teams Reifen gespart haben." Sebastian Vettel betont deshalb: "Es wird ein hartes Rennen, in dem man die Reifen managen und den Überblick bewahren muss. Wir werden einige Stopps sehen, keine Ahnung wie viele."

Lewis Hamilton hat die Red-Bull-Jagd noch nicht aufgegeben, Foto: Sutton
Lewis Hamilton hat die Red-Bull-Jagd noch nicht aufgegeben, Foto: Sutton

Auf einen Einsatz des Safety-Cars brauchen die Strategen wohl nicht zu spekulieren. In den bisherigen Rennen seit 2005 kam das Fahrzeug erst zwei Mal zum Einsatz. Die SC-Wahrscheinlichkeit beträgt damit 33%.

6. - S wie Sonntagswetter

Nachdem das erste Training am Freitag bei kühlen und nassen Bedingungen über die Bühne ging, erfreuten sich die Piloten am Samstag am Sonnenschein. Für den Renntag soll es ebenfalls trocken bleiben - die Wetterfrösche sehen ein Niederschlagsrisiko von nur 20 Prozent. "Ich denke, dass es morgen trocken bleiben wird", glaubt Jenson Button. "Das ist auch gut so. Die Rennen sind momentan aufregend genug - mit den Reifen und den verschiedenen Strategien. Da brauchen wir nicht Regen auch noch."

7. - S wie Spannung

Selbst ohne DRS, KERS und abbauende Pirelli-Reifen steckte der Türkei GP 2010 voller Zündstoff - zum einen wegen der Duells Lewis Hamilton gegen Jenson Button, zum anderen wegen der berüchtigten Red-Bull-Kollision zwischen Sebastian Vettel und Mark Webber.

"Voriges Jahr gab es in diesem Raum [Pressekonferenz-Raum] eine andere Atmosphäre", erinnert sich Webber an den Hornochsen-Streit. Vettel hat sich keine Wiederholung vorgenommen, möchte aber auch nicht gänzlich ausschließen, dass es wieder kracht. "Wir sind hier nicht zum Spaß, sondern um Rennen zu fahren. Da kann man schon aneinander geraten, aber wir haben es nicht vor", so der Red Bull-Pilot.

Angesichts der starken Form von Red Bull könnte das Rennen eine deutliche Angelegenheit werden. "Red Bull steht auf Platz eins und zwei - das ist in den letzten zwei oder drei Jahren normal geworden", gibt Fernando Alonso zu bedenken. "Aber dann haben sie am Sonntag nie so viele Punkte geholt." Es gibt also noch Hoffnung für McLaren, Mercedes, Ferrari und Co.

Auf jeden Fall für Spektakel sorgen wird Kamui Kobayashi. Der Japaner geht nach einem Defekt im Qualifying von ganz hinten auf eine ähnliche Aufholjagd, wie sie Mark Webber in China vollbrachte - und wenn ein Fahrer aggressiv überholen und Plätze gutmachen kann, dann ist es der Japaner. "Obwohl ich ja sehr gern überhole, muss ich zugeben, dass verdammt viele Autos zwischen mir und dem ersten Punkt liegen", stellte er fest. Das hindert ihn aber nicht an der Attacke: "Ich werde einfach angreifen - auch an Stellen, an denen man theoretisch nicht überholen kann."