Die Mikrofone warten auf die Fahrer, dabei nehmen sie selten etwas Neues auf, Foto: Sutton
Die Mikrofone warten auf die Fahrer, dabei nehmen sie selten etwas Neues auf, Foto: Sutton

Wo sind nur die guten, alten Zeiten hin, wo nicht nur jeder Journalist jeden Fahrer kannte, sondern auch jeder Fahrer jeden Journalisten kannte und man problemlos miteinander plaudern konnte? Einfach undenkbar in der heutigen Zeit. Heute ist alles durchorganisiert. Als Journalist muss man sich Wochen im Voraus bei den Presseleuten zum Interview anmelden, dabei kennt man die Antworten der Piloten meist sowieso schon vorher und könnte sie quasi schon zur Autorisierung mitliefern.

Es sind immer wieder die gleichen PR-Phrasen, die einem um die Ohren gehauen werden und einem das Gefühl geben, als wäre man im Film "Und ewig grüßt das Murmeltier" gefangen. Schlimmer als PR-Antworten sind nur Lügen. Da hat einem gerade noch Mattias Ekström am Telefon versichert, dass für ihn das Thema NASCAR abgehakt sei als wenig später die Pressemeldung über seinen nächsten NASCAR-Test ins E-Mail-Postfach flattert.

Wo ist Kimi?

Kimi Räikkönen sagt nie viel, aber auch nichts Falsches, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen sagt nie viel, aber auch nichts Falsches, Foto: Sutton

Oder Unwahrheiten, von denen man es ahnt, aber bis nach dem Saisonfinale warten muss, um die Wahrheit zu erfahren. "Vielleicht habe ich mich zu sehr auf den Funk verlassen, vielleicht auch die Lichter des Safety Cars nicht richtig gesehen, vielleicht war ich auch etwas abgelenkt", sagte Sebastian Vettel nach seinem "angeblichen Fehler" in Ungarn. Das Team kritisierte ihn sogar dafür. Die Wahrheit, die hinterher ans Licht kam: Vettel wollte Webber so viel Vorsprung wie möglich verschaffen, damit dessen Reifenstrategie aufging.

Da sehnt man sich als Journalist glatt nach einem Kimi Räikkönen. Klar, der Finne ist nicht gerade als großer Redner bekannt, aber man bekommt immer 100 Prozent Kimi Räikkönen. Nichts Geschöntes, nichts Korrigiertes, nichts Gelogenes - und ja zugegeben, auch selten etwas Informatives. Kimi, kannst Du ein bisschen was sagen? "Yeah, eins, zwei... drei." Räikkönen hätte durchaus ein Fahrer aus den guten, alten Zeiten sein können, als Fahrer noch echte Typen waren. Heute sind von den aktuellen Rennfahrern die meisten nur noch Marionetten. Von ihren PR-Leuten wird jedes Wort mitgeschnitten, kontrolliert und wenn nötig auch zensiert.

Neue Teile? Welche Teile?

Suchspiel: Irgendwo da drin steckt Lewis Hamilton, Foto: Sutton
Suchspiel: Irgendwo da drin steckt Lewis Hamilton, Foto: Sutton

So passiert es auch schon einmal, dass Nico Rosberg während einer Presserunde (durchaus mit einem gewissen Grinsen in den Mundwinkeln) zu seinem Pressesprecher blickt und fragt: "Was darf ich sagen, was wir an neuen Teilen haben?" In den guten, alten Zeiten überlegte ein Fahrer nicht lange, bevor er antwortete. Aber in den guten, alten Zeiten bekam der Fahrer von seinen Chefs auch nicht eins auf die Mütze, wenn er etwas Falsches sagte.

Heute greift das Team sofort ein, so verbot Mercedes nach dem holprigen Saisonstart Rosberg in Interviews das Wort "Katastrophe" zu verwenden - denn das könnte falsch interpretiert werden. Die Top-Piloten haben ihre Lektion schon vor langer Zeit gelernt: alles Positives kann man preisgeben, alles Negative kann man sich denken. Nur zu dem einen oder anderen Rookie ist diese Goldene Regel noch nicht durchgedrungen.

Nach einem völlig verhauten Rennwochenende in Singapur lästerte einer von ihnen unverhohlen über sein Team. Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund. Für uns Journalisten eigentlich sehr erfrischend, aber schnell hatte er den Punkt erreicht, an dem er sich um Kopf und Kragen redete. Doch anstatt auf die Story sofort aufzuspringen, wurden die Mikros und Aufnahmegerät abgestellt. Es war klar: gelangten diese Aussagen an die Öffentlichkeit, wäre der Rookie sein Cockpit los. Manchmal müssen sich Journalisten sogar selbst zensieren. Man mag es kaum glauben!

Mehr Kolumnen, Hintergründe und Interviews lesen Sie in der Printausgabe des Motorsport-Magazins – im Handel erhältlich oder am besten direkt online zum Vorzugspreis ausprobieren: