Viel Zeit ist seit dem Singapur Grand Prix 2008 vergangen, bei dem Nelson Piquet Jr. absichtlich verunfallte, um damit eine Safety Car Phase auszulösen und seinen Teamkollegen Fernando Alonso in eine bessere Position zu bringen. Er wurde damals von Pat Symonds und Flavio Briatore dazu angestachelt, Alonso selbst war laut Erkenntnis des World Motor Sport Council nicht in die Sache involviert. Nun hat Piquet erstmals offen darüber gesprochen, wie die Sache sich damals entwickelt hat.

Nach dem schlechten Qualifying am Samstag war Symonds zu ihm gekommen und hatte ihm gesagt, dass beide Renaults am Ende des Feldes stünden und man dadurch in einer Situation sei, bei der man im Rennen nichts erreichen werde, sollte nicht etwas Außergewöhnliches passieren. "Briatore stimmte dem zu und sagte, es wäre 'ein Desaster für das Team', außer es würde etwas Außergewöhnliches passieren. Ich saß nur da und hörte zu, denn ich wusste noch nicht, wo das hinführt", erklärte Piquet gegenüber der Times. Die Situation sei angespannt gewesen, erinnerte er sich und nach fünf Minuten habe Briatore dann mit der Sprache rausgerückt.

Briatore machte Druck

"'Schau her, der einzige Weg, wie wir Profit schlagen können, ist ein Safety Car zur richtigen Zeit auf die Strecke zu bekommen', sagte er. Ich saß nur da und sah sie an. Sie erinnerten mich beide daran, was in Deutschland passiert war, als jemand verunfallte, nachdem ich gerade in der Box war und ich dann Zweiter wurde. 'Willst du dem Team helfen?', sagte Flavio, 'Wenn du im richtigen Moment verunfallst, könnte das alles ändern'", berichtete Piquet. Briatore habe ihn dann unter Druck gesetzt und Anordnungen von sich gegeben, bevor der Italiener genau erklärte, wie alles abzulaufen habe.

Nelson Piquet Jr. war nervös, Foto: Sutton
Nelson Piquet Jr. war nervös, Foto: Sutton

"Sie wollten das Safety Car in Runde 14. Es fühlte sich eigentlich gut an, etwas für das Team zu tun, nachdem ich so viel Kritik bekommen hatte. Ich habe nicht einmal an die Moral des Ganzen gedacht. Während die Runden vorbeizogen, wusste ich, was kommen würde, aber es war schwer daran zu glauben, was ich da tun würde. Ich war beinahe nervös, dass ich es für das Team vergeigen könnte und weniger wegen meiner Sicherheit", sagte Piquet. Er habe so viel Angst gehabt, dass er kaum hätte atmen können. Jede Runde blickte er angespannt auf die Boxentafel, damit er auch wusste, in welchem Umlauf er war, wobei er aber kaum was erkannte, weil es dunkel war.

Unglaubliche Angst

Daher brüllte er auch immer wieder in den Funk, um zu fragen, welche Runde er gerade fuhr. "Sie bestätigten mir die Runde und ich begann mich vorzubereiten, denn ich wusste, was ich jetzt tun würde - auch wenn ich nicht glauben konnte, dass ich es tun würde. Ich kam in Runde 14 um die Schikane und fühlte, wie sich mein Magen zusammenzog. Ich hatte unglaubliche Angst, es war wie ein Traum. Ich berührte mit dem Hinterrad die Mauer und stieg dann aufs Gas, um in die andere Mauer zu krachen. Ich spürte beim Einschlag keinen Schmerz, aber das Adrenalin schoss auch durch mich. Ich fühlte, ich hatte während des ganzen Unfalls die Kontrolle über das Auto", erzählte der Brasilianer.

Danach kam wie geplant das Safety Car heraus und Alonso, der zwei Runden davor an der Box gewesen war, konnte das Rennen gewinnen. Piquet bekam für seinen "Unfall" ein paar Schulterklopfer und ein Dankeschön von Briatore, mehr aber auch nicht. Als er dann Mitte 2009 aus dem Team entlassen wurde, dauerte es auch nicht lange, bis die ersten Geschichten darüber auftauchten, er sei in Singapur absichtlich verunfallt. Kurz darauf begann dann auch die FIA mit ihrer Untersuchung. Piquet gab zu, dass er es Briatore heimzahlen wollte und entschuldigte sich dafür.

Ein stärkerer Mensch

"Wenn ich ehrlich bin, war ich wohl mehr vom Ärger gegen Flavio angetrieben als vom Wunsch, ein reines Gewissen zu haben", sagte Piquet. "Wenn ich zurückblicke, scheint es ein ganzes Leben her zu sein, aber ich weiß, ich werde diesem Schatten nie ganz entfliehen. Ich entschuldige mich freimütig für das, was ich getan habe. Ich hoffe nur, die Leute werden verstehen, unter welchem Druck ich stand. Das ist keine Entschuldigung, aber ich war ein sehr unglücklicher Mensch. Ich bin heute ein stärkerer Mensch. Wenn mir die Frage wieder gestellt würde, hätte ich sicher die Stärke, nein zu sagen."