Eigentlich klingt es nach einer sehr guten Idee: Ehemalige Formel-1-Piloten sollen als Berater bei den Sportkommissaren der FIA, stimmberechtigt bei allen Entscheidungen, in die oft sehr willkürlich erscheinenden Urteile und Strafen mehr Konstanz, Logik, Fingerspitzengefühl und Praxisnähe hineinbringen. Betrachtet man das, was in dieser Saison so an Strafen ausgesprochen wurde, kommen jedoch Zweifel auf, ob die ganze Aktion viel gebracht hat.

Wesentlich mehr Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit ist nicht zu erkennen. Und damit ist noch nicht einmal die fast wirkungslose Durchfahrtsstrafe gegen Lewis Hamilton in Valencia gemeint. Da sei allen Beteiligten zugute gehalten, dass die eindeutige Beweisaufnahme etwas dauerte, weil zusätzliche Fernsehbilder eingeholt werden mussten - und gleichzeitig noch der Webber-Kovalainen-Crash und seine Folgen im Auge zu behalten waren. Als dann alles klar war, sah der FIA-Strafenkatalog für dieses Vergehen eben eine bestimmte Strafe vor - die auch nicht erhöht werden konnte, nur weil die momentane Rennsituation bewirkte, dass die Strafe eigentlich gar keine echte mehr war.

Keine einheitliche Linie

Hamiltons Strafe in Valencia war gar keine, Foto: Sutton
Hamiltons Strafe in Valencia war gar keine, Foto: Sutton

Es geht um andere Fälle - um solche, wo offensichtlich weiterhin mit zweierlei Maß gemessen wird. Timo Glock wurde für das Behindern von Sakon Yamamoto im Qualifying in Spa um fünf Plätze nach hinten versetzt. Sebastien Buemi erhielt am gleichen Tag für das gleiche Vergehen gegen Nico Rosberg eine Strafversetzung um drei Plätze. Da fragte sich nicht nur Glock: Wo war der Unterschied?

In Monza war der Umgang mit dem Abschneiden der Schikane unterschiedlich: Jaime Alguersuari bekam dafür eine Durchfahrtsstrafe, Nico Hülkenberg nicht, der auf die gleiche Art mehrfach seine Position gegen Mark Webber verteidigte - kein Wunder, dass sich der Spanier ungerecht behandelt vorkommt...

Genauso wie Sebastian Vettel: Dem brummte man für die Aktion gegen Jenson Button in Spa eine Durchfahrtsstrafe auf. Obwohl für jeden klar ersichtlich sein musste, dass es sich nicht um eine absichtlich provozierte Kollision, sondern um die Folge eines Fehlers handelte, des "Verlieren des Autos" unter schwierigen Bedingungen auf einer Bodenwelle. Aber genau um solche Differenzierungen vorzunehmen, hat die FIA doch die Fahrer in das Gremium der Stewards geholt - oder etwa nicht?

Wer hört auf die Fahrer?

Der Fahrersteward hätte Schumacher für dieses Manöver gesperrt., Foto: Sutton
Der Fahrersteward hätte Schumacher für dieses Manöver gesperrt., Foto: Sutton

Andererseits durfte Robert Kubica Vettel in der Anfangsphase in Spa bei Tempo 300 ins Gras abdrängen - und es passierte nichts. Weil Vettel mit toller Reaktion und ein bisschen Glück einen Unfall vermeiden konnte. Und dann stellt die FIA in ihrer Begründung zum Weltrats-Urteil gegen Ferrari in Sachen Hockenheim-Affäre eindeutig fest, dass es sich um Stallorder gehandelt habe - also einen eindeutigen Verstoß gegen einen FIA-Paragraphen, wie man zu dessen Sinn oder Unsinn und zu dessen Überwachung in der Praxis auch immer stehen mag.

Tatsache ist: Es wurde festgestellt, dass ein Vergehen vorlag - das Fernando Alonso sieben zusätzliche WM-Punkte einbrachte, die zumindest theoretisch noch entscheidend werden könnten. Die kann man sich also für 100.000 Dollar kaufen?

Die Frage ist: Woran liegt es, dass das System nicht funktioniert? Daran, dass die unterschiedlichen Fahrer, die den Job des Zusatz-Stewards bekleiden, auch unterschiedliche Ansichten haben oder eher daran, dass die meist altgedienten FIA-Funktionäre ihren Stiefel weiter durchziehen, egal, was die Fahrer sagen? Derek Warwick, in Ungarn der Beisitzer, sagte ziemlich deutlich, dass er im Falle Michael Schumacher gegen Rubens Barrichello für ein Rennen Sperre plädiert habe. Mit 3:1 Stimmen fiel das Urteil mit einer Rückversetzung um zehn Startplätze für Spa allerdings deutlich milder aus...

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