Auf der Rennstrecke ist der amtierende Konstrukteursweltmeister Mercedes GP noch nicht weltmeisterlich. Michael Schumacher und Nico Rosberg sind unter normalen Bedingungen nicht siegfähig. Doch in der Boxengasse ist das Team in diesem Jahr beinahe unschlagbar. Schon mehrfach legte die Boxencrew die schnellsten Stopps eines Rennwochenendes hin. In Hockenheim fertigte die Truppe sogar beide Fahrer bei ihrem einzigen Stopp am schnellsten von allen ab.

Rosberg absolvierte in 17.992 Sekunden den schnellsten Boxenstopp des Rennens, Schumacher legte in 18.052 Sekunden den zweitschnellsten Stopp hin. "Unsere Jungs wollen die Besten in der Boxengasse sein", sagt Mercedes-GP-Chefmechaniker Matt Deane. Auf die Pace des Autos hat die Truppe keinen Einfluss, aber beim Boxenstopp kann sie einen Unterschied ausmachen.

"Wenn wir von einem anderen Team geschlagen werden, wollen wir wissen, wie und warum sie schneller waren, damit wir entsprechend reagieren und unseren Vorsprung zurückerobern können", verrät Deane auf der Teamwebsite. Nach jedem Rennen werden die Boxenstopps akribisch analysiert, um Fehler abzustellen. "Selbstvertrauen ist sehr wichtig, wenn ein Auto mit 100 km/h auf dich zurast und du nur drei Sekunden Zeit hast, um die Reifen zu wechseln und es wieder rauszuschicken."

Dieses Selbstvertrauen erhalten die Mechaniker bei rund 60 Boxenstoppübungen pro Rennwochenende. Von Donnerstag bis Samstag werden drei Mal je 20 Stopps geübt - auch mit Zwischenfällen wie einer späten Boxeneinfahrt, einem Nasenwechsel oder einer späten Reifenwahl. Das Ziel ist es, bei jeder Übung vier Stopps unter drei Sekunden in Folge zu absolvieren. "So stellen wir sicher, dass die Jungs konstant schnell arbeiten", erklärt Deane.

Bei den Boxenstopps muss alles genau stimmen, Foto: Sutton
Bei den Boxenstopps muss alles genau stimmen, Foto: Sutton

Sollte etwas nicht klappen, wird die Übung wiederholt, dadurch wird das Selbstvertrauen verbessert. "Die vier Jungs mit den Schlagschraubern wissen zum Beispiel, dass sie exakt 0,3 Sekunden Zeit haben, um die Mutter festzuziehen", sagt Deane. "In Silverstone fiel einem der Jungs eine Mutter herunter, aber er hob sie in 0,7 Sekunden wieder auf - das ist unglaublich schnell!"

Aber auch den Fahrern kommt eine entscheidende Rolle zu. "Unsere Arbeit wird sehr viel einfacher und schneller, wenn der Fahrer die Markierungen bei der Einfahrt exakt trifft", betont Deane. Deshalb üben die Fahrer die Anfahrt und das Anhalten während der Freien Trainings am Freitag und Samstag. "Das Schlimmste ist, wenn der Fahrer über die Position hinausschießt und wir die Leute, Schlagschrauber und Reifen bewegen müssen!"

Dabei lastet schon genug Druck auf den gut trainierten Schultern der Mechaniker. In Zeiten des Tankverbots hatten sie gut sechs Sekunden Zeit, um die Reifen zu wechseln. Jetzt müssen sie das so schnell wie möglich schaffen. "Unser Ziel ist es, einen Reifenwechsel konstant in 2,5 Sekunden zu schaffen", sagt Deane. Dafür gehen die Mechaniker ins Fitnessstudio und trainieren die Hand-Augen-Koordination.

"Das hilft den Jungs mit den Schlagschraubern, die Mutter abzuschrauben, bevor das Rad stoppt - das spart sehr viel Zeit." Eröffnet aber auch Fehlerpotenzial. "Natürlich steigt dadurch der Druck auf sie und es geschehen Fehler, aber wir sind aufgrund der vielen Übungen gut vorbereitet." Das beweisen nicht zuletzt die beiden schnellsten Boxenstopps von Rosberg und Schumacher in Hockenheim.