Rob, wir haben die zweite Halbzeit der Saison 2010 erreicht. Welches Halbjahreszeugnis stellen Sie den Renault V8-Motoren aus?
Rob White: Wir sind stolz auf das Erreichte, aber nicht hundertprozentig zufrieden. In elf Rennen sind Renault-befeuerte Autos zehn Mal von der Pole Position gestartet, haben sechsmal die schnellste Runde markiert, fünf Siege und insgesamt zwölf Podestplätze geholt. Das Highlight war natürlich Monaco, wo wir unseren ersten Dreifachsieg seit 1997 feiern durften. Diese Ausbeute war für das Team in Viry extrem befriedigend. Denn die die Motorenmannschaft arbeitet hinter den Kulissen unaufhörlich daran, noch mehr Leistung und Zuverlässigkeit zu erzielen.

Für mich bestätigen diese starken Ergebnisse die Strategie der Gleichbehandlung, also beiden von uns belieferten Teams exakt dieselben Motorspezifikationen zur Verfügung zu stellen. Mit dem Werksteam in Enstone verbindet uns wegen der langen gemeinsamen Historie natürlich sehr viel. Aber wir garantieren, dass wir dem Renault Team und Red Bull Racing die gleichen Ausbaustufen und dieselbe technische Unterstützung zukommen lassen.

Der Renault-Motor hat einen Nachteil gegenüber der Konkurrenz, Foto: Sutton
Der Renault-Motor hat einen Nachteil gegenüber der Konkurrenz, Foto: Sutton

Es gab Spekulationen, dass der Renault V8 weniger Power hat als einige andere Motoren. Wie sehen Sie das?
Rob White: Ich glaube auch, dass die Spitzenleistung unseres Triebwerks im nutzbaren Drehzahlbereich nicht so gut ist wie die der besten Konkurrenten. Analysen der relativen Performance stützen diese Annahme, aber es ist nicht möglich, den Unterschied akkurat in Zahlen auszudrücken. Das ginge nur durch einen direkten Vergleich zweier Motoren auf dem Prüfstand.

Der Grund für dieses Leistungsdefizit ist historisch begründet. Es geht auf die unterschiedlichen Entwicklungszyklen und Regeländerungen der vergangenen Jahre zurück: Seit 2007 sind konstruktive Änderungen an den Motoren praktisch komplett verboten - gleichzeitig hat sich die Art und Weise, wie die Aggregate genutzt werden, seitdem erheblich verändert. So wurde die erlaubte Höchstdrehzahl zwei Mal zurückgeschraubt, die vom Reglement geforderte Lebensdauer eines Triebwerks wurde verdoppelt, KERS wurde eingeführt und wieder abgeschafft, das Nachtanken war lange erlaubt und ist jetzt verboten. Wegen dieser ständigen Änderungen gab es ein mehrfaches "Retuning" der Motoren, also Modifikationen in dem vom Weltverband erlaubten Rahmen. Die Motorenlieferanten haben innerhalb dieser engen Grenzen die heutigen Motoren entwickelt. Wenn man berücksichtigt, dass alle Motoren und folglich auch ihre konstruktiven Beschränkungen sehr unterschiedlich sind, liegt es auf der Hand, dass einige Triebwerke nach diesen ganzen Umbauten mehr Leistung haben als andere.

Natürlich hängt die Leistungsfähigkeit eines Motors im Auto auch von anderen Merkmalen ab als der Spitzenleistung. Fahrbarkeit, Hitzeabführung, Gewicht, Steifigkeit als tragendes Element - das sind wichtige Parameter. Aber die Rundenzeiten hängen nun mal entscheidend von der Power ab. Renault hat versprochen, wettbewerbsfähige Triebwerke zu liefern. Und wir sind sicher, dass wir dies innerhalb des engen Reglementsrahmens auch schaffen. Aber wir können natürlich nicht damit zufrieden sein, dass wir signifikant weniger Leistung haben als die besten Motoren unserer Gegner.

Vor der Saison war oft die Rede davon, dass der unterschiedliche Treibstoffverbrauch der Motoren eine entscheidende Rolle spielen würde. Hat sich das bewahrheitet?
Rob White: Nicht in einem nennenswerten Maß. Bei den Leistungsmerkmalen eines Motors folgt der Verbrauch von der Bedeutung her gleich hinter der Leistung. Denn das Gewicht der Autos am Start hängt unmittelbar mit dem Verbrauch zusammen. Wegen des Tankverbots in dieser Saison wirken sich eventuelle Unterschiede beim Verbrauch im Rennen noch stärker aus. Für das Qualifying gilt das Gegenteil: 2009, als wir im Qualifying schon mit der Spritmenge für den ersten Rennabschnitt gefahren sind, konnte ein sparsames Auto etwas weniger Sprit an Bord haben und damit einen besseren Startplatz erzielen. Jetzt fahren alle mit einer minimalen Spritmenge. Alle Motorenlieferanten sind sich dieser Effekte bewusst und haben intensiv an der Effizienz ihrer Triebwerke gearbeitet. Deshalb liegen alle etwa auf einem Level. Es wäre also übertrieben zu sagen, der Benzinverbrauch würde eine entscheidende Rolle spielen - außer es gibt Rechenfehler oder technische Probleme beim Tankvorgang.

Die Motoren sind eingefroren, dürfen nur mit Genehmigung verändert werden, Foto: Sutton
Die Motoren sind eingefroren, dürfen nur mit Genehmigung verändert werden, Foto: Sutton

Zu Beginn der Saison wurde viel darüber gesprochen, dass andere Motorenhersteller bestimmte Modifikationen beantragt und durchgeführt hätten. Bitte erklären Sie uns, wie das abläuft.
Rob White: Die Regeln bezüglich der Umbauten an homologierten, also einmal zugelassenen Motoren sind ziemlich simpel: Es sind keine Änderungen erlaubt - außer mit vorheriger Genehmigung des Weltverbandes FIA. Daher sprechen wir vom "Einfrieren" der Motoren.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich an der Spezifikation eines Motors nichts ändert. Wir sprechen von extrem hoch entwickelten Aggregaten, die an den technischen Grenzen der Leistungsausbeute und Zuverlässigkeit arbeiten. Die Installation eines Motors im Auto und seine Nutzung im Wettbewerb ändern sich von Jahr zu Jahr. Die geforderte Lebensdauer wird verlängert und die Rundenzeiten sinken - vor allem durch die aerodynamischen Fortschritte der Autos. So gesehen hat jeder Motorenhersteller gute Gründe, eine Nachbesserung zu beantragen: Probleme mit der Zuverlässigkeit oder der Qualität einzelner Bauteile, oder auch Veränderungen bei den Zuliefern. Wenn solche Gründe vorliegen, müssen sie in einem Antrag ausführlich dargelegt werden. Außerdem muss die erwünschte Modifikation in Worten und mit technischen Zeichnungen aller betroffenen Teile beschrieben und ihre Auswirkungen abgeschätzt werden.

Unserer Erfahrung nach behandelt die FIA solche Anträge sehr gewissenhaft. Und bevor sie - in Übereinstimmung mit dem Sportlichen Reglement - irgendwelche Ausnahmegenehmigungen erteilt, berät sie sich mit den anderen Herstellern. Dieses System funktioniert gut. Umfang und Auswirkung der Modifikationen bleiben gemessen an der Komplexität dieser Maschinen sehr bescheiden.

Wo liegen denn angesichts der eingefrorenen Entwicklung die größten Herausforderungen für einen Motorenhersteller?
Rob White: Bei Renault verfolgen wir seit jeher das Ziel, Motoren zu liefern, mit denen Grand Prix-Siege und Titel möglich sind. Das ist ohnehin schon eine massive Herausforderung, und die Entwicklungs-Restriktionen erschweren die Aufgabe noch. Um unsere Ziele zu erreichen, arbeiten wir sehr eng mit den Kollegen aus den Chassis-Abteilungen zusammen, damit wir gemeinsam das optimale Paket mit Renault Power schnüren. Wir möchten gemeinsam die Integration des Motors ins Chassis und die Betriebsbedingungen des Triebwerks im Auto so auslegen, dass unterm Strich die maximale Performance herauskommt.

Eine weitere Zielsetzung ist die hundertprozentige Zuverlässigkeit. Aber nicht um jeden Preis: Wir wägen Performance und Haltbarkeit der Aggregate gegeneinander ab. Jeder Defekt wirkt sich unmittelbar auf unsere Leistungsfähigkeit aus. Also versuchen wir uns perfekt vorzubereiten, um solche Vorfälle zu vermeiden. Und wenn einmal etwas passiert, reagieren wir extrem schnell, damit sich ein Defekt nicht wiederholt.

Rob White ist für die Renault-Motoren verantwortlich, Foto: Sutton
Rob White ist für die Renault-Motoren verantwortlich, Foto: Sutton

Drittens geht es darum, den Motor auf der Rennstrecke optimal zu nutzen. Auch dafür wird die Grundlage im Workshop in Viry gelegt. Unsere Ingenieure an der Strecke bekommen alle Informationen mit auf den Weg, die sie benötigen, um das volle Potenzial aus den Maschinen herauszuholen.

In dieser Saison wurde der Rennkalender auf 19 Rennen ausgeweitet, das erlaubte Motorenkontingent blieb jedoch auf acht Triebwerke beschränkt. Wie ist Renault mit dieser Aufgabe umgegangen?
Rob White: Bei 19 statt wie im Vorjahr 17 Rennen kann sich jeder leicht ausrechnen, dass die Triebwerke im Durchschnitt eine um zwölf Prozent längere Distanz halten müssen. Eine weitere einfache Rechnung zeigt, dass mindestens drei unserer Motoren bei drei Rennen eingesetzt werden statt nur eines Triebwerks wie zuletzt. Dies haben wir - zusammen mit den weiteren Änderungen in der 2010er-Saison wie Nachtankverbot und schnelleren Rundenzeiten - in unsere Berechnungen und unsere Freigabe-Prozesse miteinbezogen. Unsere Testzyklen auf dem Prüfstand und unsere Motorennutzung bei den Wintertests sowie an den Trainingsfreitagen wurden daraufhin abgestimmt, dass unsere Motoren die härteren Belastungen und die größere Laufleistung aushalten.

Renault liefert seit 2007 Motoren für Red Bull, für 2011 sind weitere Kundenteams im Gespräch. Wie weit sind die Verhandlungen darüber?
Rob White: Wir freuen uns über die ausgezeichnete Beziehung zu Red Bull und hoffen, dass wir diese Partnerschaft weiter ausbauen können. Unsere Kapazitäten würden es erlauben, in Zukunft weitere Teams zu beliefern - und wir würden das gerne tun, wenn es für Renault und die Formel 1 von Vorteil ist. Wir würden natürlich weiterhin unsere Politik der strikten Gleichbehandlung aller Renault-getriebenen Autos beibehalten. Ich weiß, dass wir in der Presse mit verschiedenen Teams in Verbindung gebracht wurden, aber es gibt noch nichts Definitives zu verkünden.

Für die Saison 2013 zeichnet sich ein vollkommen neues Motorenreglement ab. Können Sie uns über die kommende Motorengeneration schon Näheres erzählen?
Rob White: Renault unterstützt jeden Ansatz, der die Umweltverträglichkeit der Formel 1, die Show für die Fans, die Kostensenkung oder die Übertragbarkeit in Serienautos fördert. Wir beteiligen uns sehr gerne an den Diskussionen mit der FIA über die künftige Auslegung des Antriebsstrangs. Bei Renault haben wir uns natürlich auch mit den Kollegen aus der Serienentwicklung beraten und glauben, dass ein Benzindirekteinspritzer mit Turboaufladung, weiterentwickelter Energierückgewinnung und zusätzlichem Elektroantrieb die genannten Ziele erreichen würde. Und wenn ich mir den aktuellen Stand der Diskussion anschaue, dann sieht es so aus, als wäre so eine Konfiguration für alle Beteiligten in der Formel 1 akzeptabel.