Auf dem Nürburgring hast du dein erstes Rennen seit Brands Hatch 2007 gewonnen. Inwieweit hat dir dieser Erfolg noch einmal einen Motivationsschub geben können?
Bernd Schneider: Einen Extra-Motivationsschub hat es nicht gegeben, denn motiviert bin ich immer. Mir macht das Fahren nach wie vor genug Spaß. Der Sieg am Nürburgring war dennoch wichtig, gerade nachdem in diesem Jahr nicht immer alles so zusammengepasst hat. So konnte ich noch einmal zeigen, dass ich unverändert ein Siegfahrer bin. Dennoch gehe ich auch an die übrigen Rennen wie gewohnt heran: Ich will schnellster HWA-Pilot sein und weitere Siege einfahren. Ich konzentriere mich auf das einzelne Event.

Der mentale Faktor ist gerade zum Endspurt der Meisterschaft in aller Munde. Hast du in solchen Situationen schon einmal ein professionelles Mentaltraining in Anspruch genommen?
Bernd Schneider: Ich habe nie ein professionelles Mentaltraining gemacht, auch wenn ich öfter darüber nachgedacht habe. Es kann sicherlich nicht schaden. Das merke ich dann, wenn wir auch teamintern ähnliche Methoden anwenden. Einerseits habe ich mich immer stark genug gefühlt, das Mentale auch selbst in den Griff zu bekommen. Andererseits bin ich aber auch immer ein offener Mensch gewesen. Genauso wie ich für jede technische Weiterentwicklung offen bin, bin ich auch sonst für alles Neue offen. Als Rennfahrer muss man immer bereit sein dazuzulernen.

Angenommen, du wärest noch in den Titelkampf involviert. Inwieweit hättest du Paul und Jamie einen Erfahrungsvorsprung, mit Druck umzugehen, voraus?
Bernd Schneider: Paul hat auch abseits der DTM schon genügend Endspurts mitgemacht und sich dabei gut geschlagen. Er war Formel-3-Euroserie-Meister, genauso wie Jamie. Auch dort hat man Druck bis zum letzten Rennen. Die beiden wissen genau, worauf es ankommt. Die Anspannung ist immer hoch - ob am Anfang oder zum Ende der Saison. Auch zum Saisonende versteift man sich nicht darauf, nur noch an die Meisterschaft zu denken.

Inwieweit macht sich in der Endphase der Saison die Favoritenstellung von Paul Di Resta und Jamie Green auch intern bemerkbar?
Bernd Schneider: Wenn man schon am Nürburgring auf diejenigen mit den besten Meisterschaftschancen gesetzt hätte, hätte ich dort nicht gewinnen dürfen. Dann hätte man damals schon eingreifen müssen. Natürlich bin ich in der aktuellen Lage nicht mehr das heißeste Eisen von Mercedes. Aber Teamorder ist nicht unsere Philosophie und gibt es auch nicht.

Bernd Schneider schätzt die Fähigkeiten Paul di Restas, Foto: DTM
Bernd Schneider schätzt die Fähigkeiten Paul di Restas, Foto: DTM

Ist der Punkt schon gekommen, an dem du Paul oder Jamie im Rennen nicht mehr angriffest?
Bernd Schneider: Wir sind alle Teamplayer. Jeder weiß damit umzugehen und wie wichtig für unsere Marke der Erfolg im Rennsport ist. Dementsprechend werden alle handeln. Dafür braucht man keinen Funkspruch und keine Teamorder.

In den 90er-Jahren schien Teamorder hingegen noch wie zur Kultur des Tourenwagensports zu gehören, ohne dass sich daran wirklich jemand gestört hätte.
Bernd Schneider: In der alten DTM war Stallorder an der Tagesordnung. Ab der Hälfte der Saison wurden bestimmte Piloten favorisiert, die sich bis dahin in die entsprechende Lage gebracht hatte. Auch ich habe schon viele Pfeifkonzerte der Zuschauer erlebt, weil ein Teamkollege den anderen vorbeilassen musste. Stallorder war den Zuschauern auch damals schwer zu vermitteln.

Siehst du weitere Unterschiede zu den damaligen Titelkämpfen?
Bernd Schneider: Früher haben auch die Teams einer Marke viel mehr gegeneinander gekämpft. So gab es zum Beispiel viele verschiedene Mercedes-Teams. Das hat es nicht einfach gemacht, wenn zum Beispiel ein Team vorne war, das ansonsten nicht so häufig an der Spitze auftauchte. Wenn ein solches Team in der Endphase der Saison nicht gewinnen durfte, tat das besonders weh. Heute gibt es ein HWA-Team. Alle sieg- und meisterschaftsfähigen Piloten fahren für das gleiche Team, und alle wissen, dass jeder die Chance hat, sich in die Lage zu bringen, von den anderen unterstützt zu werden.

Haben sich aus deiner Sicht die Regeländerungen für 2008 bewährt?
Bernd Schneider: Die Regeländerungen, die durchgeführt wurden, lassen sich nicht pauschal als gut oder schlecht bewerten. Man muss das Sportliche von der Spannung trennen. Mit den Zeitfenstern, die man für die Boxenstopps geschaffen hat, ist der Sport eindeutig fairer geworden. Es stellt sich die Frage: Will man dem Zuschauer mehr Action auf der Strecke bieten, wozu dann unter Umständen auch Blockaden und hartes Fahren dazugehören würden, oder will man, dass der Beste ohne größere Hindernisse gewinnt? Man muss abwägen, was man haben möchte. Ich weiß, was mir lieber ist.

Zu welchem Ergebnis kommst du dabei?
Bernd Schneider: Ich war und bin immer noch der Meinung, dass man die Rennen so gestalten sollte, dass sie am fairsten ablaufen. Aber wenn die Spannung zu sehr darunter leidet, muss man sich vielleicht zu Gunsten der Spannung entscheiden. Die Leute wollen Unterhaltung - und unterhalten werden sie auch dann, wenn Strategiespiele betrieben werden.

In der Regenschlacht vom Nürburgring blühte Bernd Schneider auf, Foto: DTM
In der Regenschlacht vom Nürburgring blühte Bernd Schneider auf, Foto: DTM

Sollte die DTM somit für 2009 wieder mehr in diese Richtung gelenkt werden?
Bernd Schneider: Das müssen die Verantwortlichen der ITR entscheiden. Sie müssen sich Gedanken darüber machen, was der Fan, der Zuschauer und das Fernsehen wollen. Da braucht man nicht unbedingt die Meinung eines Einzelnen.

Wie beurteilst du die technische Weiterentwicklung seit dem Saisonstart?
Bernd Schneider: Wir haben viele kleine Schritte gemacht. Für ganz große Sprünge bleibt mit dem aktuellen Reglement nicht der Spielraum. Das Team hat unglaublich hart gearbeitet, um in diesem kleinen Spielraum das Maximale herauszuholen. Damit sind wir noch lange nicht am Ende, denn wir werden weitere Schritte machen. Wir haben die Meisterschaft noch nicht abgeschrieben. Als Team haben wir noch alle Möglichkeiten. Zuletzt in Barcelona hat Paul zwei Punkte auf den Meisterschaftsführenden aufgeholt.

2006 hast du mit zwei Siegen den optimalen Saisonstart erlebt, 2008 lief es während der ersten beiden Rennen für das gesamte Team nicht rund. Seid ihr somit in diesem Jahr anders an die Weiterentwicklung herangegangen als damals?
Bernd Schneider: Für mich als Fahrer ist das nicht ganz so leicht zu beurteilen. Ich kann nur sagen, dass alle im Team sehr hart gearbeitet haben. Jede freie Minute, die zur Verfügung stand, hat man sich Gedanken gemacht, was man tun kann, um den Speed zu verbessern.

Was ist deine Prognose für den Endspurt der Meisterschaft?
Bernd Schneider: In der DTM ist alles möglich. Von den bisherigen Rennen hat Mercedes fünf gewonnen, Audi vier. Das hätte nach den ersten Rennen wohl nicht jeder gedacht. Es ist alles noch drin, aber es wird nicht leicht.