Die Zeit von Donnerstag bis Sonntag ist für einen DTM-Piloten am Rennwochenende bekanntlich gut mit Terminen gefüllt. Wie gelingt es, dennoch ein paar Momente zum Abschalten zu finden?
Martin Tomczyk: Es ist seit mehreren Jahren so, dass mein Terminkalender für das Rennwochenende von Audi und der Motorsportkommunikation erstellt wird. Mittlerweile wissen alle, dass ich vor Qualifying und Rennen mindestens eineinhalb Stunden keinen Termin mehr haben möchte. Aber die 90 Minuten reichen mir, um meine Konzentration zu finden.

Bleibt davor oder danach noch Zeit zum Sightseeing in der jeweiligen Gegend?
Martin Tomczyk: Es ist ein Phänomen, das vermutlich jeder Rennsportler kennt: Ich fliege schon das 20. Mal nach London, um zu testen oder ein Rennen zu fahren. Aber die Stadt selbst habe ich noch nie gesehen - genauso wie Barcelona. Dieses Mal habe ich mir vorgenommen, drei Tage länger in London zu bleiben, um die Stadt endlich einmal kennen zu lernen. Aber generell kenne ich die Flughäfen besser als die Gegenden selbst, in denen man Rennen fährt. Im Grunde ist es wie bei jedem normalen Arbeitnehmer: Man fährt zum Arbeitsplatz und arbeitet dort - und dann geht es ohne Umwege wieder zurück nach Hause.

Durch die öffentlichen Vorab-Pressekonferenzen an bekannten Sehenswürdigkeiten entsteht bei den Fans oft ein anderer Eindruck...
Martin Tomczyk: Vor den Rennen finden oft die Pressekonferenzen in der jeweiligen Stadt statt. Aber man wird mit dem Shuttle dorthin gebracht, sieht vielleicht ein Wahrzeichen der Stadt, und dann geht es zurück zum Flughafen. Der Nürburgring ist eine Ausnahme: Dort versucht jeder Fahrer, sich die Zeit zu nehmen, eine Runde auf der Nordschleife zu drehen.

Zu Beginn der Saison sagtest du, dass dir der aktuelle A4 im Qualifying nicht so gut liegt. Hat sich daran etwas verändert?
Martin Tomczyk: Ich bin nach wie vor nicht hundertprozentig zufrieden. Auf dem Nürburgring war es komplett nass - da zählen andere Kriterien als im Trockenen. Unter normalen Umständen bin ich auf die einzelne Runde nach wie vor nicht schnell genug. Mittlerweile haben wir in den freien Trainings schon ein wenig unsere Arbeitsweise umgestellt. Wir arbeiten ein wenig konkreter an bestimmten Abstimmungsbereichen - hoffentlich ist das der Schlüssel.

Setzt man zur Lösung solcher Probleme mehr bei sich oder mehr beim Auto an?
Martin Tomczyk: Sowohl als auch. Ich muss mich auf das Auto einstellen; durch die Abstimmung kann man mir wiederum erleichtern, mit dem Fahrzeug zurechtzukommen. Mal sehen, was im Saisonendspurt noch dabei herauskommt.

Martin Tomczyk kämpft unverändert mit Problemen im Qualifying, Foto: Audi
Martin Tomczyk kämpft unverändert mit Problemen im Qualifying, Foto: Audi

Inwieweit besteht die Gefahr, mental zu verkrampfen, wenn es im Qualifying beständig nicht so läuft wie gewünscht?
Martin Tomczyk: Ich weiß seit acht Jahren ganz gut, worauf es in der DTM ankommt. Ich kenne die entsprechenden Strategien, um im entscheidenden Moment nicht zu verkrampfen - ansonsten würde gar nichts mehr funktionieren. Auf dieser Basis versucht man sein Bestes mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen.

Mentaltraining scheint bei Sportlern allgemein im Trend zu liegen. Hast auch du so etwas schon einmal in Anspruch genommen?
Martin Tomczyk: Ich war einer der ersten, die das in Anspruch genommen hat - allerdings eher unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ich habe schon Ende 2002 zu Audi-TT-Zeiten damit begonnen. Das Mentaltraining hat mich auch langfristig weitergebracht. Ich hatte einen Mentaltrainer gefunden, der mir sehr viel vermittelt hat - nicht auf die übliche "Mentaltrainerart", sondern auf eine Art und Weise, die mir auch menschlich sehr gefallen hat. Er hat mich auf Ideen gebracht, auf die ich alleine wohl nicht gekommen wäre. Ich bin weiterhin freundschaftlich mit meinem Mentaltrainer in Kontakt; und manchmal werden telefonisch ein paar Übungspunkte aufgefrischt.

Hilft das, die Motivation auch jetzt in einer weniger aussichtsreichen Meisterschaftsposition aufrechtzuerhalten?
Martin Tomczyk: Der wichtigste Punkt ist der Rückhalt im Team - und der ist absolut da. Es ist schließlich nicht so, als führe ich in der hintersten Reihe herum. Schon allein die Begeisterung der Mechaniker ist immer wieder enorm. Die nötige Motivation ist somit kein Problem für mich.

Bemerkst du dennoch, dass du weniger im Rampenlicht stehst als noch im letzten Jahr?
Martin Tomczyk: Das merke ich nicht so sehr - und wenn, dann wäre es mir egal. Ich komme Donnerstags an und arbeitete vier Tage konzentriert mit meinem Team. Ob eine Kamera mehr oder weniger um mich ist oder ob ich im TV-Trailer als Titelfavorit genannt werde, ist mir nicht so wichtig. Im vergangenen Jahr war es natürlich schön, als einer der Hauptfiguren im Meisterschaftskampf promotet zu werden, aber ich kann auch gut ohne.

Die Zuschauer empfinden die Rennen momentan als wenig spektakulär - aus deiner Sicht verständlich?
Martin Tomczyk: Die Frage ist, was man als unspektakulär definiert. Wir versuchen immer, guten Motorsport zu bieten, es ist aber auch verständlich, wenn die Zuschauer ein Rennen wie in Zandvoort weniger interessant finden. Wenn man an das letzte Jahr denkt, konnte sich niemand über mangelnde Action beklagen - auch in diesem Jahr haben wir schon gute Rennen gesehen. Es kann nicht jedes Rennen gleich spannend sein. Die Saison 2007 ist ein hoher Maßstab. Und auch in der Formel 1 haben wir in diesem Jahr viele unspektakuläre Rennen gesehen.

2007 liefen weite Teile der Saison recht chaotisch, aber auch sehr abwechslungsreich ab. Glaubst du, dass daraufhin zu viele neue Regeln eingeführt wurden, die zu viel Spannung aus den Rennen herausgenommen haben?
Martin Tomczyk: Ich glaube, dass die Fahrer seit dem letzten Jahr disziplinierter geworden sind. 2007 wurde oft über die Stränge geschlagen. Ich glaube nicht, dass die geringere Spannung an den Regeln liegt - auch wenn das Boxenstoppfenster natürlich die strategische Komponente herausgenommen hat. Die guten und spannenden Zweikämpfe finden dann statt, wenn zwei Fahrzeuge desselben Jahrgangs gegeneinander fighten - und nicht dann, wenn ein aktuelles Auto hinter einem Jahreswagen festhängt, der seinen Boxenstopp erst extrem spät antritt.

In Brands Hatch machte Tomczyk die Taktik einen Strich durch die Rechnung, Foto: DTM
In Brands Hatch machte Tomczyk die Taktik einen Strich durch die Rechnung, Foto: DTM

Nach dem Qualifying auf dem Nürburgring wurde zwischen den Herstellern erstmals wieder so hitzig diskutiert wie 2007 fast gewohnt. Braucht die DTM gelegentlich diese Brisanz?
Martin Tomczyk: Das Reglement war in diesem Punkt eindeutig. Dass sich vielleicht der eine oder andere mehr pikiert, der davon in der Startaufstellung weniger profitiert, ist verständlich. Natürlich wurde von Mercedes versucht, die Reglementlücke zu finden - die es aber nicht gab. Letztlich bringt das zwar nur zusätzliche Würze in den Sport, aber die Diskussion war für mich nicht von Belang.

Deine Meisterschaftschancen sind mittlerweile recht begrenzt. Ab welchem Punkt wärest du bereit, deinen Teamkollegen von dir aus unter die Arme zu greifen?
Martin Tomczyk: Dazu bin ich schon jetzt bereit. Wenn nichts Dramatisches passiert, ist der Meisterschaftszug für mich abgefahren. Natürlich fahre ich nach wie vor um gute Platzierungen und eventuell den Sieg - aber die Hauptsache ist, dass einer unserer Titelkandidaten zum Titel gebracht wird.

Fürchtest du Diskussionen um Stallorder, auch wenn du ganz freiwillig zurückstecken würdest?
Martin Tomczyk: Das Thema Stallorder gibt es nicht. Stallorder ist definitiv verboten - und wir werden Sie tunlichst vermeiden. Aber: Wenn wir im letzten Rennen sind und es um die Meisterschaft geht, werde ich Timo oder Mattias sicherlich nicht bis aufs Messer bekämpfen - aber dafür brauche ich keinen Funkspruch!