Nach dem einem spannenden Nürburgring-Rennen hat auch der achte Saisonlauf in Brands Hatch von fairen, aber packenden Zweikämpfen bis hin zu interessanten Strategien alles geboten - den erwarteten Sieger inklusive. Timo Scheider hat das Rennen kontrolliert, hat sich von Paul di Resta nicht unter Druck setzen lassen und wird in dieser Form auch bei den kommenden Rennen nur schwer zu schlagen sein. Doch Paul, Jamie Green und Mattias Ekström warten nur auf den ersten kleinen Fehler...

Timo und Paul waren in England klar überlegen - und fuhren gemeinsam in einer eigenen Liga. Generell gilt: Wenn der aktuelle Audi jemandem liegt, dann Timo. Beim Einlenken in die Kurve schiebt der aktuelle A4 mehr über die Vorderachse als sein Vorgänger. Das Untersteuern verhindert ein aggressives Anfahren der Kurve, beim Anbremsen muss man sensibler vorgehen. Auf der Hinterachse ist das Auto hingegen sehr stabil. Dieses Fahrverhalten scheint Timo sehr zu liegen - den anderen hingegen weniger.

Mehr taktische Experimente

Mithalten konnte mit Timo und Paul in Brands Hatch lediglich Mattias - anders als Jamie Green, der im Qualifying, am Start sowie mit seinem Speed nicht ganz an Paul heranreichte. Mattias hat sich über die Saison hinweg gemeinsam mit seinen Renningenieur mit viel harter Arbeit an Timo herangetastet, hat seinen Fahrstil angepasst und einige größere Änderungen am Basis-Setup vorgenommen. Für Martin Tomczyk war das Rennen zwar mit Blick auf seinen Speed ein Lichtblick. Dennoch kommen Martin und Tom Kristensen auch weiterhin nicht auf die Konstanz ihrer beiden Teamkollegen. Haben sie ein gutes Qualifying, fehlt der Speed im Rennen - und umgekehrt.

Taktisch haben sich vor allem Timo und Paul gegenseitig beäugt. Auch im übrigen Feld waren die Strategien anders als gewohnt diesmal nicht deckungsgleich. Wirklich etwas riskiert wurde allerdings nur bei Mattias: Nach dem Defekt im Qualifying haben er und sein Kommandostand nur mit den beiden extrem späten Stopps wirksame Schadensbegrenzung betreiben können. In der Phase, in der Mattias lange draußen geblieben ist, verlor er zwar zeitweise mehrere Zehntelsekunden pro Runde.

Mattias Ekström hat sich über die Saison hinweg sukzessive an Timo Scheider herangetastet, Foto: Hartley/Sutton
Mattias Ekström hat sich über die Saison hinweg sukzessive an Timo Scheider herangetastet, Foto: Hartley/Sutton

Später hat sich das aber wieder relativiert, als er selbst auf neuen und die Spitze auf alten Reifen unterwegs war. Inwieweit das Boxenstoppfenster auch künftig in dieser Form ausgereizt wird, wird zwar auch weiterhin streckenspezifisch sein. Dennoch war es ein gutes Signal für alle, dass eine ungewöhnliche Strategie nach wie vor von Erfolg gekrönt sein kann. Somit dürfte künftig wieder mehr experimentiert werden.

Fairness und Spannung kombiniert

Kennzeichnend für das Rennen waren auch die fair ablaufenden Überrundungen. Als das Führungsduo auf die verschiedenen Pulks auflief, ging alles sehr fair zu - von Seiten beider Hersteller. Dass die Situation, als die beiden Führenden auf das Audi-Jahreswagentrio aus Oliver Jarvis, Alexandre Prémat und Markus Winkelhock aufgelaufen sind, für Timo trotz alledem ärgerlich war, ist nachvollziehbar: Oliver war kurz vorher im Kies, es entstand ein Tumult, nachdem Oliver das Führungsduo offenbar nicht hatte kommen sehen. Das kann passieren - und hat den Zuschauern zusätzliche Spannung geboten.

Auf dem Nürburgring und in Brands Hatch hat sich gezeigt, dass die teilweise fehlende Spannung der ersten Saisonhälfte keineswegs nur am Reglement lag. In dem Moment, in denen es viele gleichwertige Gegner gibt, wird ein Rennen spannend. Ist eine der Marken überlegen, kommt es zu Prozessionen - wie in Zandvoort oder am EuroSpeedway. Dennoch haben auch die kleinen Regeländerungen, das erweiterte Boxenstoppfenster und eine Erleichterung um zehn Kilogramm für die Jahreswagen, zu spürbaren Verbesserungen geführt. Oft braucht es eben gar nicht reglementarischen Revolutionen.

Wer hätte gedacht, dass in Brands Hatch ein Mercedes-Jahreswagen vor der Ingolstädter Konkurrenz in die Top 8 kommt, dass die 2007er-Mercedes einmal schwerer würden als der Vorjahres-Audi? Lobend hervorzuheben sind in Reihen der Jahreswagenpiloten vor allem Gary Paffett und Oliver Jarvis. Die beiden Briten haben erneut ihre Klasse bewiesen - und geben bei den Jahreswagen klar den Ton an. Zwar hatte Mike Rockenfeller mit seinem missglückten Boxenstopp erneut Pech; insgesamt geht es bei den Audi-Jahreswagen durchaus recht ausgeglichen zu. Aber wenn jemand aus dem 2007er-Quartett der Ingolstädter in diesem Jahr für Furore gesorgt hat, war es Oliver.

Zwölf Monate nach dem letztjährigen Eklat geht es in drei Wochen wieder nach Barcelona. Aus den dortigen Fehlern des letzten Jahres hat man zweifelsohne gelernt. Der Sport ist fairer geworden - und das mittlerweile auch verbunden mit spannenden Rennen. Die Schritte, die die DTM zum Positiven tut, werden registriert - und müssen nun manifestiert werden. Es kommt nicht darauf an, wie gut die Hersteller im Einzelnen miteinander harmonieren. Was zählt, ist der Sport auf der Strecke. Und die eine oder andere Reiberei kann während des Saisonendspurts ohnehin nicht schaden...