Vor zwei Jahren befandest du dich im Meisterschaftskampf; in Zandvoort hast du 2006 deinen bisher letzten DTM-Sieg errungen. Welche Erinnerungen sind zuletzt in den Niederlanden aufgekommen?
Tom Kristensen: Ich versuche, nicht in Erinnerungen zu schwelgen. Ich habe mich aufs Fahren konzentriert - und Zandvoort ist einfach eine geile Strecke. Man muss sein Auto hier besonders gut abstimmen, es muss beim Setup alles zu 100 Prozent passen, um vorne mitfahren zu können. Der Kurs liegt unserem Audi A4 sehr gut, denn die Kombination aus verschiedensten Kurvenkombinationen kommt ihm entgegen. Zandvoort ist aber auch eine sehr fahrerorientierte Strecke, die uns sehr fordert.

Zandvoort ist eine vergleichsweise alte und enge Strecke. Braucht es angesichts der wenigen Auslaufzonen Überwindung?
Tom Kristensen: Es gibt auf jeden Fall einige Mutkurven. Einige Stellen könnten sicherer gestaltet werden, denn wir erreichen in der DTM mittlerweile enorme Geschwindigkeiten. Aber wenn man ein wenig von der Strecke abkommt, dann passiert in der Regel ein sehr teurer, aber eher ungefährlicher Unfall. Wir Fahrer lieben die Strecke trotz ihrer Schwächen. Ich fahre lieber hier als auf einer neuen, absolut sicheren Formel-1-Strecke, denn diese Strecken bringen leider auch nicht immer ein Höchstmaß an Action.

Wie gelingt es, trotz der vielen Gefahren die Konzentration aufrecht zu erhalten? Die Gefahr mental ausschalten, stattdessen auch in Mutkurven fokussiert bleiben?
Tom Kristensen: Speziell in den Mutkurven muss man sich sehr konzentrieren - aber dafür bin ich professionell genug. Aber vor allem bei der Arbeit mit den Ingenieuren muss man sehr konzentriert arbeiten. Wir fahren unterschiedliche Setups für Qualifying und Rennen - und gerade hier muss man eine höchste Konzentration an den Tag legen. Auch werden insbesondere auf den letzten Runden die Reifen sehr stark beansprucht, und da ist es nicht leicht, kleine, aber vielleicht fatale Fehler zu vermeiden.

Im Juni stand für dich im Rahmen deines Le-Mans-Einsatzes wieder die Umstellung vom A4 DTM auf den R10 TDI und zurück an. Hat das Schwierigkeiten bereitet?
Tom Kristensen: Im R10 haben wir eine spezielle Traktionskontrolle und weitere Elektronik, die der A4 DTM auf Reglementsgründen nicht hat. Insofern muss man in der DTM einen sehr viel sensibleren Gasfuß haben. Dieser Punkt erfordert die meiste Umgewöhnung - und gerade auf Long Runs muss ich aufpassen, mir immer über die fehlende Traktionskontrolle im Klaren zu sein.

Der letzte Sieg liegt für Tom Kristensen zwei Jahre zurück, Foto: Audi
Der letzte Sieg liegt für Tom Kristensen zwei Jahre zurück, Foto: Audi

Inwieweit hat dir dein achter Le-Mans-Sieg mentalen Auftrieb gegeben?
Tom Kristensen: Das war einer der schönsten Momente meiner Karriere - und davon kann ich auch in der DTM mental profitieren. Leider ist der Saisonstart hir nicht optimal gelaufen. Ich habe in Oschersleben in Startreihe eins einen Fehler gemacht, habe dann nicht so viel Punkte sammeln können wie meine Teamkollegen und hatte somit schon früh einen Rückschlag zu verzeichnen. Aber das Großziel war nach dem letzten Jahr Le Mans - und dort hat alles reibungslos funktioniert.

Welche Unterschiede sind dir außerdem wieder zwischen Touren- und Langstreckensport aufgefallen?
Tom Kristensen: Ein für viele vielleicht ungewöhnlicher: Im R10 ist das Motorgeräusch sehr leise. In der DTM ist es immer sehr laut, oft habe ich Kopfschmerzen. Die Nachwirkungen meines Unfalls zum Saisonauftakt 2007 sind leider immer noch nicht ganz ausgestanden.

Wie zufrieden kannst du mit der bisherigen DTM-Saison sein, nachdem du eigentlich an die Saison 2006 anknüpfen wolltest?
Tom Kristensen: Natürlich bin ich ein wenig unzufrieden mit der ersten Saisonhälfte, und größtenteils lag es an mir selbst, dass der Erfolg nicht wie erhofft kam. Im R10 habe ich eher das Gefühl, fahrerisch alles im Griff zu haben als im A4 DTM - mir fehlt der Lauf, den zurzeit Timo und Mattias haben. Was meine Zeiten angeht, bin ich nicht weit weg, aber wenn Timo und Mattias in ihrer normalen Form sind, ist Platz drei für mich das Maximale.

Die Rennen haben sich seit dem letzten Jahr verändert. Vermisst du durch das Boxenstoppfenster die strategische Komponente?
Tom Kristensen: Wir müssen an die Zuschauer denken, und generell erhöht das Boxenstoppfenster die Spannung auf der Strecke. Natürlich war das Rennen in Zandvoort für die Zuschauer recht langweilig. Es gab einen interessanten Kampf zwischen Markus, Mike und Bernd Schneider - ansonsten haben die Fans nur das Funkensprühen in den Kurven gesehen. Zandvoort war ein extrem schnelles Rennen, aber leider ohne Überholmanöver.

Generell fällt auf, dass es in den Rennen recht ruhig zugeht.
Tom Kristensen: Die Rennen sind extrem schnell, und es gibt kaum Fahrfehler. Die Fahrer arbeiten gerade in diesem Jahr auf einem sehr hohen Niveau.

Sind vielleicht nach den Erfahrungen des letzten Jahres zu viele neue Regeln eingeführt worden?
Tom Kristensen: (lacht) Kein Kommentar...

Glaubst du, dich in der zweiten Saisonhälfte noch einmal deutlich steigern zu können?
Tom Kristensen: Natürlich liegt der Fokus mittlerweile auf Timo und Mattias. Das beeinträchtigt mich aber nicht in meiner Arbeit - und vielleicht kommt auch bei mir einmal ein Quäntchen Glück dazu. Ich will nicht sagen, dass ich bisher Pech hatte, aber ich hatte schon glücklichere Jahre...

Ab welchem Punkt würdest du dich wieder in den Dienst des Teams stellen?
Tom Kristensen: Ich fahre für Audi, Stallorder ist definitiv verboten. Deshalb wird es bei uns keine geben - ich werde jedoch weder Timo noch Mattias blockieren. Auf diese Weise können sie auch in diesem Jahr im Rahmen des Erlaubten auf mich zählen.